Bahnhof Europa

Romeo + Julie auf dem Bahnhof

In unserem heutigen "Kultursalon" möchten wir uns noch einmal ausführlich mit der in diesem Monat stattgefundenen Aktion "Bahnhof Europa" beschäftigen. Insgesamt 10 Tage fuhren junge Leute aus Polen, Deutschland und Tschechien mit einem Sonderzug durch die Grenzregion des Dreiländerecks. Auf 8 verschiedenen Bahnhöfen machten sie Halt und führten ein multimediales Programm aus Theater, Musik und anderen Kunstformen auf. Jakub Liska stellt ihnen die Aktion "Bahnhof Europa" vor.

Ihre ganz persönliche Version eines Miteinanders - über die Grenzen der Länder, der Sprache und des Alters hinweg - das ist der Grundgedanke, den die jungen Menschen aus Polen, Deutschland und Tschechien durch ihre Aktion vermitteln wollten. Denn obwohl man in direkter Nachbarschaft wohnt, weiss man relativ wenig voneinander. Jörg Davids arbeitet im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres für das Begegnungszentrum Grosshennersdorf, einen der drei Veranstalter:

"Gross Hennersdorf liegt im Dreiländereck, wo man 10 Kilometer bis Polen, 10 Kilometer bis Tschechien und halt Deutschland hat und es ist uns halt aufgefallen, dass die Leute untereinander sich eigentlich überhaupt nicht kennen, sich komplett fremd sind und da ist noch viel aufzuholen, gerade auch aus der letzten Zeit."

Bereits seit Jahren arbeitet das Begegnungszentrum mit einem polnischen und einem tschechischen Verein zusammen. Petra Sochova vom Euroregionalen Zentrum im tschechischen Lemberk:

"Wir arbeiten mit Jugendlichen aus der Euroregion Neisse, mit deutschen, tschechischen und polnischen Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren in Form von Werkstätten. Wir haben Filmwerkstätten gemacht, wir haben Fotos gemacht, es gab eine Musikwerkstatt."

Für die jungen Leute sind die Werkstätten eine gute Gelegenheit, sich über die Grenzen hinweg kennenzulernen. Die Verständigung untereinander ist kein Problem:

"Beim Arbeiten sprechen wir häufig die Landessprache und es sind Dolmetscher oder Sprachmittler da, aber wenn wir uns so gegenseitig unterhalten wollen, dann ist das meistens englisch bzw. ab und zu auch deutsch, weil viele der tschechischen und polnischen Jugendlichen auch gut deutsch sprechen können."

Und vor zwei Jahren gab es dann die Idee, alle Werkstätten miteinander zu verbinden und mit einem Sonderzug auf die Tour zu schicken. Frank Rischer arbeitet ebenfalls für das Begegnungszentrum und ist einer der Organisatoren von "Bahnhof Europa". Für ihn sind Bahnhöfe ideale Begegnungsorte für Menschen und Kulturen:

"Weil Bahnhöfe öffentliche Orte sind, Orte an denen Menschen sowieso irgendwie miteinander kommunizieren müssen. Bahnhöfe als Metapher, als Idee, Verbindungen herzustellen zwischen Orten und Menschen, dass sich junge Leute aus Deutschland, Polen und Tschechien an einem Ort treffen."

Und nach Monaten harter Arbeit und Vorbereitungen ging es dann am 18. August endlich im tschechischen Liberec-Reichenberg los. Nach eintägigen Aufenthalten unter anderem in Görlitz und Breslau rollte der Zug dann in Prag ein. Mit Trillerpfeifen und Trommeln sprangen die 60 jungen Künstler bei der inszenierten Ankunft aus dem Zug heraus und innerhalb weniger Minuten wurde der Bahnhof von den Jugendlichen besetzt. Und ob Prag, Breslau oder Dresden - bis spät in die Nacht gab es an dann Theateraufführungen, Lesungen, Konzerte und Filme:

In dem Film "Bordercrosser", der in den Grenzgebieten gedreht wurde, hat man ältere Menschen über ihre eigene Geschichte, die Entstehung der Grenzregion und deren Besonderheiten befragt. Dabei hat Matthias Melitzki, einer der deutschen Filmemacher nicht nur Interessantes über das Schicksal anderer Generationen erfahren, sondern selbst eigene Vorurteile abgebaut:

"Also im Prinzip geht man erstmal mit so kleinen Vorurteilen nach Polen rein, sieht zerfallene Häuser und so, viele besoffene Menschen und denkt erst mal, was ist denn hier los. Dadurch aber, dass man in einer Gruppe ist, zusammen mit Polen und Tschechen, versteht man die Leute, und das macht die Sache dann interessant und man ist nicht mehr so fremd gegenüber dem Land, wo man zunächst einmal ängstlich sein würde."

Auch die wenigen älteren Besucher zeigten sich über den Film erfreut:

"Mir gefällt vor allem, dass es sich um ein Projekt junger Leute handelt, von denen man ja gerne behauptet, dass sie sich für die Vergangenheit und ihre Herkunft eh nicht interessieren. Das ist für mich das Bemerkenswerte."

Und obwohl nicht immer alles geklappt hat und viel improvisiert werden musste, sind die Verantstalter mit dem Verlauf der Tour zufrieden. 10 intensive Tage mit wenig Schlaf und viel Stress, aber auch unvergesslichen Momenten und neu geschlossenen Freundschaften sind für die 60 Jugendlichen aus Polen,Tschechien und Deutschland nun Vergangenheit und ein Schritt in eine gemeinsame Zukunft zugleich. Verabschieden möchte ich mich von Ihnen mit der selbskomponierten Hymne der jungen Erwachsenen: