Begegnungen an der Grenze
Die Gemeinde Visnova besteht aus neun Ansiedlungen mit Namen wie z.B. Andelka/Engelsfdorf, Loucna/Lautsche, Filipovka/Phillippsthal und zählt insgesamt 1340 Einwohner. Die erwähnte Grenzöffnung nach der Wende ´89 kam für Visnova nicht über Nacht, im Gegenteil! Doch nicht nur diese gilt als Resultat einer 5 Jahre andauernden Eigeninitiative! Man habe - wie mir die Bürgermeisterin Marie Matuskova in einem Gespräch sagte - die ein halbes Jahrhundert lang gesperrte Grenze auch auf eine andere Art und Weise überschreiten:
"Damals haben wir uns an das Städchen Ostritz gewandt, wo wir auf eine positive Resonanz stießen, und haben gemeinsam eine Organisation gegründet. Sie heißt "Nebeneinander, aber miteinander". Wir leben tatsächlich nebeneinander, denn die Deutschen sind über Polen nur 4 Kilometer von uns entfernt."
Die Organisation arbeitet mittlerweile seit bereits 5 Jahren, in denen es möglich war, gute Beziehungen zu knüpfen:
"Das Städchen Ostritz ist für meine Gemeinde eine Art Vorbild. Sie haben mehr Geld, bessere Subventionsquellen, verfügen über eine Verbrennungsanlage für Biomasse, über ein Windelektrizitätswerk, ein Kanalisationsnetz usw. Kurz um, Ostritz ist unser ökologisches Vorbild."
In die Kontakte unter dem Motto "Nebeneinander, aber Miteinander" wurde auch die benachbarte polnische Grenzregion integriert und Marie Matuskova charakterisiert sie als sehr herzlich und "ganzjährig" und dementsprechend sei auch ein gemeinsames Programm - so die Bürgermeisterin - für die Bewohner der Region, von Kindern angefangen bis hin zu den Rentnern, in drei Sprachen verfasst. Finanzen kommen zum teil auch aus dem Phare-Programm. Und welche gemeinsame Veranstaltung ist für die nächste Zeit in Sicht?
"Jetzt wartet auf uns die erste Frühjahrswanderung nach Ostritz, wo am Ostersonntag Feierlichkeiten stattfinden, z.B. der sogenannte Pferderitt der Ritter als Frühjahrsbotschaft über die Geburt Christi. Das ist eine alte Tradition hier. Zu Ostritz gehört nämlich das ursprünglich tschechische und bis heute einer tschechischen Diözese zugehörige Frauenkloster Marienthal, das auch während der DDR - Zeit seine Tätigkeit nicht unterbrochen hat. Heute ist dort ein Begegnungszentrum beheimatet, das auch von unseren Leuten viel besucht wird."
Übrigens, in dem Dreiländereck haben die Leute anscheinend viel Sinn für körperliche Betätigung. So sehe ich das zumindest. Hier ein anderes Beispiel:
"Jedes Jahr veranstalten wir gemeinsam einen Staffellauf, der über eine 4000 Meter lange Trasse führt. Diese sogenannte Eurowanderung ist sehr populär und von überregionaler Bedeutung. Man überquert dabei drei Länder unter dem Motto " Durch Europa in drei Stunden", und das finden unsere Leute spannend. Wir machen das so, dass der Start und das Ziel jeweils in einem unserer drei Länder sind. Die Teilnehmer legen gewöhnlich zwischen 25 - 28 Kilometer zurück."
Möchten Sie wissen, welchen Zulauf diese Aktion in dem entlegenen Dreiländereck findet? Genau das wollte ich wissen und die Bürgermeisterin Marie Matuskova antwortete zunächst scherzhaft:
"Unsere Freunde sind sehr raffiniert. Als im vergangenen Jahr ausgerufen wurde, dass der jüngste Teilnehmer ein Fahrrad gewinnen kann, scheute eine Familie keine Mühe und legte die ganze Trasse von 28 Km mit einem Kinderwagen zurück und gewann tatsächlich für ihren Sprössling das Fahrrad! Ich will hier aber keineswegs bagatellisieren. Die Leute, die gewohnt waren, an der Grenze zu leben, ohne sie überschreiten zu dürfen, sind hoch motiviert, an solchen Wanderaktionen teilzunehmen. Unter ihnen auch alte Großmütterchen, auf die ich dann aufpasse und darum bange, dass ihr Herz es aushält. Aber die Neugier das Leben der so nahen Nachbarn kennen zu lernen ist so groß und dass sie durch diese und andere Veranstaltungen zufriedengestellt wird, befriedigt mich."