Besondere Aufbauhilfe: Ausbildung israelischer Militärpiloten in der Nachkriegs-Tschechoslowakei
In dieser Woche war der israelische Premier Benjamin Netanjahu zu Gesprächen in Prag. Er wurde von einer großen Delegation begleitet, fast die Hälfte seiner Regierung war mitgekommen. Das ist indes kein Wunder: Tschechien hat unter den EU-Staaten sicher eine der besten Beziehungen nach Jerusalem. Das war auch schon früher so: Als im Jahr 1948 der Staat Israel entstand, leistete die Tschechoslowakei wichtige Aufbauhilfe – und das auch militärisch. So wurden damals auf einigen tschechoslowakischen Flugbasen – unter strenger Geheimhaltung - 75 israelische Kampfpiloten ausgebildet.
Zu diesem Thema wurde unlängst in Hradec Králové / Königgrätz ein Buch vorgestellt. Es stellt einen der ersten Versuche dar, dieses noch unbeleuchtete Kapitel der tschechoslowakischen Geschichte zu erfassen. Die Wahl der Stadt Hradec Králové in Ostböhmen war dabei kein Zufall, schließlich wurden damals in der dortigen Militär-Flugakademie einige dieser Piloten ausgebildet.
Der Autor des dort vorgestellten Buches, dessen Titel ins Deutsche übersetzt lautet: „Sie flogen am Himmel über Hradec Králové“ ist der Prager Historiker Zdeněk Klíma, der sich mit diesem Thema schon seit gut zwanzig Jahren beschäftigt. Neben einer akribischen Arbeit in Archiven hat er dazu unter anderem auch zahlreiche Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen geführt.Wie kam es überhaupt dazu, dass Ende der 40er Jahre israelische Militärpiloten in der damaligen Tschechoslowakei ausgebildet wurden? Fand ihre Ausbildung auch in anderen Staaten statt? Dazu sagt Historiker der Zdeněk Klíma:
„Die Ausbildung von israelischen Piloten in der Tschechoslowakei im Jahr 1948 geht eindeutig auf eine israelische Initiative zurück. Das Ganze war eng verbunden mit dem Ankauf von tschechoslowakischen Jagdflugzeugen für die israelischen Luftstreitkräfte, die damals gerade im Entstehen waren. Der Staat Israel verfügte, bis auf Ausnahmen, nicht über erfahrene Piloten für diesen Flugzeugtyp. Insgesamt wurden seinerzeit rund 100 israelische Militärpiloten ausgebildet. Auch andere Länder beteiligten sich an der Pilotenausbildung, zum Beispiel Italien oder die USA. Dort fand diese allerdings geheim oder verdeckt als Ausbildung von zivilen Piloten statt.“
Der Grund für die Geheimhaltung lag laut Klíma auf der Hand: Die Vereinten Nationen hatten ein umfangreiches Embargo für sämtliche Waffenlieferungen in den Nahen Osten abgesegnet. Die US-Regierung ging sogar noch weiter, indem Präsident Harry Truman im April 1948 ein Verbot zur Ausfuhr jeglicher Flugzeugtechnik nach Palästina verhängte. Wenige Wochen später erklärte dann der Staat Israel am 14. Mai 1948 seine Unabhängigkeit. Die Tschechoslowakei erkannte den neuen Staat bereits drei Tage später an.Zdeněk Klíma schildert die Ausbildung der israelischen Piloten:
„Die Ausbildung fand auf gewöhnlichen Flugzeugbasen der damaligen tschechoslowakischen Luftstreitkräfte statt. Die Ausbildung bestand aus mehreren Kursen, wobei deren Charakter unterschiedlich war. Die erste Gruppe der angehenden Militärpiloten, die 32 Mann zählte, wurde umgeschult, um die in der Tschechoslowakei erworbenen Flugzeuge bedienen zu können. Hierbei handelte es sich oft um jüdischstämmige Freiwillige aus englischsprachigen Ländern – insbesondere aus den USA und Südafrika. Ihre Ausbildung fand in Planá unweit von Budweis statt. Bei den Jagdflugzeugen handelte es sich um Maschinen des Typs Avia S 199, die praktisch umgebaute Flieger des Typs Messerschmitt BF 109 waren, die im Krieg von der deutschen Luftwaffe eingesetzt worden waren. Fast alle diese Piloten kamen nach ihrer Rückkehr nach Israel während des Unabhängigkeitskriegs in den Jahren 1948 bis 1949 sofort zum Einsatz. Die zweite Gruppe von Piloten erlangte entweder Grundkenntnisse im Fliegen oder vertiefte ihre bisherigen Fähigkeiten. Ihre Ausbildung fand in Olmütz statt, und zwar in der dortigen Pilotenschule Nummer 3. Hier wurden zwei Gruppen unterschieden. In der ersten befanden sich jüdischstämmige Freiwillige aus der Tschechoslowakei, in der zweiten Israelis, die bereits Flugerfahrungen mit Kleinflugzeugen hatten. Und die letzte Gruppe von 13 Piloten absolvierte einen Fortbildungskurs auf dem Flughafen von Hradec Králové und zwar auf dem Gelände der Militär-Flugakademie.“
Der Großteil der in der Tschechoslowakei geschulten Piloten bildete später den Kern der neuen israelischen Flugstreitkräfte. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten gehörten einer deren späteren Kommandeure, Mordechai Hod, und der Versuchspilot der israelischen Luftstreitkräfte, der bis heute noch lebende Daniel Shapira. Aber auch der Name des Kampfpiloten und späteren israelischen Staatspräsidenten Ezer Weizman lässt sich unter den Teilnehmer der Kurse finden. Weizman gehörte übrigens zu jenen Männern, die die 25 von der Tschechoslowakei erworbenen Maschinen nach Israel flogen.Wusste die Öffentlichkeit damals überhaupt, dass hier israelische Piloten ausgebildet werden?„Ich muss gestehen, dass im Fall der Tschechoslowakei die Ausbildung der israelischen Piloten mit einem hohen Grad an Geheimhaltung versehen war. Auf der anderen Seite muss wiederum gesagt werden, dass es unmöglich war, die israelischen Piloten gänzlich von der Außenwelt abzuschotten. Die damaligen Geheimdienste hatten damit so ihre Schwierigkeiten. So konnte man im nächsten Umfeld der Flugbasen Spuren finden, dass dort Israelis untergebracht waren, wie zum Beispiel leere Zigaretten-Schachteln mit hebräischer Beschriftung und dergleichen. Die Geheimhaltung war wegen des Embargos für die Ausfuhr von Waffen notwendig. In den damaligen tschechoslowakischen Medien wurde dieses Thema nicht erwähnt. Höchstens in einigen ausländischen Zeitungen jener Zeit lassen sich einige Artikel dazu finden, die aber mehr oder weniger spekulativ waren“, so Zdeněk Klíma.
Später, in den fünfziger Jahren, fand in den Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Israel eine dramatische Wende statt. So wie der ganze Ostblock schlug sich das Land auf Geheiß Stalins auf die Seite der arabischen Länder und sah in Israel die einzige Hürde für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts. Hatte dieser Umschwung für die früheren Ausbilder auf der tschechoslowakischen Seite irgendwelche Konsequenzen?„Nach der Änderung der Außenpolitik gegenüber den Konfliktparteien im Nahen Osten wurde so getan, als ob es niemals so etwas wie eine Ausbildung von israelischen Piloten in der Tschechoslowakei gegeben hätte. Für das hiesige Lehrpersonal hatte das keine Konsequenzen. Falls die Ausbilder dennoch verfolgt wurden und die Armee verlassen mussten, geschah das aus anderen Gründen – in erster Linie waren viele von ihnen während des Zweiten Weltkriegs Angehörige der britischen Royal Airforce gewesen - und das war ein Vorwand, um sie später zu verfolgen. Auf der anderen Seite lassen sich paradoxe Situationen feststellen, dass nämlich an der Ausbildung der israelischen Militärpiloten auch einige Slowaken beteiligt waren, die im Krieg an der Seite des mit Hitler verbündeten slowakischen Staats Einsätze an der Ostfront flogen“, so Klíma.
Wie stark wird dieses Thema heute in der israelischen Geschichtsschreibung reflektiert? Dazu noch einmal den Historiker Zdeněk Klíma:„Dazu muss man erwähnen, dass die israelische Bevölkerung und auch die Gesellschaft dort sich sehr stark bewusst sind, welche Rolle die Tschechoslowakei bei der Gründung des Staates Israel spielte. Bis heute ist in Israel der Name der Tschechoslowakei sehr positiv besetzt. Das Land half damals nicht nur bei der Ausbildung von Piloten, sondern auch des Bodenpersonals. Zudem war die Tschechoslowakei in den Jahren des Unabhängigkeitskriegs fast so etwas wie ein Monopollieferant von Waffen und Kriegsmaterial an die israelischen Streitkräfte. Und das wird in Israel nicht so leicht vergessen.“
Dieser Beitrag wurde am 15. Oktober 2011 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.