Antisemitismus in Tschechien nach Terrorattacke der Hamas und israelischer Antwort stark angestiegen

Im Nahen Osten droht, dass sich der Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten ausweitet. Und in Tschechien spiegelt sich dies in einem starken Anstieg antisemitischer Äußerungen wider – vor allem im Internet. Dies geht aus dem Jahresbericht der Föderation jüdischer Gemeinden hervor.

Den Erhebungen zufolge hat im vergangenen Jahr die Zahl antisemitischer Äußerungen hierzulande um 90 Prozent zugenommen. Insgesamt gab es fast 4300 solcher Vorfälle mit judenfeindlichem Kontext. Der große Anstieg kam nach dem Terrorangriff der radikalislamischen Hamas vom 7. Oktober und dem Beginn der nachfolgenden Militäroperation Israels. Petr Papoušek ist Vorsitzender der Föderation jüdischer Gemeinden und sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Petr Papoušek | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Gleich in den ersten zwei oder drei Tagen nach dem Angriff der Hamas haben wir einen riesigen Anstieg solcher Äußerungen festgestellt. Das entspricht dem, was weltweit geschehen ist. Zugleich muss man sagen, dass die Zahlen in Tschechien bereits seit 2019 nach oben gegangen sind.“

Der überwiegende Teil dieser Vorfälle spielte sich im virtuellen Raum ab. Das heißt, 98 Prozent der Äußerungen geschahen im Internet.

„Es handelt sich um unterschiedliche Texte, Bilder oder Audio- und Videodateien. Sie waren in großen Teilen des Netzes zu finden, vor allem in den Kommentaren. Zum Glück ist es aber nicht zu physischen Übergriffen gekommen. Doch die Äußerungen werden aggressiver, es gibt mehr Drohungen und Belästigungen im Netz“, konkretisiert Papoušek.

Obwohl also die Anonymität des Internets besonders verführt hat, stieg aber auch die Zahl von antisemitischen Äußerungen in der Öffentlichkeit. Die Föderation jüdischer Gemeinden zählte im vergangenen Jahr insgesamt 57, das bedeutete eine Zunahme von rund 25 Prozent gegenüber 2022.

Die tschechische Polizei stufte allerdings nur 18 dieser Fälle als strafrechtlich relevant ein. David Schon ist Sprecher des Polizeipräsidiums:

„Wir sprechen da von Fällen wie Landfriedensbruch, Angriffe auf die Menschlichkeit und gegebenenfalls auch rassistische, ethnische oder religiöse Schändungen. Ich kann aber nicht ausschließen, dass sich Bürger des Landes noch in größerem Umfang mit Angriffen oder Beleidigungen auseinandersetzen mussten. Diese wurden jedoch nicht als Straftaten klassifiziert und tauchen daher nicht in unseren Statistiken auf.“

Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Die Föderation jüdischer Gemeinden durchforstet nach gewissen Kriterien selbst das Netz und trägt so ihre Daten zusammen. Zudem kann aber auch die Öffentlichkeit entsprechende Vorfälle melden, und zwar über die Website der Föderation.

Laut Petr Papoušek kommen die antisemitischen Äußerungen in Tschechien nicht so sehr von rechtsextremer Seite, sondern aus entgegengesetzter politischer Richtung…

„Gerade beim linksgerichteten Antisemitismus haben wir nach dem 7. Oktober eine enorme Zunahme festgestellt. Der Anstieg lag bei 226 Prozent, er war also sehr groß“, so der Vorsitzende.

Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Trotz allem hält die Föderation jüdischer Gemeinden die Lage hierzulande weiterhin für moderat im Vergleich zum Beispiel zu Deutschland und anderen Ländern weiter westlich in Europa:

„Dort sind die antisemitischen Äußerungen noch deutlich radikaler, und das jeden Tag. Die Tschechische Republik steht hingegen immer noch relativ gut da.“

Allerdings befürchtet Papoušek, dass der Hass im Netz irgendwann auch hierzulande zu einer Gewalttat führen könnte.

Autor: Till Janzer | Quellen: Český rozhlas , ČTK
schlüsselwort:
abspielen