Biathlon: Ondřej Moravec beendet seine Erfolgskarriere

Ondřej Moravec (Foto: ČTK / Luboš Pavlíček)

Im mährischen Nové Město na Moravě ging am Sonntag die vorletzte der insgesamt elf Weltcup-Veranstaltungen dieser Saison im Biathlon zu Ende. Mit dem abschließenden Rennen, der Single-Mixed-Staffel, beendete gleichzeitig der beste tschechische Biathlet des zurückliegenden Jahrzehnts seine erfolgreiche Laufbahn: Ondřej Moravec.

Ondřej Moravec  (Foto: ČTK / Luboš Pavlíček)

Mit einem ohrenbetäubenden Jubel werden in Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren normalerweise die Biathleten, insbesondere aber die einheimischen gefeiert, wenn sie am Schießstand ins Schwarze treffen. Denn dann sind 25.000 Zuschauer und mehr in der Vysočina Arena und sorgen für echte Volksfeststimmung. Im vergangenen und in diesem Jahr aber konnte man es im weiten Rund des Start- und Zielbereichs buchstäblich scheppern hören, wenn die Biathleten ihre Schüsse abfeuerten.

Der Grund für die fehlenden Zuschauer ist hinlänglich bekannt: die Coronavirus-Pandemie. Und genau in dieser fast schon beängstigenden Atmosphäre nahmen zwei tschechische Biathleten Abschied von ihrer aktiven Laufbahn, die eigentlich stehende Ovationen verdient hätten: Michal Šlesingr, der 2020 Schluss machte, und Ondřej Moravec, der am Sonntag den letzten Wettkampf seiner Karriere bestritt. Moravec hat bei internationalen Meisterschaften insgesamt neun Medaillen gewonnen – er ist damit der erfolgreichste tschechische Biathlet aller Zeiten. Vor dem Auftakt der zweiten Rennserie in Nové Město gab der 36-Jährige vor Journalisten dann auch zu, dass ihn das ganze Drumherum seines Abschieds sehr beschäftige. Ihm falle es daher etwas schwerer als sonst, sich auf die Wettkämpfe zu konzentrieren, gestand Moravec:

Ondřej Moravec: „Ich kann sagen, dass ich da auf mich stolz bin. Ich habe einige große Leistungen vollbracht, und das nun vor mir liegende Leben wird sicher nicht nach Medaillen gezählt.“

„Es kann sein, dass das alles meine Leistung hemmt. Doch ich will meine Laufbahn ordentlich beenden. Wenn es aber schon um meine Karriere geht: Ich kann sagen, dass ich da auf mich stolz bin. Ich habe einige große Leistungen vollbracht, und das nun vor mir liegende Leben wird sicher nicht nach Medaillen gezählt.“

Von den neun Medaillen, die Moravec von 2013 bis 2020 gewann, holte er drei vor sieben Jahren bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi. In einem Interview für das Zweite Deutsche Fernsehen sagte Moravec, dass für ihn gerade diese Spiele in Sotschi der Höhepunkt seiner Karriere gewesen seien. In der russischen Schwarzmeerstadt erkämpfte der Biathlet aus dem ostböhmischen Letohrad / Geiersberg zwei Silbermedaillen – und zwar im Verfolgungsrennen und in der Mixed-Staffel – sowie eine bronzene im Massenstart-Rennen. Der Türöffner für seine Erfolge war die Weltmeisterschaft 2013 im eigenen Land – in Nové Město war Moravec der Schlussläufer der Mixed-Staffel, die auf dem Bronzeplatz landete. Und es war erneut die Mixed-Staffel, die ihm 2015 bei der WM im finnischen Kontiolahti auch den Sprung auf das oberste Treppchen des Siegerpodests bescherte. So war es nur logisch, dass er seine Karriere auch mit einem Teamwettbewerb beendete, zu dem er mit einer Frau antrat: die Single-Mixed-Staffel.

Ondřej Moravec  (Foto: ČTK / Luboš Pavlíček)

Diese Staffel, bei der je eine Wettkämpferin und ein Wettkämpfer je zweimal im Wechsel in die Spur gehen, ist die jüngste Disziplin im Biathlon. Hierzulande hat sie indes noch nicht so eingeschlagen wie in anderen Biathlon-Nationen. In dieser Saison kam auch noch etwas Pech hinzu. Beim ersten Rennen in Oberhof konnte Tschechien die Disziplin nicht besetzen wegen der ernsthaften Corona-Lage. Und bei der Weltmeisterschaft in Pokljuka reichte es für die Schützlinge von Nationaltrainer Ondřej Rybář nur zu Platz 16. Deshalb startete Lucie Charvátová auch nur aus der neunten Startreihe in das Rennen. Und die 28-Jährige war offenbar so nervös, weil sie das letzte Rennen von Ondřej Moravec mit ihm gemeinsam bestritt, dass sie bei ihrem ersten Stehendschießen einen totalen Blackout hatte: Alle acht Schüsse von ihr verfehlten das Ziel, so dass Charvátová gleich fünfmal in die Strafrunde musste. Dies war insofern unangenehm, weil sie damit eine Überrundung durch die besten Biathleten des Feldes riskierte. Das hat zur Folge, dass die überrundete Staffel aus dem Rennen ist. Am Ende war es dann auch sehr knapp, dass diese Blamage nicht eintrat. Dafür sorgte Moravec selbst, zunächst am Schießstand:

„Ondřej Moravec verabschiedet sich mit einer fehlerfreien Schießeinlage, bei seinem letzten Stehendschießen hat er keine Ersatzpatrone gebraucht“, frohlockte der Kommentator des Tschechischen Fernsehens (ČT). Und er würdigte den Oldie noch einmal beim Zieleinlauf:

Ondřej Moravec im Ziel  (Foto: ČTK / Luboš Pavlíček)

„Ondřej Moravec überquert als Siebzehnter die Ziellinie, doch das ist nicht wichtig. Ein großer Sportler verabschiedet sich, ein wahres Ass.“

Im Zielraum gab es dann eine große Überraschung für den 36-Jährigen, denn dort warteten seine Frau Veronika sowie die Tochter und der Sohn auf ihren Papa. Vor der Fernsehkamera gestand Moravec, dass ihn das sehr bewegt habe:

„Ich habe lange nicht mehr so geheult wie in diesem Moment. Dass ich heute meine Karriere als Biathlet beendet habe, kann ich emotional verkraften. Doch als ich meine Familie dastehen sah, hat mein Herz vollrasend gepocht.“

Mit Ondřej Moravec verabschiedete sich am Sonntag aber nicht nur ein erfolgreicher Biathlet, sondern auch ein unter seinen Teamkollegen und Konkurrenten sehr geschätzter Mensch. Die Meinung des Norwegers Tarjei Bø steht dabei stellvertretend für viele:

Tarjei Bø: „Ich habe viel erlebt mit Ondřej. Er ist ein toller, freundlicher Bursche, der auch den Fairplay-Gedanken hochhält. Und er trägt immer ein Lachen im Gesicht.“

„Ich habe viel erlebt mit Ondřej. Er ist ein toller, freundlicher Bursche, der auch den Fairplay-Gedanken hochhält. Und er trägt immer ein Lachen im Gesicht.“

In der tschechischen Mannschaft war insbesondere Michal Krčmář emotional sehr bewegt vom Schlusspunkt, den sein langjähriger Teamgefährte nun gesetzt hat:

Ondřej Moravec mit dem tschechischen Biathlon-Weltcup-Team der Damen  (Foto: ČTK / Luboš Pavlíček)

„Ondřej ist nicht nur eine große Persönlichkeit für den Sport, sondern für mich auch menschlich. Meine Emotionen fahren gerade Achterbahn. Ich sollte eben für das Fernsehen etwas über ihn sagen, doch meine Stimme begann sofort zu zittern.“

Michal Krčmář: „Ondřej ist nicht nur eine große Persönlichkeit für den Sport, sondern für mich auch menschlich. Meine Emotionen fahren gerade Achterbahn. Ich sollte eben für das Fernsehen etwas über ihn sagen, doch meine Stimme begann sofort zu zittern.“

Der 30-jährige Krčmář verhehlt nicht, dass Moravec für ihn in der Mannschaft ein Fels in der Brandung gewesen sei, der einen auffing, wenn es einmal nicht so gut lief. Doch jetzt wird der Matador des tschechischen Biathlons nicht mehr an den Start gehen, das heißt, auch nicht mehr zum Weltcup-Finale dieser Woche in Östersund. Viele namhafte tschechische Sportler haben Moravec für sein Auftreten und seine großartigen Leistungen in einem Videoclip gedankt und ihm zudem alles Gute für den neuen Lebensabschnitt gewünscht. Nur einer konnte es nicht verstehen, dass Moravec bereits aufhört. Und zwar das Eishockeyidol Jaromír Jágr. Mit seinem für ihn typischen trockenen Humor sagte der 49-Jährige in seiner Videobotschaft:

Jaromír Jágr  (Foto: Tschechisches Fernsehen)

„Warum denn? Sag es mir noch einmal, Ondřej. Du willst deine Laufbahn beenden, mit 36 Jahren? Meinst du das ernst? Na gut, es ist deine Entscheidung. Doch wenn du zufälligerweise ein Comeback starten und dafür in Form kommen willst, dann kann ich dir mein E-Bike borgen. Ich wünsche dir viel Glück.“

Jágr spielte in dem Clip darauf an, dass er in seinem Alter immer noch aktiv ist. Denn der Olympiasieger und zweifache Weltmeister hatte schon früh prophezeit, dass er Profieishockey spielen werde, bis er 50 ist. Doch damit naht auch für ihn das baldige Karriere-Ende, denn im Februar nächsten Jahres feiert Jágr seinen Fünfzigsten.

Autoren: Lothar Martin , Jan Kodet
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