Sommer-Biathlon: Tschechisches Team überzeugt bei Heim-Weltmeisterschaft
Nach drei Jahren kehrten die Sommerbiathlon-Weltmeisterschaften nach Tschechien zurück. Vom 26. bis 29. August 2021 fand in Nové Město na Moravě das Championat statt. Insgesamt kämpften 250 Athleten aus 25 Nationen um die Medaillen. Auf dem Programm standen die Disziplinen Super-Sprint, Sprint und Verfolgung. Neben den Sportlern der Nationalmannschaften durften auch die Junioren und Juniorinnen an den Start gehen. Nach einer Saison ohne Fans waren in der Vysočina Arena erstmals wieder Zuschauer im Stadion dabei.
Die Biathlonstimmung ist zurück in Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren. Das Mekka des Wintersports im Kreis Böhmische-Mährische Höhe (Vysočina) ist bekannt für atemberaubende Atmosphäre, lautstarke Fans und volle Tribünen. Bei den Wettkämpfen der Sommer-Biathlon-Weltmeisterschaft, die von Donnerstag bis Sonntag stattfand, durften erstmals wieder Fans die Rennen live im Stadion verfolgen. Beim Weltcup in den vergangenen zwei Jahren waren auf Grund der Corona-Pandemie keine Zuschauer zugelassen. Normalerweise kommen bis zu 25.000 Menschen in die Vysočina Arena und 10.000 an die Strecke, wenn die weltbesten Biathleten um Podestplätze kämpfen. So viele waren es bei der Sommer-Ausgabe nicht, obwohl die Veranstalter keinen Eintritt verlangten. Da die epidemische Lage in Tschechien derzeit stabil niedrig ist, stand der Rückkehr der Fans nichts im Wege. Wer einen Nachweis erbringen konnte, dass er geimpft, getestet oder genesen ist, konnte die Athleten anfeuern. Rund 3000 Fans machten sich dazu auf den Weg. Jiří Hamza, Präsident des Tschechischen Biathlonverbands und Erster Vizepräsident der Internationalen Biathlon-Union, war erleichtert, dass die Wettkämpfe wieder mit Zuschauern vor Ort ausgetragen werden konnten.
„Wir sind sehr zufrieden. Jeder hat nach der Pandemie erstmal abgewartet, wie sich alles entwickeln wird. Zudem war die Wettervorhersage für das Wochenende schlecht. Deswegen freuen wir uns über die 3000 Fans, die ins Stadion gekommen sind, auch wenn vor drei Jahren über 12.000 kamen. Es war für uns nicht leicht, die Wettkämpfe zu organisieren.“
Das tschechische Team trat in Nové Město in Bestbesetzung an. Neben Weltmeisterin Markéta Davidová und Olympiamedaillengewinner Michal Krčmář sind auch weitere Athleten der Nationalmannschaft wie Lucie Charvátová, Jessica Jislová, Tomáš Krupčík und Jakub Štvrtecký dabei. Einzig Eva Puskarčíková verzichtete auf Anraten ihres Trainers auf die Wettkämpfe. Neben den Gastgebern sind 25 weitere Nationen angereist, u.a. Polen, die Ukraine, Slowakei, Slowenien, Russland und Finnland. Und auch ein alter Bekannter schaut sich die Wettkämpfe an. Es ist Ondřej Moravec. Der 37-Jährige beendete seine Karriere im März 2021. Mit einer Goldmedaille bei Weltmeisterschaften und drei Olympiamedaillen ist er der derzeit erfolgreichste tschechische Biathlet der Geschichte. Moravec schätzt die Wertigkeit der Sommer-Weltmeisterschaft folgendermaßen ein:
„Für die Athleten ist so eine Meisterschaft ein gutes Training. Sie können mit einem guten Ergebnis Selbstvertrauen tanken. Ich hoffe, dass in Zukunft auch die großen Biathlonnationen bei der Sommer-WM antreten. Für die Zuschauer ist es traurig, wenn sie die besten Biathleten der Welt nicht sehen können.“
Erfolgreiche Biathlonnationen wie Norwegen, Deutschland oder Frankreich schickten keine Athleten nach Nové Město. Beim Blick auf die Teilnehmer könnte man annehmen, dass osteuropäische Meisterschaften ausgetragen werden. Jiří Hamza setzt sich dafür ein, den Stellenwert der Titelkämpfe im Sommer zu erhöhen.
„Wir wollen in Zukunft die Sommer-Weltmeisterschaft noch bekannter machen. Im nächsten Jahr finden sie in Ruhpolding statt. Wir werden uns zusammensetzen und eine Strategie entwickeln. Aus meiner Sicht hat die Veranstaltung eine gute Perspektive, besonders in den Ländern, in denen es keinen Schnee gibt.“
Roller statt Ski
Das besondere an Biathlonwettkämpfen ohne Schnee sind die Sportgeräte. Die Athleten treten mit sogenannten Rollski an. Diese bestehen aus einem Holm aus Aluminium und zwei Rädern. Bremsen sind an der Konstruktion nicht angebracht. Die Rollski sind das optimale Trainingsgerät im Sommer für alle Skilangläufer, da sie der Bewegung des Skis am ähnlichsten sind. Michal Krčmář beschreibt:
„Es gibt keine großen Unterschiede zwischen Sommer- und Winterbiathlon. Im Sommer lassen sich die Leistungen besser vergleichen, denn die Rollski unterscheiden sich kaum voneinander.“
Michal Krčmář ist der aktuell beste Athlet in der tschechischen Mannschaft. Seiner Favoritenrolle wurde er am Wochenende auch gerecht. Während er im Super-Sprint mit Platz vier die Medaille nur knapp verpasste, siegte er im Sprint vor Matej Baloga aus der Slowakei und Cornel Puchianu aus Rumänien. Einen Start-Ziel-Sieg feierte der Lokalmatador dann in der Verfolgung. Mit nur einer verfehlten Scheibe ließ Krčmář Florent Claude aus Belgien und Yaroslav Kostyukov aus Russland hinter sich.
Auch bei den Frauen gab eine Tschechin den Takt vor. Markéta Davidová, Weltmeisterin im 15-Kilometer-Einzelrennen der WM von Pokljuka im vergangenen Winter, hat jetzt auch zwei Goldmedaillen der Sommer-WM im Trophäenschrank. Im Super-Sprint gewann Davidová vor Yulia Dzhima aus der Ukraine und Irina Kazakevich aus Russland. Die Silbermedaille gewann die 24-Jährige dann im Sprint. Trotz zwei fehlerfreier Schießeinlagen war die Polin Monika Hojnisz-Starega auf der Strecke elf Sekunden schneller. In der Verfolgung ließ die Tschechin dann wieder die Konkurrenz hinter sich und siegte vor Yulia Dzhima aus der Ukraine und Tamara Derbusheva aus Russland Markéta Davidová fasst ihre Eindrücke zusammen:
„Ich habe durch meine erfolgreichen Rennen hier ein gutes Gefühl bekommen. Allerdings sind die Wettkämpfe eher Training für uns. Wir sind keine Sommersportler, aber ich bin glücklich und zufrieden.“
Egil Gjelland, norwegischer Trainer der tschechischen Frauennationalmannschaft, ist ebenfalls überzeugt von der Leistung seiner besten Athletin.
„Markéta Davidová hat sehr gute Rennen gemacht. Besonders mit dem fehlerfreien Schießen im Sprint bin ich zufrieden. Ich muss aber auch sagen, dass wir in diesen Wettkämpfen nicht in der besten Verfassung sind. Unser Training ist auf die Wintersaison ausgerichtet. Wir haben auf der Strecke noch viel Arbeit vor uns.“
Gerade Lucie Charvátová blieb hinter ihren Erwartungen zurück. Bei der letzten Ausgabe der Sommer-WM, 2019 im weißrussischen Minsk, gewann sie zwei Medaillen. In diesem Jahr belegte die 28-Jährige die Plätze 32 im Sprint und 23 in der Verfolgung. Im Super-Sprint verfehlte sie elf Scheiben und belegte am Ende den 28. Platz.
Tschechisches Juniorenteam dominiert
Besser lief es hingegen bei den Junioren und Juniorinnen des tschechischen Teams. Tereza Voborníková gewann im Super-Sprint die Bronzemedaille und beendete sowohl den Sprint mit Rang fünf als auch die Verfolgung mit Platz sechs unter den besten Zehn. Die 21-Jährige freut sich besonders über die Unterstützung der Fans:
„Meine Familie ist vor Ort, um mich anzufeuern. Ich bin sehr froh darüber. Wenn die Wettkämpfe außerhalb von Tschechien stattfinden, ist es zu weit für sie, um mit mir dorthin zufahren. Für mich ist es das Größte.“
Bei den Junioren wurde nach jedem Rennen die tschechische Nationalhymne im Stadion gespielt. Sie gewannen sieben der insgesamt neun vergebenen Medaillen. Tomáš Mikyska siegte in Sprint und Verfolgung und gewann im Super-Sprint die silberne Medaille. Sein Mannschaftskamerad Vitězslav Hornig nimmt mit Gold im Super-Sprint, Silber im Sprint und Bronze in der Verfolgung den kompletten Medaillensatz mit nach Hause. Jonáš Mareček vervollständigt mit dem zweiten Platz in der Verfolgung einen besonderen Tag seines Teams. In dieser Disziplin standen drei Tschechen auf dem Podest. Vitězslav Hornig blickt hoffnungsvoll in den anstehenden Winter:
„Es ist großartig, Zuhause zu laufen, besonders mit den Fans im Rücken, die nach zwei Jahren endlich wieder zurück ins Stadion durften. Ich hoffe, dass ich im nächsten Winter im Weltcup laufen kann und mich für die Olympischen Spiele qualifizieren kann. Aber das wird nicht leicht. Mein Vorbild ist Ole Einar Bjørndalen. Aus dem tschechischen Team bewundere ich Ondřej Moravec und Michal Krčmář. Ich habe bereits mit Michal trainiert. Das war eine sehr gute Erfahrung für mich.“
Ondřej Rybář ist Sportdirektor des tschechischen Biathlonverbandes. Er schätzt die Chancen der jungen Athleten in der Zukunft folgendermaßen ein:
„Wir haben ein gutes Nachwuchsteam. Nach den Olympischen Spielen von Sotschi 2014 hatten wir sehr gute Athleten und Athletinnen im Weltcup, die die Jungen inspiriert haben. Nun müssen wir versuchen, die Talente in den Weltcup zu bringen. Es freut mich, wenn ich sehe, wie gut sie im Junior-Cup performen. Einige von Ihnen haben die Chance, bei Olympia dabei zu sein.“
Im Gesamtklassement der Sommer-Weltmeisterschaft stehen die Gastgeber ganz oben im Medaillenspiegel. Tschechien gewann sieben Gold-, vier Silber- und zwei Bronzemedaillen. Mit Blick auf die olympische Saison, die Ende November im schwedischen Östersund startet, dämpfen sowohl Ondřej Rybář als auch Egil Gjelland die Erwartungen.
„In jedem Rennen ist es unser Ziel, eine gute Leistung abzurufen. Ein fehlerfreies Schießen ist dafür die Grundlage. Die Ergebnisse am Ende eines Rennens sind für mich zweitrangig, da man nur seine eigene Leistung beeinflussen kann. Ich konzentriere mich jetzt auf die Arbeit mit dem Team. Im Schießen müssen sich alle noch verbessern.“
In der nächsten Woche stehen für die Athleten die tschechischen Meisterschaften in Letohrad / Geiersberg auf dem Plan, bevor es dann zum Trainingslager nach Ramsau am Dachstein geht. Die Olympischen Spiele von Peking beginnen am 4. Februar 2022.