Nové Město vor der Biathlon-WM: „Wir freuen uns auf all die Fans“
Weniger als zwei Wochen sind es, dann startet in Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren die Biathlon-WM. Die kleine Stadt auf der Böhmisch-Mährischen Höhe wird in den zehn Tagen zum Mekka der Wintersportfans. Wie ist der Ort vorbereitet auf die Weltmeisterschaft? Was gibt es neben dem Biathlon sonst noch alles zu erleben? Wie groß ist die Vorfreude, und welche Probleme bringt das Großereignis mit sich?
„Ich freue mich auf die Fans, weil dann hier auch die aus dem Ausland sein werden und nicht nur die tschechischen“, sagt die skisportbegeisterte Bewohnerin Zdeňka, die wir im Stadtzentrum treffen.
Sie sagt jedoch:
„Ich weiß allerdings nicht, ob ich selbst überhaupt die Zeit haben werde, mir einen der Wettkämpfe anzuschauen. Wenn aber doch, dann gehe ich auch hin.“
Pavel Jurga wiederum ist gerade auf dem Weg ins Biathlonstadion, weil hier am Dienstagnachmittag jedermann auf den Loipen seine Runde drehen kann. Seine Frau sei bereits auf den Brettern unterwegs, sagt Jurga. Beide kämen aus Brno / Brünn regelmäßig her…
„Wir sind mindestens einmal in der Woche hier, aber auch häufiger. Für die Biathlon-WM haben wir schon Karten und freuen uns darauf“, so Jurga.
Ein Effekt wie in Ruhpolding
Mächtig stolz ist der Bürgermeister von Nové Město na Moravě. Michal Šmarda, seines Zeichens auch Vorsitzender der tschechischen Sozialdemokraten, empfängt uns im modernen, hellen Rathausgebäude in seinem Büro:
„Ich bin mir sicher, dass die Bewohner die WM genießen werden. Am 6. Februar gibt es die feierliche Eröffnung. Und ich denke, dass dann auf dem Marktplatz in Nové Město mehrere Tausend Menschen zusammenkommen.“
Was bedeutet aber die Weltmeisterschaft für seine Heimatstadt? Šmarda holt etwas aus. 2010 sei er Bürgermeister geworden und habe daher schon die erste Biathlon-WM hier vor elf Jahren vorbereitet…
„Ich habe mir damals nicht vorstellen können, was dies für eine Stadt von der Größe von Nové Město bedeutet. Bei der Weltmeisterschaft im deutschen Ruhpolding konnte ich mir aber erstmal ein Bild davon machen. Das Städtchen ist ja sogar noch kleiner als wir. Mit jeder WM wächst Ruhpolding allerdings zu einem wunderbaren Gastgeber. Es verwandelt sich, und alle dort sind stolz darauf. Und in Nové Město na Moravě gelang uns dann etwas Ähnliches“, sagt der Chef des Rathauses.
Dass nun wieder die besten Skijäger der Welt in die 10.000-Einwohner-Stadt kommen, könnten die Menschen kaum erwarten, glaubt der Politiker. Allerdings bestünden auch Unterschiede zu 2013. Er verweist auf die damalige goldene Generation tschechischer Biathleten um Gabriela Koukalová. Ihre Nachfolger im Land seien allerdings nicht so überragend, gesteht er. Außerdem habe die Corona-Pandemie die Menschen vorsichtiger gemacht, glaubt Šmarda:
„Die Menschen halten etwas mehr Abstand zueinander und sind leichter verärgert. Umso mehr freue ich mich auf die Weltmeisterschaft. Wir wollen für die Fans aus aller Herren Länder ein hervorragendes Umfeld schaffen. Vielleicht motiviert das ja auch unsere Sportler und treibt sie wieder zu Erfolgen an – etwa in den kommenden Jahren.“
Region der Kartoffeln
Ursprünglich ist Nové Město na Moravě gar keine Biathlon-Bastion gewesen. Sondern es war eine Stadt des Langlaufs. Wer in diese Geschichte eintauchen will, kann sich zum Beispiel die kleine Ausstellung im Horácké muzeum, also dem Hochland-Museum anschauen. Es befindet sich im Alten Rathaus. Dies ist eines der historischen Gebäude im Stadtzentrum, das noch aus der Zeit der Renaissance stammt und Anfang des 19. Jahrhunderts umgestaltet wurde. Wenn man Glück hat, trifft man hier Libor Denk. Der Historiker leitet das Museum und spricht etwas Deutsch:
„Nové Město wurde im 13. Jahrhundert von Boček von Obřany gegründet. Der Ort hatte in seiner Geschichte mehrere Besitzer. Am wichtigsten war die Familie der Herren von Pernstein. Zum Beispiel gab Vratislav von Pernstein im 16. Jahrhundert der Stadt viele Rechte, dank derer Neustadt wirtschaftlich prosperieren konnte.“
Insgesamt war die Gegend jedoch arm und rückständig. Kartoffeln seien früher das wichtigste Produkt gewesen, sagt Libor Denk mit einem Schmunzeln. Selbst die Industrielle Revolution habe hier keine größeren Fertigungsbetriebe entstehen lassen, so der Historiker. Dann fand der Skisport aber seine Fans…
„Die ersten Skifahrer tauchten hier bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf. In der Folge wurde der Wintersport in der Stadt sehr populär, und 1910 trug man hier die ersten Skirennen aus“, so der Experte.
Besonders war es das Rennen Zlatá Lyže, also der Goldene Ski. Der Name ist dabei kein Zufall, denn der Sieger erhielt tatsächlich einen Preis in Form eines vergoldeten Skis, der auch in einer Vitrine des Museums ausgestellt ist.
„Der Goldene Ski war das berühmteste Rennen hier. Es wurde erstmals 1934 in Nové Město ausgerichtet“, erzählt Denk.
Den Preis aber bekam man nicht einfach für einen ersten Platz, sondern erst für insgesamt fünf Siege oder drei Siege in Folge. Gelungen ist dies nur einem einzigen Teilnehmer – Bohumil Kosour, und das in den 1930er und 1940er Jahren. Der Sportler, der direkt aus Nové Město kam, nahm übrigens auch bei den Olympischen Winterspielen 1936 am sogenannten Militärpatrouillenlauf teil. Und das war der Vorläufer des Biathlons…
Skihersteller angesiedelt
Und damit sind wir auch gleich wieder nebenan im neuen Rathaus, bei Bürgermeister Michal Šmarda. Er berichtet ebenfalls, dass zunächst der Langlauf die Besucher in die Gegend brachte, und die Begeisterung für den Biathlon nur die neueste Entwicklung sei. Aber sie ist wichtig…
„Dank der Weltcupveranstaltungen und der WM hat der Tourismus bei uns sehr an Bedeutung gewonnen. In den vergangenen zehn Jahren entwickelte er sich stark. Außerdem gelingt es uns mittlerweile ebenso, Sommersportarten zu bewerben – so richten wir im Mai immer Rennen des Mountainbike-Weltcups aus. Das wiederum befördert den Fremdenverkehr jenseits der Wintersaison. Den ganzen Sommer über kommen nun Radfahrer aus der ganzen Welt hierher, um über die Hügel zu brausen. Wer nicht die allerhöchsten Berge braucht, der kann sich auf den Singletrails der Böhmisch-Mährischen Höhe hervorragend mit dem Mountainbike austoben“, schildert der Politiker.
Die Stadt selbst liegt auf rund 600 Metern Meereshöhe, die höchsten Erhebungen im Gebirgszug Žďárské vrchy / Saarer Berge gipfeln bei knapp 750 Metern.
Der Skisport hat zudem ein bisschen Gewerbe gebracht, und zwar in Form von Skiherstellern. Ab den 1950ern gehörte dazu vor allem die Firma Sporten. Deren Eigner hat vor ein paar Jahren sogar die österreichische Traditionsfirma Kästle erworben, die mittlerweile in Nové Město fertigt. Und weiter Šmarda:
„Für Kästle hat es natürlich eine besondere Bedeutung, an einem Ort zu produzieren, in dem mit Ski große Erfolge gefeiert werden. Das ist Werbung für die Marke.“
Außer dem Skihersteller haben noch einige weitere Industriebetriebe ihren Sitz in der Stadt. Einer davon ist ein Hersteller von chirurgischen Instrumenten und künstlichen Gelenken…
„Mit etwas schwarzem Humor könnte man sagen, dass diese Firma ebenfalls vom Skisport profitiert“, erlaubt sich der Bürgermeister einen Scherz.
Riesiges Stadion und viele Autos
Doch die WM habe auch gewisse Schattenseiten für die Stadt, weiß´Michal Šmarda zu berichten:
„Am meisten beschäftigen uns die großen Mengen Abfall. Wir müssen immer so viel Müll wegschaffen, wie sich kaum einer vorstellen kann. Und dann ist es das Verkehrsaufkommen, also mehrere Hundert oder Tausend Autos, die auch irgendwo geparkt werden müssen.“
Damit hat man aber mittlerweile Erfahrung. Laut Šmarda wird ein Shuttlebus-Service eingerichtet. Dieser bringt die Fans nicht nur aus der Stadt ans Biathlonstadion, sondern holt sie auch vom Bahnhof ab, von weiter außen liegenden Parkplätzen und aus den umliegenden Orten.
5.000 Menschen passen auf die Ränge des Stadions, es ist das größte seiner Art im Biathlon. Die Besucher machen aber nicht nur ohrenbetäubenden Lärm. Sondern sie seien auch fair, betont der Bürgermeister:
„Das Publikum direkt aus Nové Město und von außerhalb ist bekannt dafür, jeden anzufeuern. Die Atmosphäre ist daher toll, auch wenn ein Deutscher oder Norweger gewinnt. Deswegen kann ich den Hörern von Radio Prag International nur empfehlen, hier vorbeizuschauen. Sie sind bei uns herzlich willkommen und können die wunderbare Gegend genießen.“
Ohnehin gibt es am Veranstaltungsort ein umfangreiches Begleitprogramm.
„Während der WM sind mehrere Veranstaltungen in der Stadt geplant. Neben der feierlichen Eröffnung findet dann am ersten freien Tag – dem Donnerstag – eine große Show auf dem zentralen Platz statt. Diese bietet am Nachmittag eine Autogrammstunde, und danach treten Bands live auf. Am Samstag findet eine ähnliche Show statt, aber das schon am Mittag vor den Rennen“, so Šmarda.
In der Nähe des Stadions wird zudem ein Partyzelt aufgebaut. Kulturell bietet die Gegend aber noch einiges mehr. Das historische Stadtzentrum selbst besticht durch Sehenswürdigkeiten wie die Kirche St. Kunigunde, das Alte Rathaus und das Schloss sowie Skulpturen der Bildhauer Jan Štursa und Vincenc Makovský. Und der Bürgermeister ergänzt:
„Wenn jemand einen Tag frei hat, dann sollte er die Möglichkeit nutzen, sich die architektonischen Highlights in der Umgebung anzuschauen. Das sind zum Beispiel das wundervolle Schloss in Žďár nad Sázavou mit seinem modernen Museum und die Kirche des Barockbaumeisters Santini auf dem Grünen Berg.“
Wer aber auf jeden Fall zu einem der WM-Rennen möchte, muss sich sputen. Für die attraktivsten Wettbewerbe wie etwa die Staffeln waren die Tickets in dieser Woche bereits vergriffen. Für die ebenfalls nicht uninteressante Mixed-Staffel sowie die Single-Mixed-Staffel gab es aber sogar noch Plätze auf den Tribünen, genauso wie für die Sprints und Einzelrennen. Für diese Eintrittskarten tickt jedoch ebenfalls die Uhr…
Tickets für die Biathlon-WM gibt es über die offizielle Website unter https://www.biathlonnmnm.cz/de/eintrittskarten.
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Die Region an der Grenze zwischen Böhmen und Mähren. Wer Telč / Teltsch und die Wallfahrtskirche Zelená hora nicht besucht, verpasst viel. Von hier stammt Gustav Mahler.