Bierfest in Berlin: Tschechischer Gerstensaft in allen Kehlen

Foto: www.bierfestival-berlin.de

Tschechien liegt noch vor Deutschland im Pro-Kopf-Bierkonsum auf dem weltweit ersten Rang. 160 Liter trinkt ein Tscheche im Jahr durchschnittlich. Mit diesem Wert haben es sich die Tschechen verdient, dieses Jahr im Mittelpunkt des 12. Bierfestivals in Berlin zu stehen. Julia Angelov war für unsere Sendereihe „Forum Gesellschaft“ auf der 2,2 km langen Festmeile in der deutschen Hauptstadt unterwegs und hat sich durchprobiert.

„Man hat das ganze Jahr Zeit, Hunderte von Biersorten zu trinken. Aber dass wirklich so viele Biersorten auf einmal zusammenkommen, hat man nur auf der Biermeile. Ist doch klar, dass wir hier Bier trinken, oder?“

„Was dem Chinesen sein Tee, ist dem Deutschen sein Bier!“

„Ich bin von Kind an schon Biertrinker. Mit fünf Jahren hat mein Opa mir schon eingeschenkt! Ich habe Verwandte in Prag. Allein deshalb ist man schon ein bisschen geübt.“

„Oh, es ist so lecker! Die Braukunst ist ideal. Die amerikanischen Biere kann man ja gar nicht mehr trinken, die werden doch nur noch mit Wasser gepanscht. Aber deutsches und tschechisches Bier ist total lecker!“

Dies sind nur einige der Äußerungen von Besuchern des 12. Internationalen Bierfestivals in Berlin. Dicht an dicht sitzen die Bierfreunde auf langen Holzbänken, schunkeln zur Musik, die aus den Boxen dröhnt, und stoßen immer wieder freudig mit den Bierkrügen auf einen schönen, feuchtfröhlichen Abend an. Unter dem Motto „1000 Jahre traditionelle, tschechische Bierkultur“ steht erstmals das Bier aus einem Nachbarland im Mittelpunkt. 32 Brauereien aus Tschechien haben ihre Stände in der Karl-Marx-Allee aufgebaut und werden vom Andrang der durstigen Besucher überwältigt.

Was habt ihr denn schon alles probiert?

„Alles! Wir sind hier durchgelaufen und haben an jedem Stand gesagt: Einmal voll machen, bitte! – mit „Bitte“ natürlich!“

Der größte Abnehmer des tschechischen Bieres war und ist traditionell Deutschland. An einem Stand treffe ich einen Deutschen, der Bier der Marke „Černá hora“ nach Deutschland importiert. Ich frage ihn, warum tschechisches Bier so beliebt ist?

„Man liebt Tschechien einfach! Man kennt die Prager Bierstuben und das Prager Bier. Gerade in den neuen Bundesländern ist das tschechische Bier sehr verbreitet gewesen. Und auch heute – ob in den alten oder den neuen Bundesländern - liebt man die tschechischen Biere.“

Und warum ausgerechnet Černá hora?

„Černá hora liegt etwa 25 Kilometer nördlich von Brünn und hat sehr gutes Quellwasser. Man merkt das auch daran, wie unser Stand hier belagert wird. Es sind sehr viele Stammgäste aus aller Welt, die jedes Jahr wieder zu uns kommen. Ob das aus Schottland, aus England oder sogar von Hawaii ist. Von überallher kommen die Leute, um unser tschechisches Bier zu trinken.“

Gleich gegenüber entdecke ich den kleinen Stand der Prager Bierstube „U Fleků“, zugleich die kleinste und älteste Brauerei der Tschechischen Republik. Dort drängeln sich zahlreiche Durstige.

Warum trinken Sie gerade tschechisches Bier, frage ich zwei schon leicht angetrunkene Frauen.

„Weil es lecker schmeckt und wir schon im U Fleků in Prag waren. Außerdem hat man keine Kopfschmerzen hinterher.“

Kann man vielleicht sogar sagen, dass tschechisches Bier besser schmeckt als deutsches?

„Ja, auf jeden Fall. Es ist süffiger und bekömmlicher.“

Diplomatischer drückt sich der Braumeister des U Fleků aus, der höchstpersönlich in Berlin ist, um seine Spezialität auszuschenken.

„Tschechische und deutsche Biere sind beide sehr gut. Sie liegen auf demselben Niveau.“

Die wohlwollenden Meinungen der anwesenden Fachmänner und Fachfrauen über das tschechische Bier dürften ihn dennoch freuen.

„Das tschechische Bier ist das beste, das es überhaupt gibt. In unserem Rucksack ist das gute Pilsener Urquell. Das kommt ja auch aus Tschechien. Dann gibt es da ja auch noch Staropramen, Budweiser und diverse kleinere Marken. Aber wir sind erst am Anfang und werden sicherlich noch mehr probieren.“

Süß, säuerlich, vollmundig, herb, mild - von der breiten Geschmackspalette der tschechischen Braukunst können sich die Gäste am Stand der Biermarke Louny überzeugen. Dort wird vor allem dunkles Schwarzbier ausgeschenkt. Es schmeckt sehr süßlich, fast nach Malzbonbons. Der deutsche Wirt, dessen Firma das Bier der nordböhmischen Brauerei in Deutschland vertreibt, erklärt mir die Eigenart der tschechischen Biere und warum der Gerstensaft so beliebt ist.

„Es ist immer eine Auffassung, wie man zu tschechischem Bier steht. Wenn man das tschechische Bier schon länger kennt, weiß man, dass es einen typischen Grundgeschmack gibt, den alle tschechischen Biere haben. Die hellen Biere sind zum Beispiel lieblich und haben eine goldgelbe Farbe. Bier heißt auch Bierkultur. Man kann es in Gesellschaft trinken, wenn man isst oder, wenn man einfach durstig ist. Die Leute hier auf der Biermeile trinken dieses Bier, weil sie Appetit darauf haben. Sie probieren jede Menge, insbesondere die tschechischen Biere. Denn Motto ist ja dieses Jahr: 1000 Jahre tschechische Bierkultur.“

Von Stand zu Stand probiere ich mich durch die vielen Sorten. Hell, dunkel, klar, blank, bitter und trüb. Doch nicht an jedem werde ich so fachmännisch bedient wie bei Louny.

Was verkauft Ihr denn hier?

„Das heißt Staro….Staro…Starobrünn! Das Wort ist so schwer auszusprechen. Das spielt für uns jetzt auch keine große Rolle. Trotzdem hätten wir gerne noch mehr Informationen über das Bier gehabt. Wir wissen leider nicht so viel. Aber ich glaube, dieses Jahr ist tschechisches Bier das Motto. Eigentlich sind wir auch gar nicht unbedingt regelmäßige Biertrinker.“

Den Gästen aber schmeckt es, und das ist die Hauptsache. Mich interessiert nun aber, was es wohl ist, das Gambrinus, Pilsener Urquell, Staropramen und weitere Sorten so unwiderstehlich macht. Einige Besucher des Festes weisen auf die lange Tradition des Bierbrauens in Böhmen hin:

„Tschechisches Bier ist das beste Bier der Welt. Das erste Bier ist ja aus Tschechien. Es hat ja dort seinen Ursprung, oder? Ich denke, die Qualität hat sich seitdem beibehalten.“

„Es ist würziger, es ist herzhafter und es ist liebevoller gebraut. Das deutsche Bier hat zwar sein Reinheitsgebot – und ich will es nicht schlecht machen, aber die schütten immer mehr Chemie da rein. Ich schmecke das einfach. Das tschechische Bier dagegen ist naturgetreu.“

„Eine gewisse Rolle spielt bestimmt die alte Tradition von Tschechien. Ich habe eine Marke gesehen von 1298. Da sieht man schon, wie viel Tradition in dem Bier steckt. Das schwingt bestimmt ein bisschen mit, wenn man das Bier trinkt. Aber durch mehrere Aufenthalte in Prag weiß ich auch den guten Geschmack des tschechischen Bieres zu würdigen.“

Eigentlich hat das Bier seinen Ursprung im altmesopotamischen Raum. Aber das ist hier nicht so wichtig. Immerhin wurde in Tschechien das erste Bier nach Pilsener Brauart gebraut.

So viel Lobgesang auf den tschechischen Gerstensaft! Da muss die Konkurrenz ja ganz schön neidisch sein. Aber selbst die Konkurrenz weigert sich kritische Äußerungen abzugeben, wie der junge Mann, der am Stand der friesischen Brauerei Jever ausschenkt.

„Nein! Kritik am tschechischen Bier kriegen Sie von mir nicht! Das ist lecker! Ich fahre nächste Woche nach Prag. Was meinen Sie, was ich da mache? Ich nehme kein deutsches Bier mit. Es muss doch unterschiedliche Biere geben, sonst wäre es doch langweilig!“

Tschechisches Bier schmeckt einfach! Da sind sich alle einig. Doch welches der vielen tschechischen Biere ist denn nun das Beste? An dieser Frage scheiden sich die Bierliebhaber, aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.

„Ich trinke hier ein tschechisches Lagerbier namens Krušovice. Das liegt 80 Kilometer von Prag, Richtung Karlsbad in Böhmen. Mein Lieblingsbier ist aber Staropramen.“

Übrigens ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass allein der Biergenuss dick macht.

„Prager Schinken hab ich hier noch nicht gesehen, die schönen Knödel hab ich noch nicht gesehen. Es geht ja nicht nur um Bier. Denn zum Trinken gehört ja auch das Essen!“

Dann: Guten Appetit und na zdraví!