Bildung - ein wertvoller Rohstoff
Wie alle Regierungen in Europa steht auch die tschechische unter enormem Sparzwang. Der künftige Beitritt zur EU zum Beispiel bringt nicht nur Gelder, sondern er kostet zunächst auch einiges. So gestalten sich die Budgetberatungen schwierig, denn man muss in allen Ressorts sparen. Gleichzeitig aber sollen die Löhne an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden. Eine Art Teufelskreis. Dazu der folgende Beitrag von Alexander Schneller.
Da hat mich kürzlich eine Pressemeldung doch ziemlich verblüfft: Polizisten, Feuerwehrleute und Zöllner sollen höhere Löhne erhalten, Ärzte und Lehrer aber vorerst nicht. Nun, es geht überhaupt nicht darum, ob höhere Löhne zum Beispiel für Polizisten, die einen oftmals unangenehmen und gefährlichen Job machen, gerechtfertigt sind oder nicht. Genauso wenig würden wir den Leuten von der Feuerwehr, die mit ihrem Einsatz oft ihr Leben riskieren und unseres erhalten, eine Lohnerhöhung nicht gönnen. Eher etwas Mühe habe ich mit den Zöllnern in einem vereinten Europa ohne Grenzen. Aber da mögen andere mir nicht bekannte Gründe eine Rolle spielen.
Es geht also nicht um das Ob, aber es geht um das Wie, um die Relationen, und die scheinen mir auch bald vierzehn Jahre nach der Wende immer noch ziemlich verschoben. Arzt und Lehrer sind Berufe, die eine lange und anspruchsvolle Ausbildung verlangen. Denken wir an den Arzt: sein langes Studium, die lange Praktikumszeit und vor allem auch die grosse Verantwortung. Ähnliches gilt für die Lehrerschaft, die heutzutage ausserdem vor immer grössere erzieherische Probleme gestellt wird. Drogenkonsum, erhöhte Gewaltbereitschaft und soziale Verwahrlosung sind zwar in Tschechien im Gegensatz zu vielen anderen Ländern noch kein sehr grosses, aber ein doch zunehmendes Problem.
Geht es nun nach den Vorstellungen der Regierung, dann verdienen Polizisten, Feuerwehrleute und Zöllner durchschnittlich annähernd soviel wie Ärzte und fast doppelt soviel wie Lehrerinnen und Lehrer. Eigentlich kann man daraus nur den Schluss ziehen, dass dieser Regierung Schule und Bildung egal sind. Zwar wehrt sich die zuständige Ministerin zuweilen auch mit Rücktrittsdrohungen, aber wirklich durchsetzen konnte sie sich bis jetzt jedenfalls nicht.
Bildung aber ist einer der wertvollsten Rohstoffe, über die ein Land verfügt. Denn die Schülerinnen und Schüler von heute sind die Verantwortlichen und Eliten von morgen. Ein Beruf aber, der auf der Lohnskala ganz unten figuriert, hat kein Prestige, er ist für Jugendliche nicht erstrebenswert. Und in der heutigen offenen, konsumorientierten tschechischen Gesellschaft ist alles andere attraktiver als der Lehrberuf. Das gilt in ähnlicher Weise auch auf der Stufe der Universitäten. Wenn aber niemand mehr lehren will, vor allem, wenn begabte Lehrerinnen und Lehrer zur Mangelware werden, dann leidet notwendigerweise das Niveau der Bildung. Und wenn das Bildungsniveau sinkt, dann verringern sich die Chancen eines Landes, zum Beispiel in der heutigen konkurrenzorientierten Wirtschaft mitzuhalten. Mit dem erfreulichen Ja zu Europa sollte die tschechische Regierung auch die Einsicht verbinden, dass nur ein hoch stehendes Bildungswesen und hoch qualifizierte Lehrkräfte die zukünftige Prosperität des Landes garantieren können. Zu diesem Zweck kommt man nicht darum herum, die Löhne der Lehrerschaft anzuheben.