Bohemians 1905 oder wie die Känguruhs nach Prag kamen
Bohemians 1905, der Traditionsfußballklub im Prager Stadtteil Vrsovice, hat den Aufstieg in die erste Liga perfekt gemacht und steht damit wieder auf der Sonnenseite des Sports. Das war nicht immer so. Die Bohemians erlebten in den letzten Jahren den sportlichen Abstieg, finanzielle Probleme, Lizenzentzug und eine Änderung des Vereinsnamens. Im heutigen Geschichtskapitel wirft Andreas Wiedemann einen Blick zurück auf die Vereinsgeschichte.
Die grün-weißen Bohemians und ihr Stadion sind fester Bestandteil des Prager Stadtteils Vrsovice im 10. Bezirk. Der Verein erfreut sich stabiler Zuschauerzahlen. In das Stadion "v dolicku", was so viel heißt wie "in der Grube" passen zwar nur 9.000 Personen, die Ränge sind aber immer gut gefüllt und die Stimmung ist hier eine ganz besondere.
Der bekannteste Vertreter der Bohemians ist zweifelsfrei Antonin Panenka, ehemalige tschechoslowakischer Nationalspieler und Europameister von 1976. Mit seinem legendären Elfmeter gegen die Bundesrepublik Deutschland sicherte er damals der Tschechoslowakei den Titel. Panenka war Spieler, Trainer, Co-Trainer und ist nun Präsident bei den Bohemians. Für ihn gehört das Stadion "dolicek" fest zur Vereinsgeschichte:"Dolicek gehört zum Klub. Der Verein spielt hier mehr oder weniger schon hundert Jahre. Der Name des Stadions ist etwas speziell, aber die Menschen, die sich für Fußball interessieren wissen, was das bedeutet und dass hier Bohemka spielt. Beides gehört zusammen. Das ist wie ein Zwillingspaar", sagte Panenka.
Aber nicht nur der Name des Stadions ist ungewöhnlich. Auch der Vereinsname Bohemians erscheint nicht gerade eine typisch tschechischer Klubbezeichnung zu sein. Im Jahr 1905 wurde der Verein SK Kotva unter dem neuen Namen als AFK Vrsovice beim K.u.K. Stadthalter und beim Tschechischen Fußballverband angemeldet. Vrsovice war damals noch ein eigenständiger Vorort der Hauptstadt Prag. Der AFK Vrsovice nahm zunächst nur unregelmäßig an Wettbewerben des tschechischen Fußballverbandes teil. 1912 kauften die Firma Waldes a spol., die heute unter dem Namen Kohinoor bekannt ist, und eine Bürgersparkasse ein Stück Land, auf dem ein eigener Fußballplatz gebaut werden konnte. Dieser wurde 1914 eingeweiht. Im letzten Meisterwettbewerb der Österreichisch-ungarischen Monarchie im Jahr 1918 belegte Vrsovice den dritten Platz hinter Slavia Prag und Sparta Prag.
1927 kam es zu einer denkwürdigen Australienreise des Vereins. Der ehemalige Bürgermeister von Prag-Vrsovice, Karel Vyrut, erklärte gegenüber Radio Prag anlässlich des 100. Geburtstages des Stadtteils vor fünf Jahren warum diese Reise so wichtig war:
"Als die Fußballmannschaft AFK Vrsovice damals nach Australien reiste, war der Name des Klubs "AFK Vrsovice" für die dortigen Fans kaum auszusprechen, trat die Mannschaft unter dem Namen "Bohemians" auf. Diese Auslandsreise war sehr erfolgreich und der Name wurde beibehalten. Und so heißen unsere Kicker seit 1927 "Bohemians". Ihre Australien-Reise ist noch mit einer lustigen Geschichte verbunden. Einer der Minister wollte damals dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomas Garrigue Masaryk eine Freude machen und schickte ihm über die Mannschaft "Bohemians" zwei Känguruhs. Die Fußballer aus Vrsovice kamen auf die Prager Burg zu Präsident Masaryk mit den beiden geschenkten Tieren, aber der Präsident soll gesagt haben, dass er sich im Schloss Lany, wo er oft weilte, mit Pferden begnüge. Sie sollten die Känguruhs mit nach Vrsovice nehmen. Und so kam der Fußballklub zu seinem etwas exotischen Wappen mit den Känguruhs.""Bei den Bohemians wurde ich angemeldet als ich neun Jahre alt war. Das war im Jahr 1957. Für mich war das ein unglaublicher Feiertag, überhaupt in das Station zu kommen. Ich werde niemals das Gefühl vergessen, als ich das erste Mal als kleiner Junge zum Auslaufen auf dem Rasen war. Ich weiß, dass ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte, weil ich mich so gefreut habe. Das war ein unglaubliches Ereignis. Weil ich nicht ausgeschlafen war, war meine Leistung am ersten Tag allerdings nicht so gut."
erinnert sich Antontin Panenka an seine Anfänge bei den Bohemians. Die Grün-weißen haben auch einige Fans unter den in Prag lebenden Ausländern, vor allem bei Engländern, Amerikanern und Deutschen. Was ist und war das Besondere bei den Bohemians? Vereinspräsident Antonin Panenka:
"Das Besondere war hier immer, dass außer den felsenfesten Bohemka-Anhängern auch Fans anderer Vereine gekommen sind, wie zum Beispiel von Sparta oder Slavia, weil Bohemka nie eine ernste Konkurrenz für Sparta und Slavia war. Hier wurde immer ein behaglicher technischer Fußball gespielt und deshalb waren die Bohemians allen sympathisch. Das hat sich meiner Meinung nach bis heute erhalten. Hier herrschte immer eine gewissermaßen freundliche und heimische Atmosphäre. Ich glaube, die Fans gehören nicht nur zu den besten bei uns sondern in der ganzen Welt, wie sie hinter dem Klub stehen. Weil sie ihm helfen, auch in schlechten Zeiten oder auch wenn es auf dem Feld nicht so läuft."
Dass die Fans dem Klub in schwierigen Situationen helfen, haben sie vor zwei Jahren bewiesen. Der Verein musste wegen einer Schuldenlast von rund 40 Millionen Kronen (1,4 Millionen Euro) Konkurs anmelden. Daraufhin wurde den Bohemians die Spiellizenz für die zweite Liga entzogen. Die Fans gründeten eine "Genossenschaft der Bohemians Fans" und spendeten und sammelten drei Millionen Kronen. Dadurch erhielt der Klub die Lizenz für die dritte Liga. Der Genossenschaft traten auch Fans aus Australien, Deutschland und Großbritannien bei. Der Vereinsname und das Wappen waren aber in dieser schwierigen Zeit vom Gesamtverein TJ Bohemians Prag, der Klubs verschiedener Disziplinen unter sich hat, an den Drittligaklub FC Strizkov Praha 9 verliehen. Der Traditionsclub aus Vrsovice fand einen neuen Investor und wollte seinen Namen wiederhaben. Da dieser aber vergeben war, nannte sich der Vrsovicer Verein nun nicht mehr FC Bohemians sondern Bohemians 1905.
Der Klub hat in seiner Geschichte einige Höhen und Tiefen erlebt. Zwischen 1925, als die erste Profifußballliga in der Tschechoslowakei gegründet wurde, und 1935 gehörte der Verein der höchsten Spielklasse an. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten die Bohemians mit kleineren Unterbrechungen die meiste Zeit in der ersten Liga. Der größte Erfolg war der tschechoslowakische Meistertitel 1983 und der Gewinn des tschechischen Pokals ein Jahr zuvor. Nach der Auflösung der Tschechoslowakei hatten die Bohemians in der Tschechischen Republik keinen leichten Stand. Dreimal stiegen sie ab, zum letzten Mal im Jahr 2002. Nachdem der Wiederaufstieg in diesem Jahr perfekt gemacht worden war, gab es im Bohemians-Stadion ein Spiel gegen eine Auswahlmannschaft aktiver und Ex-Nationalspieler Mit von der Partie war auch Nationalspieler Jan Koller."Es ist angenehm hier. Bohemians hat ausgezeichnete Fans, dank derer die Mannschaft jetzt wieder erstklassig ist. Und auch das Stadion hat seinen ganz speziellen Zauber. Ich bin von Kind auf Anhänger von Bohemians, habe für den Verein gespielt und hier auch mein erstes Ligator erzielt. Ich habe schöne Erinnerungen an meine Zeit hier, und ich habe mich gefreut, heute wieder hier spielen zu können. Es war ein angenehmer Nachmittag"