Brutales Ende: Tschechien scheitert bei der Fußball-EM an der Türkei

Foto: ČTK

„Adieu, Fußball-EM!“ oder „Die Türken haben uns nach Hause geschickt“ – so und ähnlich titeln tschechische Tageszeitungen nach dem überraschenden, unerwarteten und für viele Fans traurigen Ausgangs der Vorrundenpartie Tschechien-Türkei in Genf. Unser Kollege Lothar Martin hat das Spiel vor Ort miterlebt und berichtet telefonisch aus der schweizerischen Stadt.

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„Der 15. Juni 2008 wird wohl für immer als eine ihrer schwärzesten Stunden in die Geschichte der tschechischen Fußballnationalmannschaft eingehen. In einem hoch dramatischen, aber nicht unbedingt hochklassigen Match verlor die tschechische Elf ihr abschließendes Spiel bei der EM-Vorrunde in Genf gegen die Türkei mit 2:3 und schied damit – wie bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Deutschland – schon nach der Vorrunde aus.

Petr Čech  (Foto: ČTK)
Das Ausscheiden war allerdings völlig unnötig, denn nach der ersten Halbzeit führte die Mannschaft von Trainer Karel Brückner hoch verdient mit 1:0 und war, wie auch der wegen einer Knieoperation nur zuschauende Tomáš Rosický äußerte, das klar bessere Team. Was aber in der zweiten Halbzeit passierte, sei einfach unglaublich gewesen, meinte Rosický. Er habe solch ein verrücktes Spiel noch nie zuvor live erlebt.

In der Tat, als die Türken in der zweiten Halbzeit ´Alles oder nichts´ spielten und mit zum Teil acht Spielern in die Offensive gingen, wie es HSV-Mittelfeldspieler David Jarolím kommentierte, sah Tschechien nach gut einer Stunde schon wie der sichere Sieger aus. Da erzielte nämlich Jaroslav Plašil nach einem der wenigen zielstrebigen Konter das 2:0, das der tschechischen Mannschaft eigentlich die nötige Ruhe und Sicherheit hätte geben müssen. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Jungs danach immer nervöser wurden, wisse aber nicht warum, schilderte Rosický das Unfassbare, das danach noch über seine Mitspieler hereinbrach.

Trainer Karel Brückner  (Foto: ČTK)
Nach dem mittlerweile mehr als verdienten Anschlusstor der Türken durch Arda Turan war nur noch eine Viertelstunde zu spielen, in der die Tschechen mit fliegenden Fahnen untergingen. Auch weil ihr ansonsten bester Spieler, Torwart Petr Čech, patzte und nach seinem Fangfehler den Türken den 2:2-Ausgleich durch Nihat ermöglichte. Er sei sich sicher gewesen, von niemandem bedrängt zu werden, als er die Flanke fangen wollte, sagte Čech im Nachhinein. Deshalb sei er sich auch sicher gewesen, den Ball spätestens im ersten Nachfassen zu haben. Umso mehr haben ihn dann überrascht, dass Nihat neben ihm stand und den Fehler sofort bestrafte, kommentierte Patr Čech seinen Fauxpas, der die Partie nun vollends kippen ließ.

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Und eine weitere Unkonzentriertheit der gesamten Mannschaft, so Abwehrspieler Marek Jankulovský, führte nur 100 Sekunden später zum alles entscheidenden 3:2 für die Türken, die sich mit viel Herz und Engagement in den siebten Himmel und dort buchstäblich auf ihren symbolträchtigen Halbmond schossen. Für die tschechische Mannschaft hingegen war es ein ganz bitterer Abend, der nicht nur mit einem zweiten frühen K.O. innerhalb von zwei Jahren endete, sondern auch sportlich brutales frühes Ende der Nationalmannschaftskarriere von Stürmer Jan Koller, Mittelfeldstratege Tomáš Galásek und Nationaltrainer Karel Brückner zur Folge hatte.

Nach dieser Europameisterschaft gilt es jedoch, nicht nur diese drei zu ersetzen, sondern grundlegend zu analysieren, warum der tschechische Fußball nun auch auf Nationalmannschaftsebene die Erfolgsspur verlassen hat. Eine erste Antwort auf diese Frage geben wir am Mittwoch in unserem Sportreport.“

Autor: Lothar Martin
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