Bürgergesellschaft damals und heute: Tagung ehemaliger Dissidenten

'Fünfzehn Jahre später - Bürgergesellschaft in der Demokratie' (Foto: CTK)

Der Verein Ano pro Evropu (Ja zu Europa) wurde im Jahr 2003 gegründet, um eine aktive und positive Haltung der Bürger im Referendum über den EU-Beitritt zu unterstützen. Ins Leben gerufen wurde Ano pro Evropu unter anderem von Monika Pajerová, der Sprecherin bei den Studentenprotesten von 1989, und Svatopluk Karásek, Dissident, evangelischer Pfarrer, Musiker und Abgeordneter. Zum Feiertag am Mittwoch veranstaltete Ano pro Evropu in Prag eine Tagung, unter dem Titel "Fünfzehn Jahre später - Bürgergesellschaft in der Demokratie". Oliver Engelhardt ist dort gewesen:

'Fünfzehn Jahre später - Bürgergesellschaft in der Demokratie'  (Foto: CTK)
"Das Erbe des Bürgerforums - was haben wir erreicht?" unter dieser Frage stand das Abschlussforums der Tagung, die am Mittwoch im Klub Lávka an der Karlsbrücke stattfand. Der Saal war voll, gekommen waren vor allem viele Akteure der friedlichen Revolution von 1989 und deren berühmteste Vertreter: Ex-Präsident Václav Havel und der jetzige Senatspräsident Petr Pithart. Wie verliefen damals die wichtigen Entscheidungen im Bürgerforum? War es richtig, die Revolution so "sanft" durchzuführen? Hätte man die kommunistische Partei nicht von Anfang an meiden und dann auch verbieten sollen? Um solche und ähnliche Fragen dreht sich die Diskussion. Es herrscht eine Mischung von bedeutsamer Stille und zugleich gelöster Heiterkeit, wenn Petr Pithart auf dem Podium von den Verhandlungen am runden Tisch und dem lächerlichen Verhalten des kommunistischen Parteisekretärs erzählt.

"Niemand war vorbereitet. Wie ist es möglich - diese Frage ist für mich eine Lebensaufgabe - Wie ist es möglich, dass wir den Charakter des Regimes nicht erkannt haben, wie heruntergekommen und brüchig es war. Es war eine resignierte, zynische dritte Garnitur eine posttotalitären Regimes."

Einer der Veranstalter der Tagung ist Svatopluk Karásek. Auch er Dissident und heute Politiker. Beim an die Diskussion anschließenden Empfang und Konzert zieht er eine positive Bilanz.

"Ich meine die ganze Aktion war sehr gut, es sind sehr gute Leute gekommen. Wir haben die Atmosphäre wieder erlebt. Ich meine das ist der Sinn von Feiertagen: man muss den ursprünglichen Sinn neu erleben."

Sinn eines Feiertages ist aber auch, einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Wie beurteilt Karásek mit Blick auf die samtene Revolution vor 15 Jahren die heutige politische und gesellschaftliche Situation in Tschechien?

"Ich sage kurz, dass die Politik von Václav Havel, also die Politik von Menschenrechten, Bürgergesellschaft usw. heute keinen politischen Einfluss mehr hat. Die heutigen Regierungsparteien verwirklichen und personifizieren diese Ideen nicht. Alles was Václav Havel und das Bürgerforum gebracht haben, ist auf der Oberfläche nicht zu sehen. Aber ich meine, in der Tiefe der Gesellschaft ist es doch in verschiedenen Menschenrechtsbewegungen und Hilfsorganisationen lebendig. Manche haben heute hier festgestellt, dass diese Idee doch lebt, obwohl sie heute keine politische Macht hat. Es ist ein gewisses Potential da, das in der Gesellschaft wirkt und das ist das positivste, was es in unserer Politik gibt."