Camill Hoffmann – Botschafter zweier Kulturen

Camill Hoffmann mit Jan Masaryk

Er war deutscher Dichter, tschechoslowakischer Diplomat und unermüdlicher Vermittler zwischen zwei Kulturen, in denen er in gleichem Maße zu Hause war. Der 1878 im mittelböhmischen Kolín geborene Camill Hoffmann hat zeitlebens eher im Hintergrund gewirkt. In der deutsch-tschechischen Kulturgeschichte hat er dennoch tiefe Spuren hinterlassen. Camill Hoffmann und seine Frau starben 1944 in den Gaskammern von Auschwitz. Im tschechischen Zentrum in Prag erinnert nun eine Ausstellung an Hoffmann.

„Das Ganze begann in der Stadtbibliothek, bereits vor vier Jahren, da musste ich mich mit dem Althochdeutschen plagen. Zur Ablenkung habe ich in einem Lexikon geblättert, und da gab es einen Artikel über Hoffmann. Der Artikel bestand nur aus einem kurzen Absatz – nur ein paar Information, mehr nicht. Aber das hat schon gereicht, um mich weiter dafür zu interessieren und mehr Informationen zu sammeln. So bin ich also zu Hoffmann gekommen.“

Erzählt Pavel Polák, der Autor der Hoffmann-Ausstellung. Es war eine schicksalhafte Begegnung: Archive wurden durchkämmt, Dokumente gesammelt, Polák besuchte sogar die Tochter Hoffmanns, die mit über 100 Jahren heute in Israel lebt. Ergebnis der Recherchen: eine preisgekrönte Diplomarbeit, aus der wiederum die Ausstellung hervorgegangen ist.

„Ich bin davon überzeugt, dass Camill Hoffmann eine interessante Persönlichkeit mit einer wirklich interessanten Lebensgeschichte ist. Camill Hoffmann ist auch während seiner Lebenszeit nicht ins allgemeine Bewusstsein getreten, er hat kein Buch geschrieben, das bis heute wirkt. Aber sein Lebensweg für sich ist interessant, weil sich auf ihm viele Schriftsteller, Politiker und Ereignisse treffen. Ich war, als ich mit Hoffmann beschäftigt habe, sehr erstaunt, wie viel Weltgeschichte in einer Lebensgeschichte anzutreffen sein kann.“

Pavel Polák
Hoffmann wird 1878 als jüngstes von elf Kindern in einer jüdischen Gastwirtsfamilie im ländlichen Kolín geboren. Zu Hause spricht man Deutsch, beherrscht aber auch das Tschechische fließend. Hoffmann soll den Kaufmannsberuf ergreifen, wendet sich aber der Literatur zu. 1902 erscheint der erste von zwei Gedichtbänden: „Adagio stiller Abende“, ganz in den Schwermut der Spätromantik getaucht.

Einsam treibt ein blaues Boot

Niemand weiß woher, wohin,

Lichtgestalten sitzen drin:

Meine Abendphantasien.



Lodernd ist der Tag verloht

Nur die Wälder stehn noch rot.

Leuchtend aus der Fern

Steigt ein Stern.

Der Widerhall auf Hoffmanns Lyrik bleibt dürftig. Erfolg und Anerkennung bringt für dagegen die journalistische Tätigkeit, die Hoffmann selbst zu Anfang nur als Broterwerb sieht.

„Während des ersten Weltkriegs war Hoffmann in Dresden Redaktionsleiter der Dresdner Neuesten Nachrichten. Nach dem Krieg entstand die Tschechoslowakei. Da stand er vor der Wahl – entweder er wird deutscher Staatsbürger oder er optiert für die Tschechoslowakei. Hoffmann fühlte sich immer mit Böhmen verbunden, und da war es für ihn ganz klar, sich für die Tschechoslowakei zu entscheiden. Der neue Staat war noch ganz jung, es fehlte an Fachleuten und Eliten, und so ist Hoffmann mit seinen Erfahrungen in die Presseabteilung des Außenministeriums gelangt. Und nach einem Jahr ging er dann nach Berlin, wo die Tschechoslowakische Botschaft eröffnet worden war.“

Hoffmann übernimmt die Stelle des Presseattachés. Obwohl im diplomatischen Dienst regelmäßige Wechsel üblich sind, bleibt er von 1920 bis zum erzwungenen Abgang im Schicksalsjahr 1938 an der Berliner Botschaft – das beste Zeichen dafür, wie sehr die Regierung in Prag seine besondern Kenntnisse schätzt. Hoffmann ist Berater von vier Botschaftern, Vertrauensmann von Staatspräsident Masaryk und Außenminister Beneš. Er kümmert sich auch um die kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, weiß Pavel Polák:

„Wenn ein Künstler aus der Tschechoslowakei in Deutschland sein Werk vorstellen wollte, dann wurde er immer an Camill Hoffmann verwiesen. Das war keine einfache Aufgabe, da die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei angespannt waren – Deutschland hatte Probleme mit der Anerkennung des neuen Staates. Aber Hoffmann ist es zum Beispiel gelungen, dass Leoš Janáček oder Jarmila Novotná oder der Pianist Rudolf Firkušný auf die deutschen Bühnen kommen konnten. Karel Čapek hat in den zwanziger Jahren gesagt, dass Deutschland für die tschechoslowakische Kunst das Tor in die Welt ist. Und ich würde hinzufügen, dass dann Camill Hoffmann an dem Tor stand und das Tor auch geöffnet hat.“

Hoffmann vermittelt, organisiert, übersetzt. In seiner Korrespondenz finden sich zahllose bekannte Namen aus der zeitgenössischen deutschen und tschechischen Kultur – von Hermann Hesse bis Oskar Kokoschka, von Karel Čapek bis Bohuslav Martinů. In den dreißiger Jahren hilft er vielen Verfolgten bei der Flucht ins Exil und rettet unter andrem auch die Bibliothek von Heinrich Mann. 1938 wird die Lage in Berlin unhaltbar – Hoffmann wird abberufen und pensioniert. Trotz aller Warnungen geht er zurück nach Prag.

„Ich glaube, Hofmann hat die Situation falsch eingeschätzt. Er war davon überzeugt, dass Hitler nicht an die Macht kommt, was sich als Irrtum herausgestellt hat. Er war überzeugt, dass die Gebietsansprüche Hitlers mit dem Anschluss Österreichs befriedigt sind. Das war auch nicht wahr. Und nach 1938, als die Sudetengebiete an das Reich abgetreten worden waren, hat er geglaubt, dass jetzt das Ende erreicht ist, was auch nicht gestimmt hat. Mich hat es immer gewundert, dass Hoffmann, der wirklich so nah am Geschehen war, zu den falschen Schlussfolgerung gekommen ist.“

Im März 1939 marschieren die deutschen Truppen in die so genannte Rest-Tschechei ein. Der Jude Camill Hoffmann zieht sich in seine Prager Wohnung zurück, zwischen seine Bücher, schreibt an einer Geschichte Böhmens.

Die Nacht ist einsam. Das Grab

Wird nicht mehr einsamer sein.

Ich taste mich schlaflos ab,

Der Stein da ist mein Herz

David Kraft ist der Herausgeber der Politischen Tagebücher Hoffmanns und Mitorganisator der Ausstellung. Auch er hat keine Antwort darauf, warum Hoffmann nicht den Weg ins Exil gewählt hat.

„Das ist schwer zu erklären. er selbst hat dazu nur gesagt: Wer wird sich schon um einen alten Mann kümmern? Damit hat er sich selbst gemeint. Vielen deutschen Demokraten, Menschen, die flüchten mussten, hat er geholfen. Er hat viele Menschen gerettet, auch seine beiden Kinder, die nach England beziehungsweise nach Paris gegangen sind. Er selbst besaß ein Visum nach Schweden. Aber er konnte oder wollte sich von Prag nicht trennen – und dann war es auf einmal zu spät.“

Ich weiß, auch du, ich weiß,

Auch du liegst nun allein.

Kein Traum zieht seinen Zauberkreis um

Deine Stirn von Erz.

1942 werden Camill Hoffmann und seine Frau Irma nach Theresienstadt deportiert. Als Irma im Oktober 1944 in den Transport nach Ausschwitz eingereiht wird, fährt Hoffmann mit ihr. Gleich nach der Ankunft werden Camill und Irma Hoffmann wie auch alle übrigen in der Gaskammer ermordet.

Und morgen oder nächstes Jahr

Wie kann es da anders sein?

Die Nacht währt immerdar,

Und dieser Stein ist nichts als Schmerz.

Die Ausstellung zu Camill Hoffmanns Leben und Werk mit dem Titel „Gib zu, dass wir in einer interessanten Zeit leben“ ist noch bis zum 14. Juni 2008 im Tschechischen Zentrum Prag zu sehen und soll dann den Stationen des Lebenswegs von Camill Hoffmann nachreisen. Geplant sind unter anderem Aufenthalte in Berlin, Dresden und München.