Nečas und Seehofer wollen Dialog fortsetzen und gemeinsame Zukunft gestalten
Die Tschechische Republik und der Freistaat Bayern pflegen seit Jahren sehr gute Beziehungen im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich. In der Politik jedoch gab es mehr als sechs Jahrzehnte lang historische Spannungen, hervorgerufen durch die unterschiedliche Sichtweise zur Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der erste Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten in Prag brach aber das Eis, im Dezember 2010 kam CSU-Chef Horst Seehofer offiziell zu Gast an die Moldau. Am Mittwoch und Donnerstag weilte nun der tschechische Premier Petr Nečas zu einem Gegenbesuch in Bayern. Für den Tschechischen Rundfunk hat Redakteur Pavel Polák den Besuch in München begleitet. Radio Prag sprach mit Polák über die Bedeutung der Visite von Nečas.
„Der tschechische Ministerpräsident kommt zum ersten Mal nach 20 Jahren zu einem offiziellen Besuch nach Bayern. Das letzte Mal war der damalige Premier Václav Klaus im Jahr 1992 hier zu Gast. Dies ist eine sehr lange Zeit. Deshalb ist es meiner Meinung nach auch zutreffend, diesen Besuch historisch zu nennen. Es widerspiegelt zudem den historischen Besuch von Horst Seehofer, der vor gut zwei Jahren das erste Mal zu einem offiziellen Besuch in Prag weilte. Wenn sich nach einer so langen Zeit die beiden Regierungschefs Tschechiens und Bayerns nun wieder offiziell treffen, dann darf man dies getrost historisch zu nennen.“
Als völlig historisch darf man auch die Tatsache einstufen, dass Premier Nečas als erster tschechischer Ministerpräsident eine Rede im bayerischen Landtag gehalten. Was waren denn die Kernaussagen seiner Rede?„Petr Nečas sprach von einer gemeinsamen Identität der bayrischen und der tschechischen Bürger. Er hat sich sehr viel Zeit genommen, um die gemeinsame tausendjährige Geschichte zu beschreiben. Er hat im 9. Jahrhundert angefangen und bis über die Zeit von Maria Theresia hinaus gesprochen, bis er schließlich auch zu einem empfindlichen Thema sprach: über die Vertreibung der Sudetendeutschen. Nečas hat sein Bedauern über die Ereignisse ausgedrückt, die nach dem Zweiten Weltkrieg passiert sind. Dazu hat er die gemeinsame Tschechisch-Deutsche Erklärung aus dem Jahr 1997 zitiert. Selbst hat er dem aber nichts hinzugefügt. Er hat nur das wiederholt, was bereits vor 16 Jahren in der Erklärung festgehalten wurde. Dennoch wurde auch diese Erwähnung im bayrischen Landtag mit Beifall gewürdigt.“
Bereits am ersten Tag der Treffen mit seinem bayerischen Amtskollegen Horst Seehofer traf Nečas die Aussage: „Unsere Beziehungen sind auf die Zukunft angelegt, aber niemand wird die Vergangenheit umschiffen.“ Haben Seehofer und Nečas bei ihren Treffen vielleicht schon angedeutet, wie sie sich die Zukunft der tschechisch-bayerischen Beziehungen denn so vorstellen?Horst Seehofer und Petr Nečas haben vier Punkte erwähnt, die während des Treffens besprochen worden sind. Erstens wollen sie sich mindestens ein Mal im Jahr bei einen offiziellen Staatsbesuch treffen. Dieser Trend soll auch in den nächsten Jahren beibehalten werden. Zweitens soll eine gemeinsame Parlamentariergruppe gebildet werden, in der tschechische wie bayrische Abgeordnete vertreten sind. Zudem wollen sie das Museum in Ústí nad Labem / Aussig, in dem sich das Collegium Bohemicum engagiert, unterstützen. Zur Finanzierung des Museums tragen bereits Mittel aus dem tschechischen Staatshaushalt bei. Schließlich soll eine gemeinsame tschechisch-bayrische Landesausstellung organisiert werden. Dies alles sind Zukunftspläne, doch die Zukunft ist das, was beide Politiker derzeit am meisten interessiert. Was die Vergangenheit angeht, das ist meiner Meinung nach ein Thema, das erst noch reif werden muss, bevor es von den Politikern offen angesprochen wird. Es hat sich in den letzten 15 Jahren gezeigt, wenn die bayrische Seite drängt und dieses Thema – zum Beispiel die Benes-Dekrete – unbedingt ansprechen möchte, dann stößt diese Haltung auf negative Reaktionen in Prag. Seehofer sagte, dass es besser ist über die Zukunft zu sprechen, als (wieder) Jahrzehnte zu schweigen. Ich glaube beide Politiker sind sich in diesem Punkt einig und dementsprechend gestalten sie ihre jetzige Politik.“