Horst Seehofer in Prag – Weniger Vergangenheit, mehr Zukunft
Zwei Tage lang weilte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer vergangene Woche in Tschechien. Er machte somit sein Versprechen wahr, das er vor fast genau einem Jahr bei seiner ersten Prager Visite gab: nämlich bald wieder zu kommen. Die über viele Jahre dauernde Eiszeit zwischen den beiden Nachbarländern wegen der Schirmherrschaft Bayerns über die Sudetendeutschen scheint endgültig gebrochen. Die Politik holt nun in großen Schritten nach, was die Unternehmen beider Länder mit ihren intensiven Beziehungen und ihrer guten Vernetzung schon seit Jahren praktizieren.
Robert, welches Echo fand der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten in den tschechischen Medien?
„Ein relativ großes, auch wenn dieser Hauch des Sensationellen wie vor einem Jahr, als Horst Seehofer als erster bayerischer Ministerpräsident nach vielen Jahrzehnten nach Prag gekommen war, natürlich längst verflogen ist. Das kann man natürlich auch als gut bewerten, in dem Sinne, dass die Verbesserung der Beziehungen, die vor einem Jahr von beiden Regierungschefs sehr zart angegangen worden war, jetzt erste Früchte gebracht hat. Es hat sich eine gewisse Reisediplomatie entwickelt, denn nicht nur Horst Seehofer ist nun zum zweiten Mal nach Prag gekommen, sondern Premier Petr Nečas war im Frühjahr dieses Jahres auch in München und er will, soviel ich weiß, im Frühjahr nächsten Jahres erneut nach Bayern fahren. Hier zeigt sich, dass sich etwas entwickelt hat und dass die Eiszeit tatsächlich gebrochen ist.“
Welche Themen dominieren gegenwärtig die tschechisch-bayerischen Beziehungen? Ist es noch immer die Vergangenheit?„Die Vergangenheit wird natürlich in den Beziehungen zwischen Bayern und Tschechien beziehungsweise zwischen Deutschland und Tschechien immer eine große Rolle spielen. Das lässt sich nicht einfach wegdenken, dazu ist in den Beziehung einfach zuviel geschehen in den vergangenen Jahrzehnten. Und Horst Seehofer hat bei seinem Besuch in Tschechien gezeigt, dass er dieses Geschichtsbewusste auch betonen will. Er hat Lidice und Theresienstadt besucht, aber natürlich auch Ústí nad Labem / Aussig, wo es unmittelbar nach Kriegsende zu dem Verbrechen an den Sudetendeutschen gekommen war. Allerdings standen dieses Mal durchaus auch andere Themen im Vordergrund, Themen die mittelfristig und längerfristig die Beziehungen beider Länder dominieren werden. Das sind vor allem die Verkehrswege, der Ausbau des Schienennetzes. Horst Seehofer hatte bereits vor einem Jahr angeregt, dass die Eisenbahnverbindung zwischen München und Prag modernisiert werden soll. Das wurde beim aktuellen Besuch nochmals angesprochen und da hat der bayrische Ministerpräsident eindeutig gezeigt, dass er sich wünscht, dass dieser Ausbau auch im Rahmen der transeuropäischen Netze stattfindet. Es soll also nicht nur eine bilaterale Angelegenheit zwischen Bayern und Tschechien sein, sondern im Rahmen des transeuropäischen Netzes stattfinden. Ein weiteres Thema war dann die Energiepolitik, vor allem der geplante Ausbau des tschechischen Atomkraftwerks Temelín, der ja bei einigen Bürgern Bayerns gewisse Befürchtungen gegenüber der Sicherheit der Anlage ausgelöst hat.“
Könnte aus der zukünftigen Energiepolitik ein neues potentielles Problem für das tschechisch-bayrische Verhältnis werden?„Ich denke, da muss man unterscheiden. Zum einen sind das die bereits erwähnten Befürchtungen einiger bayerischer Bürger, dass das Atomkraftwerk Temelín, das ausgebaut werden soll, nicht sicher genug ist. Da hat Tschechiens Regierungschef Petr Nečas klugerweise vorgesorgt, indem er angeregt hat, eine Art öffentliche Anhörung in Deutschland zu veranstalten, eben um alle Bedenken bezüglich Temelíns oder der Sicherheitsfrage rund um Temelín auszuloten und zu widerlegen. Das ist ein gewisser offensiver Schritt, der begrüßenswert ist. Auf der anderen Seite bleibt natürlich die grundsätzliche Frage, wie beide Länder die Energiepolitik künftig ausgestalten werden. Tschechien will massiv auf den Ausbau der Kernkraft setzen, bis 2036 sollen achtzig Prozent des gesamten Energiebedarfs aus Atomkraftwerken gedeckt werden. Bayern oder genauer gesagt Deutschland will bekanntlich die Atomkraftwerke abschalten und völlig auf alternative Energiequellen setzen. Ich glaube, dass dies natürlich zu einer gewissen Verschlechterung in der Atmosphäre der bilateralen Beziehungen führen könnte. Man darf aber nicht vergessen, dass die Energiepolitik nicht etwas ist, was nur zwei aneinandergrenzende Länder angeht, sondern dass es ein übergreifendes europäisches Thema ist. Die Energiepolitik hat schon immer eine europäische Dimension gehabt, und insofern kann sie meiner Meinung nach nicht unmittelbar das Verhältnis zwischen Tschechien und Deutschland oder zwischen Tschechien und Bayern beeinflussen.“