Collagen von Ivo Vodseďálek werden in München gezeigt
Die Collagen des tschechischen Schriftstellers und Künstlers Ivo Vodseďálek werden im Juni im Tschechischen Zentrum in München ausgestellt. Es handelt sich um pointierte Kommentare zur menschlichen Natur, die sich spezieller Techniken bedienen. Außerdem finden im Zentrum gleich mehrere Vorträge und Veranstaltungen statt, die sich um den Zweiten Weltkrieg drehen. Radio Prag hat über das Angebot mit der Leiterin des Zentrums, Zuzana Jürgens, gesprochen.
Wir werden Collagen von Ivo Vodseďálek zeigen. Er ist Jahrgang 1931 und hat ein interessantes Leben hinter sich. Er ist nicht nur Maler, sondern auch Schriftsteller. Er hat in den 1950er Jahren sehr eng mit Egon Bondy und Mikuláš Medek zusammengearbeitet und lebte bis 1989 eigentlich im Untergrund, im Dissens. Sein Werk war nur wenigen Leuten bekannt. Er hat Texte geschrieben, die alle erst nach 1989 erschienen sind, aber er hat auch Collagen gemacht und gesammelt. Wir wollen vor allem seine Collagen zeigen. Es sind sehr witzige, aber auch sehr überraschende Werke. Ivo Vodseďálek hat die Technik zum Teil auch selbst entwickelt. Wenn man Collagen sagt, denkt man in Tschechien meistens gleich an Jiří Kolář. Aber Ivo Vodseďálek hat ein sehr beeindruckendes Werk geschaffen und stellt ein Pendant zu Jiří Kolář dar.
Können Sie unseren Hörern erklären, worauf diese spezielle Kunsttechnik beruht?„Grundsätzlich geht es darum, mit unterschiedlichen Materialien, mit unterschiedlichen Bildern neue Realitäten zu kreieren und Bilder zu komponieren. Es können zwei, drei oder mehrere Bilder sein, die zusammengebracht werden. Durch Schneiden, Kleben und Durchweben entstehen neue Kontexte und Zusammenhänge. Diese Technik der Collage hat sich bereits in den 1920er und 1930er Jahren im Surrealismus entwickelt. In Tschechien ist Karel Teige dafür ein gutes Beispiel. Es gibt viele Buchumschläge surrealistischer Werke mit Teiges Collagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Collage weiter. Wir wollen uns aber nicht nur Ivo Vodseďálek widmen. Am 21. 6. wird Eva Čapková einen Vortrag über Vladimír Boudník halten. Sie ist eine Doktorandin an der Münchner Universität, die ihre Promotion über Boudník schreibt. Er ist ein Weggefährte von Vodseďálek und auch in seinen Werken ist die Collagentechnik zu sehen, wobei er eigentlich nicht mit Papier arbeitet.“
Ist die Ausstellung direkt im Tschechischen Zentrum zu sehen?
„Ja, die Ausstellung findet direkt im Tschechischen Zentrum statt, und zwar bis zum 29. Juni.“
Sie haben den Namen Vladimír Boudník erwähnt. Er war ebenfalls ein Literat, der seit den 1950er Jahren zum literarischen Untergrund gehörte, genauso wie Vodseďálek. An ihn wird im Rahmen der Vorlesung erinnert?
„Genau. Frau Čapková wird auch einige seiner Bilder in einer Powerpoint-Präsentation zeigen und wird ihn sozusagen als einen Vertreter der tschechischen Kunst der 1950er und 1960er Jahre präsentieren. Ich meine, das Verfahren der Collage wird nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch in der Literatur verwendet. Das gilt auch für Bohumil Hrabal, in seinen Texten ist das Prinzip der Collage gut zu erkennen.“
Im Juni geht in München auch die Veranstaltungsreihe „Montagsforum: Europa und der Nationalismus“ weiter. Welche Veranstaltungen und Themen sind geplant?„Es sind die beiden letzen Vorträge der Reihe, zeitlich sind wir schon in der Nachkriegszeit angekommen. Erik K. Franzen vom Collegium Carolinum wird sich den Opfer-Diskursen in Tschechien und Deutschland nach 1945 widmen, und zwar am 11. Juni im Gasteig, dem Vortragssaal der Bibliothek. Und am 25. Juni werden wir den Film ´Daleká cesta´ (´Ein weiter Weg´) von Alfréd Radok zeigen. Der Film wurde 1949 gedreht und ist eine der ersten künstlerischen, filmerischen Aufarbeitungen des Holocausts. Es ist ein sehr beeindruckender und in vieler Hinsicht auch wegweisender Film für weitere Holocaust-Verfilmungen. Zum Programm der Vortragsreihe gehört auch unser aktueller Film im Juni, im Neuen Arena-Kino. Am 6. Juni werden wir „Lidice“ von Petr Nikolaev zeigen, der aus dem Jahr 2010 stammt und auf die Geschichte von Lidice eingeht, das nach dem Attentat auf Heydrich niedergebrannt wurde. Eine der zentralen Figuren ist ein Mann, der es überlebt hat.“
Am 10. Juni ist es 70 Jahre her, dass das mittelböhmische Dorf Lidice durch die Nazis niedergebrannt wurde. Es ist also ihr Beitrag zu diesem Jahrestag?„Sozusagen, wir haben das ganz bewusst so gewählt. Im Mai findet auch noch ein Vortrag statt, der das Attentat auf Heydrich thematisiert. Und vielleicht nenne ich noch eine weitere Veranstaltung, die um den Zweiten Weltkrieg geht. Es ist die Ausstellungseröffnung von ´Alois Nebel. Leben nach Fahrplan´. Die Ausstellung wird im Literaturhaus in München gezeigt, sie wird am 12. 6. eröffnet. Sie ist entstanden auf Grundlage des Comics von Jaroslav Rudiš und Jaromír 99, der in Tschechien sehr beliebt ist. Die beiden Männer kommen nach München, es wir auch ein Konzert stattfinden. Die Hauptfigur des Comics und des Films ist ein Bahnangestellter, ein Zugschaffner, der im Sudetenland lebt und dort eben auch den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Also Sie können sehen, dass wir im Juni fast ganz in der Vergangenheit leben.“
Ganz am Ende des Monats können Sie eine Persönlichkeit aus Prag begrüßen, den Philosophen Jan Sokol. Er wird dort Vortrag halten…„Es freut mich sehr, dass wir noch vor der Sommerpause Jan Sokol nach München einladen konnten. Er wird sich in seinem Vortrag den ethischen Aspekten der Politik und Gesellschaft widmen. Er gehört zu den wenigen Personen, die nicht nur als Philosophen dazu etwas zu sagen haben, sondern die Politik auch selbst miterlebt hat. Er führte eine zeitlang das Bildungsministerium in Tschechien. Ich bin sehr gespannt und freue mich, dass er nach München kommt.“