Dana Zátopková: Vor 60 Jahren genoss ich in Helsinki das pure Glück
Am 27. Juli beginnen in London die XXX. Olympischen Sommerspiele. Drei Tage davor feiert die älteste noch lebende tschechische Olympiasiegerin, die ehemalige Speerwerferin Dana Zátopková, das Jubiläum ihres größten sportlichen Erfolges: Am 24. Juli 1952 gewann sie in ihrer Disziplin die olympische Goldmedaille. Die Spiele von Helsinki vor 60 Jahren aber waren auch die Sternstunde ihres im November 2000 verstorbenen Gatten Emil Zátopek – der einstige Wunderläufer wurde Olympiasieger auf den Langstrecken über 5000 und 10.000 Meter sowie im Marathonlauf. Emils Witwe Dana, die im September ihren 90. Geburtstag feiert, erinnert sich noch sehr gut an das gemeinsame Karriere-Highlight.
„Die Erfolge, die uns damals gelungen sind, daran erinnert man sich immer wieder gern, und so etwas vergisst man auch nicht“, sagte Dana Zátopková am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Prag.
Am Morgen jenes 24. Juli 1952 waren die Zátopeks mit der Gewissheit aufgestanden, nicht mit leeren Händen nach Hause zu fahren. Denn Emil hatte zuvor bereits in souveräner Manier Gold über 10.000 Meter gewonnen. Für das Rennen über fünf Kilometer aber sah sich Emil nicht in der Favoritenrolle, beschreibt Zátopková:„Auf dieser Strecke war er sich seiner Sache nicht so sicher, denn hier treffe er auf sehr viele junge Beißer, wie Emil sagte. Und viele von ihnen wollten auch die Goldmedaille.“
Der Lauf ihres Mannes habe auch ihre Psyche beeinflusst, bekennt Zátopková:
„Mein Wettbewerb sollte zur gleichen Zeit stattfinden wie der 5000-Meter-Lauf. Von daher begann ich zu lamentieren, dass dieser Lauf sicher ein aufregendes Rennen werden wird, bei dem ich dauernd schauen müsse, wie gut es für Emil läuft. Und das könnte der Konzentration für meine eigene Disziplin schaden.“
Auch deshalb hatte sich Dana Zátopková nur ein kleineres Ziel gestellt – sie wollte wenigstens Bronze gewinnen. Vor ihrem Wettkampf hatte allerdings der Hammerwurf der Männer, bei dem Sieger Csermák aus Ungarn einen neuen Weltrekord aufstellte, für eine Verzögerung gesorgt. Dadurch wurde das Speerwerfen der Frauen zeitlich verschoben, und auch Dana Zátopková war somit zurück in die Kabine geeilt. Dort hoffte sie anhand der Stadionkulisse herauszuhören, ob Emil das Rennen gewinnt oder nicht:„Ich habe es jedoch nicht erkannt, und als es wieder etwas stiller geworden war, ging ich auf den Gang, wo ich den sowjetischen Trainer Romanow traf. Als ich ihn fragte, wer gewonnen hat, war er ganz perplex, denn er konnte nicht verstehen, dass ich als Emils Frau den Lauf nicht gesehen habe.“
Sie habe damals Freudentränen vergossen, schildert Zátopková heute diese kleine Episode. Ihren Gatten umarmte sie erst, als die Speerwerferinnen endlich zum Wettkampf gerufen wurden. Da kam Emil bereits von der Siegerehrung:„Direkt in der Tür zum Stadioninneren haben wir uns getroffen. Ich habe Emil gratuliert und ihm gesagt, dass er mir seine Medaille als Glücksbringer borgen solle. Mit der Medaille in der Tasche verspürte ich dann auch eine Riesenfreude darüber, dass bei Emil alles so gut geklappt hat. Mit diesem Glücksgefühl im Rücken warf ich dann gleich im ersten Versuch einen neuen olympischen Rekord.“
Erst dann hätten die Zuschauer im Stadion so recht begriffen, dass jetzt auch die Frau von Emil Zátopek nach einer Medaille griff. Am Ende wurde es sogar die goldene, so dass Dana Zátopková auch heute noch mit einem Schmunzeln hinzufügt:„Und die Leute sagten sich: Ist das denn möglich, jetzt hören wir schon zum dritten Male die tschechoslowakische Hymne, bald werden wir sie auswendig können. Schließlich mussten sie sie noch einmal hören, als Emil den Marathonlauf gewann.“
Den Tag ihres großen Triumphes habe sie noch in bester Erinnerung, erzählt Zátopková weiter. Am Abend hätten die finnischen Frauen, die sich als ständige Begleiterinnen um sie und Emil kümmerten, für sie beide finnische Lieder gesungen und ihnen ihre Begeisterung darüber kundgetan, dass die Zátopeks so viele Medaillen gewinnen. Während Emil aber wegen des Marathonlaufes beizeiten zu Bett musste, habe sie ihren Sieg noch weiter ausgekostet, erzählt Dana Zátopková. Da sie nicht einschlafen konnte, sei sie nachts von ihrer Unterkunft am Stadtrand von Helsinki noch zu einem nahen See gegangen:
„Das war der schönste Moment des Tages für mich. Am See war eine Sauna, und gleich daneben stand eine Holzbank. Von der Bank aus konnte ich sehen, wie der Mond den See beleuchtete. Ich durchlebte pures Glück, denn das hält stets nur einen Moment an und man muss es einfach genießen.“
Viel hatte jedoch nicht gefehlt, und der große Glückstag der Zátopeks wäre nie zustande gekommen. Bei ihrem Verein Dukla Prag hatten sie einen Freund, den Mittelstreckenläufer Stanislav Jungwirth. Er sei sehr begabt und zielstrebig gewesen, sagt Dana Zátopková. Doch weil sein Vater wegen seiner kritischen politischen Meinung im Gefängnis saß, war auch Jungwirths Kaderakte nicht mehr blütenweiß. Daher hieß es schon im Vorfeld der Spiele, dass Jungwirth nicht nominiert würde. Das habe Emil dann veranlasst, zu sagen: „Wenn er nicht fährt, dann fahre ich auch nicht!“ Und so sei es zunächst auch gekommen, schildert Zátopková:
„Als wir dann am frühen Morgen vom Prager Flughafen nach Helsinki fliegen sollten, stellte Emil sehr schnell fest, dass Standa nicht im Flugzeug saß. Daraufhin machte Emil seine vorherige Drohung wahr: Das Flugzeug hob ab, aber Emil blieb in Prag.“
Die Stimmung im tschechischen Olympiateam sei daraufhin sehr bedrückt gewesen. Jeder glaubte, dass Emil über 10.000 Meter gewinnen würde. Das aber wurde schließlich auch den verbissenen Sportfunktionären bewusst, die Jungwirth die Olympiateilnahme zunächst verweigert hatten, ergänzt Zátopková:
„Letztlich ist das Ganze noch gut ausgegangen. Emil blieb hart, kurze Zeit später aber bestellte man ihn ins Ministerium. Mit saurer Miene händigten ihm dann die Funktionäre die Flugtickets für ihn und Standa aus, so dass sie beide drei Tage nach uns in Helsinki eintrafen.“
Dana Zátopková ist froh, dass solche Spielchen, wie sie die Kommunisten mit andersdenkenden Sportlern immer wieder durchführten, heute bereits Vergangenheit sind. Zudem freut es sie, dass Tschechien derzeit Athleten hat, die in ihrer Disziplin, dem Speerwerfen, in London große Medaillenchancen haben. Die Rede ist von Weltrekordlerin Barbora Špotáková, die vor vier Jahren in Peking schon Olympiasiegerin wurde, und von Vítězslav Veselý, dem Führenden der diesjährigen Weltjahresbestenliste bei den Männern. Ganz klar, dass die Altmeisterin die Wettkämpfe ihrer Nachfolger in London vorm Fernsehschirm verfolgen wird:
„Was Barbora betrifft, so glaube ich an ihre Medaillenchance. Ich drücke ihr ganz fest die Daumen, dass es die Goldmedaille wird. Und auch bei Vítězslav Veselý werde ich gespannt zuschauen, zumal er wie ich auch aus Südmähren stammt. Er ist noch jung, deshalb spreche ich bei ihm nicht von einer Medaille, aber ich wünsche ihm natürlich eine vordere Platzierung.“