Das Attentat auf Reinhard Heydrich und seine Folgen

Reinhard Heydrich

Vor fast genau 65 Jahren, am 27. Mai 1942, verübten die beiden Fallschirmspringer Josef Gabcik und Jan Kubis ihr Attentat auf Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes und stellvertretender Reichsprotektor im Protektorat Böhmen und Mähren. Heydrich, der häufig als Henker von Prag bezeichnet wurde, starb einige Tage später. Das Attentat auf Heydrich war das einzige erfolgreiche Attentat auf einen hohen NS-Funktionär in Europa.

Reinhard Heydrich  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 146-1969-054-16 / Hoffmann,  Heinrich / CC-BY-SA / Wikimedia Commons 3.0)
Am Morgen des 27. Mai 1942 verstecken sich Josef Gabcik und Jan Kubis in der Nähe einer Straßenbahnhaltestelle im Prager Vorort Liben. An dieser Stelle bildet die Strasse eine enge abschüssige Kurve. Etwas weiter oben steht Josef Valcik mit einem Taschenspiegel, mit dem er ein Zeichen geben soll, wenn sich das Auto nähert, auf das alle drei warten. In dem Auto, ein offener Mercedes 320 C mit dem Kennzeichen SS-3 sitzt Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und seit September 1941 stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Josef Gabcik und Jan Kubis waren im Dezember 1941 im Auftrag der tschechoslowakischen Exilregierung in England mit Fallschirmen über Böhmen abgesprungen. Monatelang hatten sie sich auf die Aktion mit dem Decknamen "Antropoid" vorbereitet. Dahinter verbarg sich der Plan für ein Attentat auf Reinhard Heydrich, den sogenannten Henker von Prag. Gabcik und Kubis stehen also in der Kurve, ausgestattet mit einer zusammenlegbaren Maschinenpistole (Sten Gun) und einer Handgranate. Heydrichs Wagen, in dem sonst nur noch sein Fahrer Johannes Klein sitzt, fährt langsam durch die Haarnadelkurve.

Reinhard Heydrich in Prag
"Einer der Attentäter, Josef Gabcik, hatte die Sten Gun unter seinem Mantel versteckt. Gabcik ging nun zur Kurvenbiegung. Dort wollte er schießen, als sich das Auto näherte. Nach den späteren Berichten der Gestapo betrug die Entfernung zwischen Gabcik und Heydrich nur anderthalb Meter. Aus irgendeinem Grund funktionierte die Maschinenpistole nicht. Über die Gründe können wir nur mutmaßen. Sehr wahrscheinlich war es ein technisches Problem",

so der Forscher und Historiker Jaroslav Cvancara. Josef Gabcik steht nun mit der blockierten Sten-Gun in der Hand vor dem vorbeifahrenden Wagen Heydrichs. Jaroslav Cvancara:

"Heydrichs Fahrer Klein schrie: Achtung, ein Attentäter und Heydrich befahl: Anhalten. Das war der Schlüsselmoment. Klein hätte nicht auf seinen Chef hören dürfen und Gas geben müssen. Aber sie hatten den zweiten Mann, Jan Kubis, nicht gesehen. Das Auto bremste und Heydrich griff zu seiner Pistole. In diesem Moment gab es eine Explosion."

Kubis hatte seine Handgranate geworfen. Diese traf zwar nur das rechte Hinterrad, aber Splitter der Karosserie und der Rosshaarpolsterung der Rückenlehne verletzten Heydrich und verursachten innere Verletzungen. Die Scheiben einer vorbeifahrenden Straßenbahn gingen zu Bruch und auch Kubis wurde durch herumfliegende Splitter verletzt. Heydrich versuchte noch, auf die fliehenden Attentäter zu schießen, doch auch aus seiner Waffe löste sich kein Schuss. Wahrscheinlich war die Waffe nicht geladen. Heydrichs Fahrer Klein verfolgte die Attentäter. Aber auch seine Pistole funktionierte nicht. Nachdem Gabcik ihn ins Bein geschossen hatte, gab Klein auf. Die beiden Attentäter konnten fliehen. Heydrich wurde von tschechischen Polizisten gefunden, auf einen Lastwagen gepackt und ins Krankenhaus gebracht.

Die NS-Führung leitete unmittelbar nach dem Attentat die Suche nach den Tätern ein und verhängte das Standrecht im ganzen Protektorat.

Lubos Ogoun hatte an dem Tag des Attentats sein Abitur gemacht. Er erinnert sich:

"Ich kam glücklich aus dem Schulgebäude. Dann hörte ich aus den Lautsprechern von dem Attentat und der Verhängung des Standrechts. Auch eine Beschreibung der Attentäter wurde durchgegeben."

Heydrich wurde ins Krankenhaus Na Bulovce gebracht. Dr. Alois Honek:

Heydrichs Beerdigung
"Wir haben gerade operiert, als ein Angestellter hereinkam und sagte: Hey Jungs, Heydrich ist gerade in der Ambulanz eingeliefert worden. Nach der Operation gingen wir mit ein paar Kollegen in meine Wohnung und debattierten über die Ereignisse. Wir haben das Attentat schon begrüßt. Ich wurde kurz darauf gerufen, um Heydrich für die Operation eine Narkose zu geben. Das konnte ich nicht ablehnen. Ein Arzt ist ein Arzt und ich musste meine Pflicht tun."

Heydrich hatte eine zertrümmerte Rippe und Verletzungen an Zwerchfell und Milz. Nach der Operation besserte sich sein Zustand zunächst. Im Verlauf der folgenden Tage kam es aber zu einer Entzündung im Bauchraum, ausgelöst durch verschmutze Teile der Wagenpolsterung in den Wunden, er fiel ins Koma und starb am 4 Juni 1942. Das Attentat hatte die NS-Führung schwer getroffen. Noch nie war bis dahin ein erfolgreiches Attentat auf einen hohen NS-Funktionär verübt worden.

Nach dem Tod Heydrichs war die tschechische Bevölkerung brutalen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt. Diese Zeit wurde später von den Tschechen als Heydrichiade bezeichnet. Die Suche nach den Attentätern verlief zunächst nicht erfolgreich. Die Nazis erhöhten den Druck, um die Bevölkerung einzuschüchtern und Informationen über das Versteck von Gabcik und Kubis zu erhalten. Auf das "Gutheißen des Attentats" stand die Todesstrafe. Es wurden über 3000 Menschen verhaftet, mehr als 1300 wurden hingerichtet. Die Namen der Hingerichteten wurden täglich in den Zeitungen bekannt gegeben und im Radio verlesen.

Die tschechische Protektoratsregierung, die von Hitlers und Heydrichs Gnaden abhängig war, unterstützte die deutschen Behörden. Der Minister für Schulwesen und Volksaufklärung, Emanuel Moravec, verurteilte im Radio das Attentat:

Jan Kubis  (links) und Josef Gabcik
"Tschechisches Volk. Wozu ist die Arbeit der ehrlichen Tschechen gut, wenn eine Bande von Verbrechern und Wahnsinnigen alles was im Schweiß geschaffen wurde in Trümmer schlägt? Die dreijährige Erfahrung hat uns gezeigt, dass mit dem zuverlässigen Großdeutschen Reich jeder treue Tscheche die gleichen verantwortlichen und wichtigen Funktionen erreichen kann, wie ein Deutscher."

Heydrichs Leiche wurde am 7. Juni 1942 im Ehrenhof der Prager Burg aufgebahrt. Es folgte ein Trauerzug mit dem Sarg von der Burg zur Moldau, über die Karlsbrücke, durch die Altstadt, über den Wenzelsplatz bis zum Hauptbahnhof. Von dort setzte sich ein Sonderzug mit Heydrichs Sarg nach Berlin in Bewegung. Im Mosaiksaal von Hitlers Reichskanzlei fand ein pompöser Staatsakt statt. Es war die größte Todesfeier des Dritten Reiches.

Kirche des hl. Cyrill und Methodius
Der Terror der Heydrichiade ging weiter. Am 10. Juni wurde das Dorf Lidice in der Nähe von Prag dem Erdboden gleichgemacht. Alle männlichen Einwohner über 16 wurden erschossen, die Frauen in Konzentrationslager gebracht, die Kinder verschleppt. Die meisten wurden in den Gaskammern von Chelmo ermordet.

Die drei Attentäter Kubis, Gabcik und Valcik wurden später von einem Militärkameraden, Karel Curda, verraten. Die drei versteckten sich mit vier weiteren Fallschirmjägern in der Karl-Borromäus Kirche, die heute den Namen Cyrill und Methodius trägt und sich in der Nähe des Karlsplatzes in Prag befindet. Am 18. Juni wurde die Kirche von Gestapo und SS-Männern umstellt. Nach Feuergefechten im Inneren der Kirche und nachdem die SS versucht hatte, die Männer mit Tränengas zum Aufgeben zu zwingen beziehungsweise sie durch das Einleiten von Wasser zu ersäufen, sprengten die Belagerer den Weg zur Krypta auf. Als sie dort eindrangen, hatten sich die Eingeschlossenen bereits selber Kugeln durch den Kopf gejagt.

In einer deutschsprachigen Rundfunksendung des tschechoslowakischen Exils wurde an Heydrichs Todestag, dem 4. Juni 1942, um 18 Uhr folgendes gemeldet: "Heydrich trug mehr als irgendein anderer die persönliche Verantwortung für die Schreckensherrschaft im unterdrückten Europa. Nun hat ihn die gerechte Strafe für seine bestialischen Grausamkeiten ereilt."

Den zweiten Teil, in dem es um die Folgen des Attentates geht, hören Sie am 2. Juni