Das Justizministerium glaubt: Die Pfändung von Sozialhilfe ist rechtens

Sie ist weiter heftig umstritten: Die Art und Weise wie das nordwestböhmische Chomutov Schulden eintreibt. Ein Großteil der Schuldner bezieht Sozialhilfe. Es geht vor allem um Mietzahlungen. Seit Mitte Februar wird ein Großteil der Zuwendung direkt bei der Auszahlung gepfändet. Bis ins Regierungskabinett setzte sich der Streit fort, ob die Praxis rechtens ist oder nicht. Nun gab das tschechische Justizministerium eine Stellungnahme ab.

Ivana Řápková  (Foto: ČTK)
Die Pfändung von Sozialhilfe stelle keinen Gesetzesverstoß dar, so hieß es am Dienstag aus dem tschechischen Justizministerium. Die Stadt Chomutov habe sich eine der möglichen Gesetzesauslegungen zu nutze gemacht, und es gebe keinen Grund die Praxis zu ahnden, fügte die Sprecherin des Ministerium Veronika Ludvíková hinzu. Das klang wie Musik in den Ohren von Ivana Řápková, der Bürgermeisterin von Chomutov:

„Endlich hat die Vernunft gesiegt. Ich bin sehr froh, dass das Justizministerium am Vorgehen des Gerichtsvollziehers keinen Fehler vorgefunden hat.“

Dennoch bleiben Zweifel. In der tschechischen Strafprozessordnung steht nämlich geschrieben, dass Mittel der Sozialfürsorge unantastbar sind und nicht gepfändet werden können. Auch Michael Kocáb, der Minister für Minderheiten und Menschenrechte, hat wiederholt erklärt, er halte die Pfändung von Sozialhilfe für unethisch. Sein Ministerium will nun eine eigene Analyse der rechtlichen Situation ausarbeiten lassen. Dann werde entschieden, ob man gerichtlich gegen diese Praxis vorgehe, so die Sprecherin des Ministeriums, Leila Abbasová.

Die konservative Bürgermeisterin Řápková sieht dem gelassen entgegen:

„Auch wir haben natürlich mögliche Rechtsauslegungen zur Hand und sind der Meinung, dass wir vollständig im Einklang mit dem Gesetz vorgehen.“

Im Rathaus von Chomutov geht man von folgender Theorie aus: Sozialhilfe ist in dem Augenblick, in dem sie an den Empfänger ausgezahlt ist, zu einem gewöhnlichen Bargeldbetrag geworden. Diesen könne man selbstverständlich pfänden.

Bürgermeisterin Řápková ist der Diskussion überdrüssig und feuerte zurück: Das Ministerium für Minderheiten und Menschenrechte möge gefälligst bis Ende März eine sinnvolle Lösung des Schuldenproblems von Chomutov vorlegen. Andernfalls sollte das Ressort abgeschafft werden.

Der Haushalt von Chomutov beträgt etwa 36 Millionen Euro. Ein Viertel davon sind ausstehende Schulden. Die Stadt wartet also auf rund neun Millionen Euro. Ähnliche Probleme ihr Geld von mittellosen Bürgern wiederzubekommen, haben auch noch andere Städte. So kündigte am Freitag das sozialdemokratisch geführte Litvínov an, ab Juni ebenfalls zur umstrittenen Pfändung von Sozialhilfegeldern überzugehen. Auch Ústí nad Labem, Most und Kadaň wollen nachziehen. All diese Städte liegen, wie Chomutov, in der strukturschwachen Region Nordwestböhmen.