Höhere Sozialleistungen, aber keine kostenlosen Unterkünfte mehr: Neue Bedingungen für Geflüchtete
Geflüchtete, die nach Tschechien kommen, haben seit dem gestrigen Donnerstag Anrecht auf höhere Hilfszahlungen. Schutzsuchenden soll ab September aber keine kostenlose Unterkunft mehr gestellt werden. Von NGOs gibt es Kritik an den Änderungen.
Rund 362.000 Menschen mit vorübergehendem Schutzstatus hat das tschechische Innenministerium Anfang Juli im Land gezählt. Dies sind jene Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen sind. 97.000 Personen von ihnen, so die Statistik des Ministeriums, beziehen staatliche Hilfszahlungen. Seit Donnerstag wird ihnen nun mehr Geld ausgezahlt. Ab September werden sie aber kein Anrecht mehr auf eine kostenlose Notunterkunft haben. Denn die soll ab dann ausschließlich Neuankömmlingen gestellten werden, und das nur für drei Monate.
„Durch die Erhöhung der Leistungen wollen wir den Flüchtlingen ermöglichen, sich nach dem Ende der Unterstützung für die Notunterkünfte eine Wohnung auf dem normalen, offenen Wohnungsmarkt leisten zu können“, erklärt Jakub Augusta, Sprecher des Arbeits- und Sozialministeriums in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
Bis zu 1600 Kronen (63 Euro) werden nun pro Person monatlich zusätzlich ausgezahlt. Die genaue Höhe der Hilfsleistung hängt von der jeweiligen Personengruppe ab: Besonders Schutzbedürftige, wie Kinder, Schwangere, Senioren oder Menschen mit Behinderungen, erhalten nun insgesamt 6000 Kronen (240 Euro) monatlich, alle anderen 4000 Kronen (160 Euro).
Doch diese Summen würden nicht ausreichen, sagt Andrea Krchová. Sie leitet das Konsortium von NGOs, die mit Geflüchteten arbeiten (Konsorcium nevládních organizací pracujících s migranty):
„Ziel der Änderung ist es, dass die Menschen die Billigwohnheime verlassen und sich eine Wohnung suchen. Für die neue Höhe der humanitären Sozialleistung wurde aber mit viel zu geringen Wohnkosten gerechnet. In Prag zahlt man für eine simpelste Unterkunft 7000 bis 9000 Kronen. Wenn sie diese Summe bezahlen, bleibt den Leuten noch nicht einmal Geld in Höhe des Lebensminimums übrig.“
Dieses sogenannte Lebensminimum, von dem in Tschechien etwa die Zahlung von Hilfsleistungen abhängt, wird vom Staat derzeit auf 4860 Kronen (190 Euro) beziffert.
Krchová zufolge gibt es um die 10.000 Geflüchtete, die weiterhin eine kostenlose Unterkunft benötigen würden:
„Zu ihnen gehören auch Menschen aus gefährdeten Gruppen, die bisher keine Wohnung finden konnten – weil sie auf dem Markt benachteiligt sind oder in einer Gegend leben, in der es bereits viele Geflüchtete gibt, sodass kein freier Wohnraum mehr vorhanden ist.“
In einigen Dutzend Fällen werde es wohl passieren, dass jemand durch die Änderungen bei den Hilfen nun gar kein Geld mehr für Wohnraum haben wird, meint Krchová. Im schlimmsten Fall drohe dann die Obdachlosigkeit. Kritiker der neuen Regelung warnen zudem vor einer möglichen Zunahme von Schwarzarbeit und Ausbeutung. Außerdem könnten sich Menschen gedrängt fühlen, verfrüht in die Ukraine zurückzukehren.
Laut der Leiterin des NGO-Verbandes wird für die meisten aber die spürbarste Folge sein, dass sie Probleme bekommen, sich Lebensmittel, Kleidung oder Medikamente zu leisten. Krchová betont jedoch auch, dass der Großteil der Menschen aus der Ukraine nicht auf die Förderung vom Staat angewiesen sei:
„Sie zahlen in die Staatskasse ein. Wie das Arbeits- und Sozialministerium jüngst vorgestellt hat, kommen von den Ukrainern fast schon Milliarden an Abgaben zusammen. Unter den Geflüchteten gibt es also Menschen, die es geschafft haben, sich eigenständig einzubringen. Aber wie in der sonstigen Bevölkerung auch gibt es eben Leute, die zusätzliche Hilfe benötigen: Menschen im Rentenalter, Mütter mit Kindern oder Menschen mit einer Behinderung.“
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