Das Prag der Kindheit: Peter Härtling zu Gast im Prager Literaturhaus
Das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren hat in Kooperation mit dem Hessischen Literaturrat zum zweiten Mal sein Residenzstipendium vergeben. Nach dem Aufenthalt der jungen tschechischen Schriftstellerin Radka Denemarková in Wiesbaden im vergangenen Herbst ist nun der deutsche Gegenbesuch in Prag eingetroffen.
Zu Gast in Prag ist Peter Härtling, einer der renommiertesten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur und einer der wenigen, der es versteht, für Kinder wie auch für Erwachsene zu schreiben. Mit dem Geburtsjahrgang 1933 erfüllt Härtling nicht mehr die klassische Vorstellung von einem Stipendiaten, wie kaum ein anderer Autor steht er aber mit seiner Biografie und seinen Büchern für die enge Verbindung zwischen dem deutschen Raum und den böhmischen Ländern. Aufgewachsen ist Härtling in nämlich unter anderem Olmütz und Brünn – die zwei Wochen in Tschechien sind damit auch eine Rückkehr an Jugendorte.
„Ich wurde eingeladen von Hartmut Holzapfel vom Hessischen Literaturrat mit dem schönen Satz ´Wollen Sie Gast des Literaturhauses in Prag sein?´ Und ich sagte: Ja, das interessiert mich, da noch einmal wieder hinzukommen. Und so war ich auf einmal Stipendiat, auch wenn ich diese Bezeichnung von Anfang an abgelehnt habe, denn ich möchte damit keinen jungen Kolleginnen und Kollegen einen Platz wegnehmen. Ich sehe mich als arbeitsamen Gast.“
Arbeit steckt in der Tat in dem straffen Programm des Aufenthaltes. Neben Lesungen stehen für Peter Härtling zahlreiche Begegnungen und Gespräche auf dem Plan – mit Schülern und Studenten genauso wie mit den Kindern des tschechischen-deutschen Kindergartens. Dokumentiert und reflektiert wird all das in einem Tagebuch, das parallel entsteht – nachzuverfolgen auf den Internetseiten des Prager Literaturhauses. Bleibt daneben noch Platz zum Schreiben?
„Nein, das ist absolut unmöglich. Ich schreibe das Tagebuch, und darüber hinaus spannt mich das Programm ein – so wie ich zu Hause Papier in die Schreibmaschine spanne. Hier in Prag da weiter zu schreiben, wo ich zu Hause aufgehört habe, das kann ich nicht.“
Die Führungen und Spaziergänge durch die Stadt bieten für Peter Härtling immerhin Gelegenheit, sich Erinnerungen hinzugeben – Erinnerungen, aus denen vielleicht später einmal eine Erzählung wird, Erinnerungen an das vergangene, an das eigene Prag:
„Das ist das Prag der Kindheit. Wenn wir – meine Eltern, meine kleine Schwester und ich – aus Dresden nach Brünn fuhren, zu unseren Verwandten, und vor allem auch zu unseren tschechischen Verwandten, dann fuhren wir immer über Prag. Und für mich war das beinahe eine Traumreise. In Prag bin ich dann mitunter mit meinem Vater spazieren gegangen, Da war die Stadt im übrigen viel grauer, als sie heute ist. Heute hat sie etwas Museal-frisches – wenn ´museal´ etwas Frisches sein kann…“