Kafka, Kundera und Biergläser: Autorin Mössmer zu Gast beim Prager Literaturhaus
Margit Mössmer war in den letzten vier Wochen Stipendiatin des Prager Literaturhauses. Die österreichische Autorin hatte dabei ihren aktuellen Roman im Gepäck. Im Folgenden ein Interview mit Mössmer über ihr neues Buch, Kafka, Kundera, Prag und tschechische Biergläser.
An diesem Abend ist die österreichische Autorin Margit Mössmer im Prager Literaturhaus zu Gast. Sie ist die aktuelle Stipendiatin und liest aus ihrem zweiten Buch „Palmherzen“. Tschechischsprachige Gäste halten eine übersetzte Version der gelesenen Passagen in ihren Händen. Auch die Gespräche mit der Autorin werden gedolmetscht.
Der Roman „Palmherzen“ ist vergangenes Jahr erschienen. Nach „Die Sprachlosigkeit der Fische“ (2015) ist er das zweite Buch von Margit Mössmer. Die Autorin wurde 1982 in Hollabrunn geboren und lebt heute in Wien.
„Es ist eine Art Familienroman, wenn man so möchte. Er spielt in Ecuador, und der Begriff Familie ist sehr weit gefasst. Es geht nicht nur um die engste Familie, sondern auch um Angestellte und Arbeiter rund um die Figur des Protagonisten Jorge Oswaldo Muñoz. Er ist ein Palmenplantagenbesitzer und Arzt. In dem Buch versuche ich, ein Gesellschaftsbild von Ecuador zu kreieren. Man könnte es auch als alternativen Reiseführer lesen, wenn man etwas über das Land erfahren möchte. Es geht aber auch um die Innenwelten der Figuren und die Unterschiede zwischen Reich und Arm“, erzählt Mössmer.
Der Protagonist des Romans ist übrigens nicht fiktiv. Mössmer hat ihn auf ihren Reisen nach Ecuador kennengelernt:
„Die Figur ist ein Held im Buch, aber auch ein Held für mich. Es gibt ihn im realen Leben nämlich wirklich. Ich habe Jorge Oswaldo Muñoz kennengelernt und mich viel mit ihm ausgetauscht. So habe ich einiges von seinem Leben erfahren. Er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler und hat mir auch erlaubt, seine Anekdoten literarisch zu verwenden.“
Kundera als Erweckungsmoment
Margit Mössmer verbringt einen Monat in der Goldenen Stadt. Und tatsächlich ist sie in Prag ganz richtig. Denn ein tschechischer Autor war ein wichtiger Anstoß für sie, mit dem Schreiben zu beginnen.
„Es ist so, dass einer der ersten Erweckungsmomente als Teenager bei mir Milan Kundera war. Ich weiß nicht, was in mir passiert ist, aber ‚Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins‘ zu lesen hat etwas tief in mir erschüttert. Ich habe damals in der Schule ein Referat gehalten, und irgendwie wusste ich da: Ich will auch mal mit Sprache arbeiten.“
Eine gute Freundin mit tschechischen Wurzeln, die Mössmer noch aus der Schulzeit kennt, verband sie erstmals mit dem Land. Aufgewachsen im nördlichen Niederösterreich, war Tschechien nie fern, und sogar in der eigenen Familiengeschichte gibt es einen Bezug.
„Mein Großvater, den ich allerdings kaum kennengelernt habe, hatte zwei Brauereien in Tschechien. Es gibt also eine familiäre Verbindung. Dazu kommt: Ich bin im Weinviertel aufgewachsen, im nördlichen Niederösterreich. Da ist Tschechien ja ein Katzensprung.“
Das Stipendium des Prager Literaturhauses gibt es seit 2007. Mit dem Literaturhaus soll das Erbe der deutschsprachigen Literatur in Prag erhalten und weitergeführt werden. Barbora Šrámková ist im Literaturhaus zuständig für das Programm und die Bibliothek:
„Das Literaturhaus soll kein Museum, sondern lebendig sein. Es soll die Tradition der deutschsprachigen Literatur in Prag, die es bis zum Zweiten Weltkrieg gab, wieder lebendig machen. Die Gründerin Lenka Reinerová hat sich gewünscht, dass das Literaturhaus ein Treffpunkt von tschechischen und deutschsprachigen Schriftstellern ist.“
In Vorbereitung auf ihr Stipendium hat sich Mössmer, ganz in diesem Sinne, auch noch etwas mehr mit dem wohl bekanntesten deutschsprachigen Autor in Prag auseinandergesetzt: Franz Kafka.
„Klar ist natürlich, dass Kafka für fast jeden – ob er jetzt schreibt oder nicht – eine bedeutende Figur ist. Für Autoren vielleicht sogar noch mehr. Ich habe mich eingehend mit seinen Tagebüchern beschäftigt, bevor ich hergefahren bin. Es macht natürlich Spaß, wenn man liest, wo Kafka gerade im Kino war oder welche Straßen er entlanggegangen ist. Dann kann man sozusagen auf seinen Spuren wandeln.“
Unglaublicher Blick aus dem Fenster
Mössmer verbringt ihre Tage in Prag entweder damit, die Stadt kennenzulernen – oder zu schreiben:
„Erster Lieblingsplatz ist natürlich meine grandiose Wohnung im vierten Stock mit einem unglaublichen Blick auf die Moldau und die Stadt. Mit den hohen Decken erscheinen einem die 140 Stufen hinauf aber eher wie ein fünfter Stock.“
Dass Mössmer gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie einen Monat in Prag verbringt, versucht sie positiv zu sehen…
„Die Tschechen und Tschechinnen selbst bleiben eher in der Stadt, anstatt ins Ausland in den Urlaub zu fahren. Das ist, wenn man so möchte, ein kleiner Bonus für mich, weil ich eine authentische Kulisse bekomme. Vielleicht authentischer als sonst.“
Ein ungewöhnliches Vorhaben hat die österreichische Autorin in Prag übrigens noch:
„Ich liebe tschechische Gläser, diese dickwandigen schweren Gläser. Das sind ja richtige Spezialisten hier. Ich brauche unbedingt noch zwei kleine Biergläser von Pilsner Urquell. Ich weiß nur noch nicht, ob ich sie irgendwo kaufen kann oder doch stehlen muss.“
Das übliche Getränk am Ende der Lesung Prager Literaturhaus gab es dieses Mal coronabedingt leider nicht. Mössmer erzählt aber noch, was sie bei ihrem Aufenthalt wirklich überrascht hat. Nämlich, dass die Karlsbrücke morgens um sieben Uhr tatsächlich noch fast menschenleer war. Das erlebt man wirklich nicht alle Tage.
Die Lesung mit Margit Mössmer fand in Kooperation mit dem Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich und dem Österreichischen Kulturforum Prag statt. Einen Autorenblog der Stipendiaten des Prager Literaturhauses und weitere Informationen zu Veranstaltungen finden Sie auf der Website www.prager-literaturhaus.com.