Das tschechische Hochschulwesen
Das tschechische Hochschulwesen steckt tief in der Krise. Neben den umstrittenen Aufnahmeprüfungen an den hiesigen Universitäten und der zunehmenden Abwanderung des jungen Lehrkörpers in die Wirtschaft geraten jetzt auch die massiven finanziellen Probleme der Hochschulen in die Diskussion. Wie die Tageszeitung "Mlada fronta dnes" in ihrer Ausgabe vom 1. August schreibt, werde das Schulministerium das Budget für die Hochschulen im kommenden Jahr nun doch nicht um 2 Milliarden Kronen (rund 114 Mio DM) erhöhen, wie noch im Juni versprochen. Für die Hochschulen wäre dies gleich bedeutend mit einer Zwickmühle: Sie haben bereits mit den zusätzlichen Finanzen gerechnet und für das bevorstehende neue akademische Jahr z.T. deutlich mehr Studienanfänger zugelassen als im Vorjahr. Wo der Staat nicht in der Lage oder willens ist, für eine gute Ausbildung seiner Bürger Sorge zu tragen, treten in anderen Ländern private Institutionen, Stiftungen bzw. Sponsoren auf den Plan. Klassisches Beispiel: die Vereinigten Staaten mit ihrem Netz privater Universitäten und Stiftungen, die den Studierenden beim Begleichen der Rechnungen für die bezahlte Ausbildung unter die Arme greifen. Das private Hochschulwesen steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Grund genug, ihm im heutigen Themenkaleidoskop ein wenig auf den Grund zu gehen. Am Mikrophon begrüßen Sie Rudi Herrmann und Silja Schultheis.
Seit Januar 1999 ermöglicht das tschechische Hochschulgesetz die Akkreditierung privater Hochschulen durch das Schulministerium. Folgendes procedere ist dafür vorgesehen: die Hochschule stellt einen Antrag auf Anerkennung, der von einer sog. Akkreditierungskomission sowie vom Schulministerium sowohl auf die inhaltliche Ausrichtung des angebotenen Studienmodells als auch auf seine praktische Realisierbarkeit geprüft wird. Seit Anfang 1999 sind beim Schulministerium insgesamt 54 Anträge privater Hochschulen eingegangen, ein Drittel von ihnen bereits zweimal. Bewilligt wurden bislang 18 Anträge, das heißt es gibt derzeit 18 staatlich anerkannte private Hochschulen in der Tschechischen Republik, 11 davon in Prag. Es handelt sich dabei ausschließlich um Hochschulen des nicht-universitären Typs, die eher praxis- als wissenschaftsorientiert sind und ein dreijähriges Bachalar-Studium anbieten. Den Praxisbezug lassen bereits die Namen vermuten: Hotelhochschule, Hochschule für Reiseverkehr, Hotel- und Bäderwesen, Hochschule für öffentliche Verwaltung und internationale Beziehungen, Unternehmenshochschule - so einige Titel der bislang vom Staat akkreditierten 18 privaten Hochschulen. Ihre inhaltliche Ausrichtung bring Vaclav Vins, Leiter der Abteilung für Hochschulbildung im Schulministerium und Sekretär der Akkreditierungskommission für private Hochschulen, auf einen Nenner:
"Diese Studienprogramme neigen bislang vor allem vor zu den ökonomischen Bereichen. Obwohl in letzter Zeit auch die öffentliche Verwaltung immer populärer wird, d.h. die Hochschulen wollen Beamte für die staatliche Verwaltung oder für die Europäische Union ausbilden wollen."
Wie er sich die künftige Entwicklung der privaten Hochschulen wünscht und welche inhaltlichen Kriterien private Hochschulen im Vergleich zu den staatlichen erfüllen sollten, um Chancen auf Anerkennung durch das Schulministerium zu haben, dazu noch einmal Vaclav Vins:
"Es sollte nach einer gewissen Zeit ein Moment eintreten, wo weitere Anträge vor allem in Studienprogrammen und -bereichen gestellt werden, die die staatlichen Hochschulen nicht abdecken. Damit sich das Angebot erweitert und es sich nicht nur um eine Kopie der bestehenden staatlichen Hochschulen handelt."
Beispiel für die unmittelbare Orientierung einer privaten Hochschule an einem ganz konkreten Unternehmen ist die Hochschule Skoda Auto in Mlada Boleslav, die im April vergangenen Jahres vom Staat akkreditiert wurde. Worin das Ziel der dortigen Ausbildung besteht, beschreibt eine Alena Chromcova, Prorektorin für Lehre und Forschung an der Hochschule Skoda Auto:
"Das Studium ist berufsorientiert und ist natürlich auf die Bedürfnisse der Firma Skoda-Auto ausgerichtet. Die Firma gibt uns ihre Anforderungen und da wir wirken innerhalb der Firma, ihrer Organisationsstrukturen und direkt auf ihrem Areal wirken, geht das sehr einfach. Wir haben einen sehr engen Bezug zur Praxis."
Eine ganz andere Zielsetzung als die Hochschule Skoda Auto verfolgt eine der beiden jüngsten privaten Hochschulen Tschechiens - das Anglo-amerikanische Institut für liberale Studien in Prag. Wie dessen Direktor für studentische Angelegenheiten, Philipp Gray, mir erklärte, lege das Institut wert auf eine "breitere Ausbildung", die nicht nur an "business" orientiert ist. Sozial- und geisteswissenschaftliche Kurse sind daher ebenso integraler Bestandteil des Studiums und verpflichtend für alle Studenten wie Veranstaltungen in Wirtschaft und Recht. Gegründet wurde das Anglo-amerikanische Institut bereits 1990, die Akkreditierung durch das tschechische Schulministerium erfolgte Ende Juni dieses Jahres. Warum die Anerkennung durch den tschechischen Staat wichtig war, erklärte mir Phillip Gray:
"Wir wollen eine tschechische Institution sein. Auch wenn wir eine Ausbildung westlichen Typs anbieten, wollen wir ein tschechische Institution sein - und kein englisches oder amerikanisches College, das nach Prag kommt und eine westliche Ausbildung anbietet."
Ein entscheidender Unterschied zwischen staatlichen und privaten Hochschulen ist zweifelsohne die zu Beginn erwähnte Finanznot der staatlichen Universitäten auf der einen und die finanzielle Unabhängigkeit der privaten Hochschulen. Letztere geht freilich zum Teil auf Kosten der Studenten, denn für die Ausbildung an einer privaten Hochschule sind Studiengebühren zu entrichten. Diese allein würden die Existenz der privaten Hochschulen jedoch nicht gewährleisten. Im Falle der Hochschule Skoda-Auto ist klar, wo die finanzielle Unterstützung herkommt - der Autokonzern selbst finanziert seinen eigenen Nachwuchs. Und wie trägt sich das Anglo-amerikanische Institut? Phillip Gray hierzu:
"Wir hatten im Laufe der Jahre verschiedene Sponsoren - von Coca Cola bis zur Citibank, es war eine ziemlich große Bandbreite an Förderern. In Zukunft hoffen wir, mehr tschechische Firmen zu gewinnen - besonders jetzt, wo wir vom Schulministerium akkreditiert sind. Dadurch könnte das Interesse von tschechischen Unternehmen geweckt werden, die möglicherweise ihre künftigen Angestellten zu uns in die Ausbildung schicken."
Auch was die Zusammensetzung der ca. 300 Studenten am Anglo-amerikanischen Institut anbelangt, erhofft sich Phillip Gray künftig eine stärkere Orientierung auf tschechische "Klienten". Denn die Akkreditierung als tschechische Institution bringt auch steuerliche Vergünstigungen für die Studenten mit sich, so dass die Studiengebühren kein so großes Hindernis mehr zu sein brauchen wie zuvor. 60-70 % der Studenten des Anglo-amerikanischen Instituts verlassen sich bei der Finanzierung ihrer Ausbildung vollkommen auf ihre Eltern.
Schulminister Eduard Zeman hatte den Begriff der Elitebildung vergangenen Sommer negativ in die Diskussion gebracht, als er die Abschaffung der sog. mehrjährigen Gymnasien forderte, weil diese zu elitär seien. Ich fragte Phillip Gray, ob er meine, dass das Anglo-amerikanische Institut und private Hochschulen allgemein zur Elitebildung innerhalb der Gesellschaft beitrügen.
"Es gibt einige Aspekte, unter denen man das Wort Elitebildung' verstehen kann. In dem Sinne, dass wir exzellente Hochschulabsolventen produzieren, würde ich sagen: ich hoffe, dass wir dies tun. Aber Elitebildung als Form irgendeiner Art von Separation, das hoffe ich nicht. Wir bieten Stipendien an, um Studenten zu helfen, ihre Ausbildung zu finanzieren. Es handelt sich dabei nicht um eine vollständige Finanzierung, aber eine Unterstützung. Außerdem haben wir vier spezielle Stipendien für Roma-Studenten und Studenten aus Flüchtlingsländern. Wir bieten also nicht nur denen ein Studium an, die es sich leisten können, sondern unsere Studenten kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten."