Dauerhafte Hauptstadtattraktion: Prager Zoo 90 Jahre alt

Prag hat unzählige Sehenswürdigkeiten, für deren Besichtigung man gleich mehrere Tage einplanen sollte. Zu den besonderen Stätten gehört auch eine Attraktion für Jung und Alt, die im Stadtteil Troja am rechten Moldauufer angesiedelt ist. Es ist der Zoologische Garten, der vor genau 90 Jahren gegründet wurde.

Es begann mit einer Baustelle und 30 Tierarten

Haupteingang | Foto:  Prager Zoo

Das Trompeten der Elefanten, das Kreischen von Affen oder das Geheule der Kojoten – dies kann man in dieser Größenordnung nur in der freien Wildbahn erleben. Doch in einer kleineren Dosis lassen sich diese Geräusche auch unweit der eigenen Haustür vernehmen: In einem Tierpark, von denen es weltweit mittlerweile mehrere Hundert gibt. Im Prager Zoo erfreuen sich die Besucher schon seit 90 Jahren an der Vielfalt unserer Fauna und der Sprache der Tiere. Das Areal erstreckt sich wunderschön an den Hängen oberhalb der Moldau im Stadtteil Troja und wurde am 28. September 1931 geöffnet. Doch wie immer bei neuen Sachen fing man auch damals ganz klein an:

Löwin namens Šárka | Foto:  Prager Zoo

„Bei der Eröffnung des Zoologischen Gartens vor 90 Jahren wurde im Grunde genommen kein fertiger Tierpark präsentiert, sondern lediglich eine Baustelle. Danach dauerte es noch relativ lange, bis das gesamte Areal soweit fertiggestellt war, dass wir von einer Art Zoo sprechen können, wie wir ihn heute kennen. Am Eröffnungstag selbst wurde auch eine kleine Zahl an Tieren präsentiert. Eigentlich würde ich von weniger als 30 Tierarten sprechen, davon waren zahlreiche Einzeltiere. Das exotischste dieser Lebewesen war eine afrikanische Löwin namens Šárka. Ansonsten dominierten europäische Säuger wie eine Reihe von Wölfen, ein Fuchs oder ein Dachs. Begonnen wurde also mit überwiegend heimischen Arten, exotische Tiere waren eher die Ausnahme“, so der stellvertretende Zoodirektor Jaroslav Šimek über die Anfänge des behüteten Tierlebens in Prag. Des Weiteren relativ zahlreich vertreten waren Vögel aus den Gebieten der Tschechoslowakei, allen voran Greifvögel und Eulen, aber auch exotische Fasanen.

Jaroslav Šimek | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

90 Jahre seien indes eine ziemlich lange Zeit aus der Sicht von uns Erdenbürgern, denn dies sei etwas mehr als ein durchschnittliches Menschenleben, fabuliert der Stellvertreter von Zoodirektor Miroslav Bobek. Daher habe sich seitdem auch vieles verändert, bedeutet Šimek:

Eisbär | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

„Nur ein Stück vom Haupteingang des Tierparks entfernt ist ein Gehege, in dem der Große Panda lebt. Dieser Auslauf wurde schon bei der Zoo-Gründung angelegt. Seinerzeit lebten dort aber natürlich noch keine Pandas, sondern zunächst Wölfe und später Bären. Ebenso gleich von Beginn an ist die große Voliere für die Raubvögel entstanden, wie wir sie noch heute sehen. Im Gründungsjahr des Zoos war sie aus anderem Material, das jedoch zerbrach, als sich zu viel feuchter Schnee auf dem Dach des Vogelkäfigs angesammelt hatte. Andererseits steht die Voliere noch heute in gleicher Größe am selben Platz. Die genannten zwei Gehege sind also mit der gesamten Geschichte des Zoos verbunden.“

Petr Velenský | Foto: Ľubomír Smatana,  Tschechischer Rundfunk

Das können der älteste Bewohner des Prager Tierparks, die Santa-Cruz-Riesenschildkröte Eberhard, und ihr Pfleger Petr Velenský beinahe auch von sich behaupten. Das Schildkrötenmännchen dürfte so zwischen 85 und 120 Jahre alt sein, sagt Velenský. Er selbst ist auch schon 40 Jahre hier tätig und Kurator für die Reptilien. Mit einem Schmunzeln im Gesicht verrät er, dass die Riesenschildkröten von den Galapagosinseln nicht nur älter als ihre menschlichen Pfleger werden:

Santa-Cruz-Riesenschildkröte Eberhard | Foto: Václav Šilha,  Prager Zoo

„Dieses Tier sollte locker auch den Pavillon überleben, in dem es derzeit untergebracht ist. Einen Pavillon konstruiert man für eine Nutzungszeit von 30 Jahren. Wenn er sehr gut gebaut ist, hält er auch 50 Jahre. Riesenschildkröten aber können bis zu 200 Jahre lang leben.“

Pinzón-Riesenschildkröte Antonio und Santa-Cruz-Riesenschildkröte Eberhard | Foto: Václav Šilha,  Prager Zoo

Eberhard ist jedoch nicht der Dienstälteste unter den Kriechtieren, die gegenwärtig im hiesigen Zoo beheimatet sind, denn er kam erst 1995 von Leipzig nach Prag. Diesen Rang hat ihm ein anderer Artverwandter abgelaufen, erläutert Velenský:

„Das ist Antonio, ein Männchen der Pinzón-Riesenschildkröte. Er ist das einzige Exemplar seiner Art in Europa.“

Foto: Tomáš Adamec,  Prager Zoo

Und genau in diesem Alleinstellungsmerkmal liegt auch ein Problem für Antonio: Er kann sich beziehungsweise seine Art nicht fortpflanzen. Denn ein paarungswilliges Weibchen findet er weit und breit nicht im euro-atlantischen Raum, sondern lediglich auf den Galapagosinseln, einem Archipel im östlichen Pazifischen Ozean. Der Aufwand sei einfach zu groß, um von dort ein weibliches Exemplar nach Prag zu transportieren, zumal diese Riesenschildkröten bis zu 290 Kilogramm schwer würden, so Velenský. Antonio quäle deswegen aber keine Langeweile, erklärt sein Pfleger:

Foto: Tomáš Adamec,  Prager Zoo

„Ich denke nicht, dass ihn das sehr stört. Er lebt hier in der Gemeinschaft mit anderen artverwandten Schildkröten. Mit dem Männchen Eberhard streitet er darum, wer in Prag der Herr unter den hier lebenden Galapagos-Riesenschildkröten ist. Und mit den Seychellen-Riesenschildkröten pflegt er freundschaftliche Kontakte. Er leidet also ganz sicher nicht an Einsamkeit.“

Schildkröte Antonio | Foto: Ľubomír Smatana,  Tschechischer Rundfunk

Zudem habe er die Herzen der Zoobesucher sicher, glaubt sein Pfleger Velenský:

„Schildkröten sind eines der charismatischsten Lebewesen und jeder, der mit ihnen nur etwas in Berührung kommt, verliebt sich in sie.“

Hochwasser 2002 war eine Zäsur für den Zoo

Hochwasser im Jahr 2002 | Foto: Jan Rosenauer,  Tschechischer Rundfunk

Begonnen hat der Prager Zoo vor 90 Jahren auf einer Fläche von acht Hektar und mit eben nur wenigen Tieren. Mittlerweile hat er sich zu einem großen Park mit fast 5000 tierischen Bewohnern auf einer Fläche von knapp 60 Hektar entwickelt. Große Teile dieses Areals standen aber vor 19 Jahren buchstäblich unter Wasser, als die Jahrhundertflut in Prag auch das Zuhause seiner Tiere arg in Mitleidenschaft zog. Zoo-Vizedirektor Jaroslav Šimek:

Hochwasser im Jahr 2002 | Foto:  Prager Zoo

„Ohne Zweifel war das Hochwasser im Jahr 2002 eine riesige Zäsur für die Entwicklung unseres Zoos. Denn damals wurde der gesamte untere Teil des Tierparks in Flussnähe von den Wassermassen erfasst. Ich will nicht sagen, dass hier kein Stein auf dem anderen geblieben ist, doch alle Sanierungen, die wir anschließend an den Pavillons vornehmen mussten, waren sehr umfassend und kostenintensiv. Zu den von Grund auf erneuerten Einrichtungen gehören beispielsweise die Pavillons der Pinguine, der Gorillas, der Wasservögel und der Raubkatzen.“

Hochwasser im Jahr 2002 | Foto: Prager Zoo

Einige Orte des Zoos waren derart zerstört, dass es sich nicht lohnte, sie originalgetreu wieder zu errichten. Dies habe auch Chancen geboten für Neues, merkt Šimek an:

„Damit eröffnete sich der Raum für ganz neue Anlagen. Und so kann ich sagen: Einige der Projekte, die wir heute sehen, wie die sogenannte Wasserwelt, die Affeninseln oder der Kinderzoo, sind erst infolge des Hochwassers entstanden.“

Hochwasser im Jahr 2002 | Foto:  Prager Zoo

Nach diesem traurigen Ereignis habe sich der Prager Zoo verändert und sei vor allem auch tier- und besucherfreundlicher geworden, betont Šimek. So wurden mehrere Eisenzäune und Gitter entfernt und durch natürliche Barrieren wie Gräben oder Erdwälle ersetzt. Nun können sich Tier und Mensch auch optisch wesentlich näherkommen, da ihnen keine unnötigen Sichtbarrieren mehr im Wege stehen. Jaroslav Šimek verweist zudem auf einen besonderen Neubau:

Elefantenhaus | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

„2002 war auch ein großer Impuls für die Pläne und den Baubeginn zur Schaffung eines neuen Elefantenhauses. Als größtes Tier unseres Zoos waren leider auch diese Dickhäuter arg vom Hochwasser betroffen. Dabei war es unausweichlich gewesen, einen Elefantenbullen einzuschläfern, weil wir ihn nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Das neue Elefantenhaus, wie wir es heute kennen, wurde 2012 eingeweiht. Kurioserweise ist es kurz vor der nächsten Flut fertiggestellt worden. Zum Glück war dieses Hochwasser aber von den Schäden her nicht so dramatisch wie jenes zehn Jahre zuvor.“

Elefantenhaus | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Ein Bewohner des Hauses ist auch die Elefantenkuh Gulab, die ebenfalls schon längere Zeit in Prag beheimatet ist. Ihr Pfleger Martin Kristen stellt sie vor:

„Sie ist das zweitgrößte Weibchen unter unseren Elefanten. Dieses Jahr feiert sie ihren 62. Geburtstag, was ein hohes Alter ist. Im Normalfall leben diese Dickhäuter bis zu 60 Jahre. Unsere Elefantenoma ist also schon längst über ihren Zenit hinaus, andererseits ist sie für ihr Alter in einer verblüffend guten Verfassung.“

Zbyněk Šíša | Foto: Tschechisches Fernsehen

Dies ist aber nicht das einzige Merkmal, durch das sich Gulab auszeichnet. Ihr ehemaliger Pfleger, der inzwischen in Rente gegangene Zbyněk Šíša, kennt die alte Dame sehr genau:

„Sie ist ein Elefant, der ungemein freundschaftlich und gutmütig ist. Zum Beispiel duldete Gulab um sich herum auch kleine Kinder, als wir zusammen spazieren gingen.“

Elefantenkuh Gulab | Foto: Anna Duchková,  Tschechischer Rundfunk

Dabei könne Gulab auch anders, ergänzt Šíša:

„Zugleich ist sie eine Elefantenkuh mit einem unglaublichen Dickschädel. Solch ein trotziges Tier habe ich zuvor noch nie gesehen. Besonders als sie jung war, hat sie ihren Dickschädel oft heraushängen lassen.“

Dennoch sind Elefantenweibchen an den direkten Kontakt mit ihren Pflegern gewöhnt – also pflegeleicht, wenn man so will. Anders sieht es da schon bei den Elefantenbullen aus, die bis zu 600 Kilogramm schwer werden. Sie werden von den Pflegern ausschließlich durch ein Gitter gefüttert oder geduscht. Zeitweise muss auch ihr Kontakt mit den Weibchen begrenzt werden. Martin Kristen:

Foto: Lenka Žižková,  Radio Prague International

„Dies ist eine Frage der Sicherheit. Überdies ist es vorteilhafter für die Herde, denn jede Andeutung dessen, als Mensch zwischen ihnen zu stehen, stört auch die Bindungen innerhalb der Gruppe.“

Für Gulab hält Pfleger Kristen schließlich nur lobende Worte parat:

Foto: Tomáš Černý,  Tschechischer Rundfunk

„Es ist sehr schön, dass sie nahezu ihr gesamtes Leben hier in Prag verbringen konnte. Als noch junger Elefant kam Gulab aus Indien zu uns. Seitdem hat sie drei verschiedene Unterbringungen erlebt, mehrere Pfleger und eine noch größere Zahl an anderen Elefanten. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist sie sehr nachsichtig, und ihr Alter ist in gewisser Hinsicht ein Wunder.“

Zucht des Przewalski-Pferds mit Auswilderung in Mongolei gekrönt

Foto: Lenka Žižková,  Radio Prague International

So wie die Elefanten zählten auch die Gorillas vor 19 Jahren zu den schwer vom Hochwasser gebeutelten Tieren. Pünktlich zum Jubiläum kann Vizechef Šimek mit Stolz verkünden, dass auch ihr neuer Pavillon mittlerweile im Bau ist. Er wird im Verlauf des kommenden Jahres im oberen Teil des Areals fertiggestellt. Dann könne man aufatmen, auch für diese Menschenaffen endlich wieder ein würdiges Zuhause geschaffen zu haben, so Šimek.

Miroslav Bobek | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

Der Zoologische Garten in Prag hat sich in seinen 90 Jahren um einiges verdient gemacht, insbesondere aber um die Züchtung und Fortpflanzung seltener Tierarten, die so vom Aussterben bewahrt werden konnten. Beim 80-jährigen Jubiläum nannte Zoo-Direktor Miroslav Bobek beispielsweise die Zucht der Krokodilart Gaviale, für die der Prager Zoo der einzige Ort in Europa sei. Ferner erwähnte Bobek die Zucht von Komodowaranen und weiteren Reptilien, sowie von Säugetieren und Vögeln. Ein Säuger sollte aber beim Namen genannt werden. Bobeks Stellvertreter Šimek:

„Unstrittig ist es das Projekt zu den Przewalski-Pferden. Mit dem Schicksal dieses Wildpferdes ist der Prager Zoo vom Tag seiner Entstehung verknüpft. Als der Tierpark eröffnet wurde, gehörte zu den ersten Tieren auch ein Paar dieses einzigartigen Pferdes, es waren der Hengst Ali und die Stute Aminka. Seit dieser Zeit betreiben wir de facto eine ununterbrochene Zucht dieser Pferde. Dabei möchte ich darauf verweisen, dass wir während des Zweiten Weltkriegs neben dem Zoo in München die einzige Institution in der ganzen Welt waren, die für die Vermehrung dieser Pferde gesorgt hat.“

Przewalski-Pferde | Foto:  Prager Zoo

1959 war der Prager Zoo erneut federführend bei der Erhaltung des Przewalski-Pferds, da veranstaltete er das erste weltweite Symposium zum Schutz dieser Tiere. Zudem wurde ihm das internationale Zuchtbuch des Pferdes anvertraut. Und schließlich gehörten die Prager auch zu den Vorreitern bei der Rückführung des Wildpferds in seine angestammte Heimat, erläutert Šimek:

„Als es möglich wurde, das Przewalski-Pferd wieder in seiner ursprünglichen Umgebung in der Mongolei auszuwildern, konnten wir nicht beiseite stehen. Diese Aktivität begann im Jahr 2011 und hält bis heute an. Bei der Umsetzung des Projekts ‚Rückkehr des Wildpferds‘ hilft uns die tschechische Armee, und zwar beim Transport dieser Tiere. Sie werden ausgesetzt in einem Gebiet der mongolischen Steppe, in dem schon in den 1990er Jahren wieder Wildpferde entdeckt wurden.“

Przewalski-Pferd | Foto:  Radio Prague International

Berichten nach wurde das letzte freilebende Exemplar des Przewalski-Pferds 1969 gesehen. Mit vereinter Kraft ist es mittlerweile gelungen, die Population auf über 2000 Tiere zu erhöhen. Und der Prager Zoo hat mit der Übergabe von bisher 34 Hengsten und Stuten entscheidend dazu beigetragen, zumal sich die Pferde in der freien Wildbahn auch noch gut vermehren.

In Tschechien gibt es rund 40 weitere solcher Pferde, doch im Prager Zoo kann man sie zurzeit nicht entdecken. Laut dem Oberpfleger Jan Marek liegt das daran, dass ihr Gehege samt Schutzhaus schon ziemlich veraltet war und in spätestens drei Jahren dort ein neuer Pavillon stehen soll. Deswegen sind sie bis auf weiteres auf einem Zuchtgelände bei Benešov / Beneschau untergebracht. Von Frühjahr bis Herbst kann man einige Exemplare jedoch auch im Gehege Dívčí hrady im Süden Prags bestaunen. Jan Marek betreut die Pferde schon seit 25 Jahren. Als ihr engster menschlicher Vertrauter war er auch schon neunmal bei einer Auswilderung in der Mongolei zugegen. Dass es diese Möglichkeit gibt, freut den Pfleger:

„Die Zoologischen Gärten in der Welt retten die in der Wildnis vom Aussterben bedrohten Tierarten. Am Beispiel des Przewalski-Pferds ist zu sehen, dass dieses gemeinsame Vorhaben durchaus gelingen kann. Das Pferd galt als ausgestorben, doch mittlerweile ist es gelungen, es wieder der freien Wildbahn zuzuführen.“

Nicht ohne Grund also ist das Przewalski-Pferd auch das Wappentier des Prager Zoos. Für seine Leistungen wurde er 2015 von TripAdvisor als viertbester Tierpark der Welt ausgezeichnet.

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