Dekanatskirche – einziges Relikt des alten Brüx
Vor 55 Jahren beschloss das kommunistische Regime, die historische Stadt Most / Brüx zu zerstören. Man wollte an die dortigen Kohlevorkommen gelangen, die unter der Stadt lagerten. Der Plan wurde in den nachfolgenden Jahren in die Tat umgesetzt. Von der Stadt mit seiner fast 1000-jährigen Geschichte ist nur ein einziges Gebäude erhalten: die Dekanatskirche. Der spätgotische Sakralbau wurde 1975 um mehrere Hundert Meter versetzt.
„Wir stehen vor der Dekanatskirche aus dem alten Most. Die ganze Stadt wurde wegen der Kohleförderung zerstört. Und die Kirche wurde 1975 um 841 Meter verschoben.“
Die Vorbereitungen auf die Verschiebung des Baudenkmals dauerten fünf Jahre lang. Der Turm und die Fenster wurden vor dem Transport entfernt. Das Gebäude wurde dann aus seinen Fundamenten gehoben und mit Schienen unterlegt. 53 hydraulische Wagen wurden für Versetzung konstruiert. 28 Tage lang dauerte die Versetzung, bei einer Geschwindigkeit von 2,16 Zentimetern pro Minute. Das kommunistische Regime wollte damals zeigen, dass man sich auch für Denkmalschutz einsetzte. Im alten Most gab es jedoch sieben Kirchen und zwei Klöster. Dass man sich gerade für die Rettung der Mariä Himmelfahrtskirche entschieden hat, könnte auch am einzigartigen Stützsystem dieses Baus gelegen haben. Aber nicht nur, meint Zuzana Klimplová.
„Bei der Entscheidung hat vermutlich auch der Name des Baumeisters Jakob Heilmann eine Rolle gespielt. Zudem ist die Brüstung der Empore mit mehrfarbigen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament geschmückt. So herrliche Darstellungen an einer Kirchenempore sind sehr wertvoll. Auch das kann dazu beigetragen haben, dass diese Kirche gerettet wurde.“Von der Krypta zur Kirchenempore
Die Kirche wurde an ihrem neuen Standort erst 1988 für die Öffentlichkeit geöffnet. Damals hatte sie noch keinen Altar, denn das Regime wollte den Sakralbau eigentlich in eine Galerie umwandeln.
„Erst nach der Wende wurde der ursprüngliche Barockaltar zurück in die Kirche gebracht. Im Juni 1993 weihte der damalige Bischof von Litoměřice, Josef Koukl, die Kirche wieder. Seitdem werden hier Messen gelesen. Bisher fanden die Gottesdienste hier nur gelegentlich statt. Dies wird sich wahrscheinlich nun dank dem neuen Dekan in Most, Leo Gallas, ändern.“Die Dekanatskirche wurde nach einem der großen Brände erbaut, die im 15. und 16. Jahrhundert Teile von Most heimgesucht hatten, erzählt Zuzana Klimplová.
„Am Ort, an dem die Marienkirche erbaut wurde, stand vorher eine Basilika, die aus dem 14. Jahrhundert stammte. 1515 brach in Most ein großes Feuer aus. Aus den historischen Quellen kennen wir die Brandursachen. Demnach buk jemand Fische, und bei starkem Wind sprangen die Funken schnell über. Große Teile der Stadt brannten damals nieder, darunter auch die Basilika. Erhalten geblieben sind nur die Krypta und einige Mauerteile. Die Krypta ist auch Teil der heutigen Dekanatskirche und repräsentiert damit die älteste Architektur von Most. Mit dem Bau der Kirche wurde 1517 begonnen. Nicht nur die Bewohner der Stadt, sondern auch Menschen aus den Nachbarregionen unterstützten finanziell den Bau.“
Der Bau der neuen Kirche dauerte bis ins 17. Jahrhundert. Der östliche Chor wurde im 18. Jahrhundert durch einen großen Barockaltar abgeschlossen. Das Altargemälde ist ein Werk des Malers Josef Kramolín. Neben dem Altar führt eine Treppe hinunter in die Krypta.
Bei der Versetzung der Kirche musste auch die Krypta verschoben werden. Sie wurde mit Beton gestärkt, mit Hilfe einer Rolle transportiert und anschließend wieder unter der Kirche platziert. Im ältesten Kirchenraum steht eine Büste des Baumeisters Jakob Heilmann, die der Bildhauer Bořivoj Rak im Jahr 2017 für die Kirche geschaffen hat. Zudem sind hier einige Baufragmente zu sehen.“Zurück im Kirchenschiff geht es einige Treppen hinauf bis auf die Empore. Dort sind zahlreiche Beispiele bunter Bleiglasfenstern zu sehen. Zuzana Klimplová:
„Die Fenster stammen aus der Kirche vor ihrer Versetzung. Leider konnten damals nicht alle Fenster gerettet werden. Bei uns ist es erlaubt, die ausgestellten Bleiglasfenster auch anzufassen.“
Von der Empore aus bietet sich ein herrlicher Blick in das Innere sowie zur Brüstung, die mit farbigen Szenen aus der Bibel geschmückt ist. Die Expertin macht auf einige der Bilder aufmerksam:„Dort ist beispielsweise ein dunkelbraunes Ungeheuer zu sehen. Aus seinem Mund kriecht ein Mensch. Dies ist die Geschichte über Jonas und den Wal aus dem Alten Testament. Gleich daneben befindet sich die Szene mit Sodom und Gomorra und Lots Frau, die zur Salzsäule erstarrt. Samson ist das Thema eines weiteren Reliefbilds.“
Klimplová erwähnt zudem eine doppelte Wendeltreppe, die hinter dem Altar verborgen ist.
Erinnern am Taufbecken
In der Kirche gibt es drei Orgeln, die alle von der Empore aus zu sehen sind. Links vom Eingang steht das älteste dieser Instrumente. Dieser Teil der Kirche wurde jedoch einst vom Blitz getroffen, darum wurde eine neue Orgel gebaut, erzählt Klimplová:„Diese Barockorgel, die aus dem 18. Jahrhundert stammt, hat 1107 Pfeifen. Neben ihr steht eine moderne Orgel, die mehr als 3000 Pfeifen hat. Die beiden Musikinstrumente sind miteinander verbunden und werden zusammen gespielt. Der Klang von mehr als 4000 Pfeifen ist herrlich. Wir veranstalten auch Orgelkonzerte in der Kirche. Es lohnt sich zu einem unserer Adventskonzerte zu kommen.“
Die spätgotische Kirche besuchen laut Klimplová auch viele Menschen aus dem Ausland. Zu ihnen gehören unter anderem die vertriebenen Bewohner des früheren Brüx und ihre Nachkommen.
„Es passiert wirklich oft, dass sie zu Besuch kommen und sich an ihre Kindheit erinnern. Gleich am Eingang steht ein verziertes Taufbecken. Mehrmals habe ich erlebt, dass die ehemaligen Bewohner der Stadt Tränen in den Augen hatten, als sie erzählten, dass sie genau dort getauft worden seien.“
Die meisten ausländischen Besucher kommen aus Deutschland. Es folgen Touristen aus englischsprachigen Ländern, aus Japan, Südkorea und Russland.
Die Kirche ist täglich außer montags von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Im Oktober ist sie mittwochs bis sonntags von 9 bis 15 Uhr zugänglich. Auf Anfrage lässt sich auch eine Führung in Deutsch oder Englisch bestellen.