Dem steigenden Lohn ist die Inflation hart auf den Fersen
Die Verdienstmöglichkeiten in Tschechien werden immer besser. Allein im ersten Quartal dieses Jahres ist der durchschnittliche Lohn im Land auf etwas mehr als 22.500 Kronen brutto (ca. 920 Euro) angestiegen. Das sind zehn Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die hohe Inflation aber relativiert das Ganze. Nach Abzug der diesjährigen Inflationsrate haben die Tschechen reell gesehen nur drei Prozent mehr im Portemonnaie.
„60 Prozent der Menschen im Land kommen nicht auf diesen Durchschnittslohn. Und groß sind die Unterschiede auch in den einzelnen Regionen“, erklärt der Analytiker der Finanzagentur ING, Vojtěch Benda.
In der Tat: In der Hauptstadt Prag, wo die Einkommen in der Regel alle über dem Durchschnitt liegen, kann man fast doppelt so viel verdienen wie zum Beispiel im Landkreis Karlovy Vary / Karlsbad. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Während die Prager im Frühjahr einen durchschnittlichen Bruttolohn von 28.635 Kronen (ca. 1.170 Euro) auf ihren Lohnzetteln registrierten, mussten sich die Arbeitnehmer in und um Karlsbad mit gerade einmal 16.848 Kronen (ca. 690 Euro) brutto begnügen. So unterschiedlich wie in den Regionen wird aber auch in den jeweiligen Branchen gezahlt:
„Die Löhne sind insbesondere im Bereich Elektroenergie bei der Erzeugung und Lieferung gestiegen und außerdem bei der Erschließung von Rohstoffressourcen“, sagt der Analytiker der Tschechischen Sparkasse (Česká spořitelna), Jan Bureš.Demgegenüber mussten erneut die Lehrer, die Angestellten des öffentlichen Dienstes und die Berufssoldaten mit der geringsten Lohnerhöhung leben. Diese Unterschiede sind durchaus legitim. Weit mehr aber missfällt den Gewerkschaftern, dass die Lohnerhöhungen die gleichzeitig gestiegenen Mehrausgaben der Beschäftigten nicht wirklich decken können. Verantwortlich dafür seien neben der Inflation vor allem die Folgen der durch die Regierung forcierten Gesundheitsreform und Rentenreform, sagt Jaroslav Zavadil, der Vizevorsitzende des Gewerkschafts-Dachverbandes ČMKOS:
„Dieser Lohnanstieg deckt nicht die erhöhten Aufwendungen ab, die die Arbeitnehmer nach den Plänen der Regierungsreform an Sozialleistungen und Rentenbeiträgen zukünftig aufbringen sollen.“
Von daher darf man sicher sein, dass die Gewerkschafter in ihren Protesten gegen die Reformen auch im bevorstehenden Herbst nicht nachlassen werden.