Mindestlohn soll nach sechs Jahren erstmals wieder steigen

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In der Tschechischen Republik sind sowohl ein Lebens- und Existenzminimum definiert, als auch ein Mindestlohn. Während die Minima regelmäßig den reellen Preisentwicklungen angepasst werden, hat die Regierung bei der Höhe des Mindestlohns mehr Spielraum. Nun sollen die Sätze nach langer Zeit wieder erhöht werden.

Jaroslav Hanák,  Jaromír Drábek und Jaroslav Zavadil,  v.l.n.r.  (Foto: ČTK)
Geschlagene sechs Jahre ist es her, seit das letzte Mal der Mindestlohn in Tschechien erhöht wurde. Grund für diese lange Zeit ist vor allem die Wirtschaftskrise, aber auch die Tatsache, dass in Tschechien eine unternehmerfreundliche Mitte-Rechts-Regierung die Zügel in der Hand hält. Nun aber haben am Dienstag die Sozialpartner über Änderungen verhandelt. Das Ergebnis: Arbeits- und Sozialminister Jaromír Drábek will das Mindestentgelt für Arbeitnehmer ab kommendem Jahr von derzeit 8000 Kronen (320 Euro) auf 8400 oder 8500 Kronen (bis zu 340 Euro) erhöhen. Beide Varianten will Drábek dem Regierungskabinett vorlegen.

„Ich halte diese beiden Varianten für angebracht, angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung“, so Drábek auf der Pressekonferenz nach dem Treffen der Sozialpartner in Prag.

Diese Höhe entspricht auch dem Maximum, das die Arbeitgeber derzeit für möglich halten. Die Gewerkschaften hatten indes eine Steigerung um das Dreifache gefordert. Jaroslav Zavadil ist Vorsitzender des größten tschechischen Gewerkschaftsdachverbandes, ČMKOS:

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„Minister Drábek sagte dazu, dass er seinen Vorschlag wie angekündigt der Regierung vorlegen wolle, aber bereit sei, in der ersten Hälfte kommenden Jahres auf der Basis einer Auswertung der Kosten für den Mindestlohn über eine weitere Erhöhung zu verhandeln. Dies können wir akzeptieren, obwohl auch eine große Erhöhung auf einen Schlag seine Gründe hätte.“

Die Gewerkschaften hatten 9200 Kronen Mindestlohn gefordert (knapp 370 Euro) mit der Begründung, dies entspreche dem wahren Anstieg der Lebenshaltungskosten.

Dass die Gewerkschafter keine Mördergrube aus ihrem Herzen gemacht haben, könnte auch an der geringen praktischen Bedeutung des Mindestlohnes liegen. Nur wenige Beschäftigte erhalten ihn, für einige Branchen haben die Arbeitnehmervertreter zudem höhere Mindestentlohnungen ausgehandelt. Der Wirtschaftsanalytiker der Raiffeisenbank, Pavel Mertlík, erläuterte angesichts der derzeitigen Diskussion im Tschechischen Fernsehen die Bedeutung:

Pavel Mertlík
„Typischerweise erhalten Menschen in den Branchen den Mindestlohn, in denen sie neben ihrem eigentlichen Lohn noch illegale Einnahmen haben. Dazu gehört zum Beispiel das Gastgewerbe. Eine Erhöhung des Mindestlohnes bedeutet deswegen, dass der Spielraum für die Schattenwirtschaft verkleinert wird.“

Zudem sind in Tschechien neben dem Mindestlohn auch noch ein Lebens- und ein Existenzminimum definiert. Beide dienen zur Bestimmung der Sozialhilfesätze, werden aber auch von der Regierung festgelegt. Nur ist dort der Spielraum politischer Entscheidungen gering, denn laut Gesetz müssen die Minima spätestens dann erhöht werden, wenn die Lebenshaltungskosten um fünf Prozent gestiegen sind.

Während der Mindestlohn also seit Anfang 2006 gleich geblieben ist, wurden das Lebens- und das Existenzminimum regelmäßig erhöht. Deswegen sei auch aus beschäftigungspolitischen Gründen eine Erhöhung der Mindestentgelts angebracht, findet Mertlík:

„Der Mindestlohn hat mittlerweile nur noch einen geringen Abstand zum Lebensminimum, und für diesen Lohn zu arbeiten, zahlt sich nicht aus.“

Das Lebensminimum beläuft sich derzeit im Übrigen auf umgerechnet 125 Euro, hinzu kommen aber die Zuschüsse zu Unterkunft und Heizung.

Autor: Till Janzer
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