Den Maulkorb ein wenig lockern - Kabinett beschließt Mediengesetz-Novelle

Seit April gilt in Tschechien ein neues Mediengesetz. Es verbietet, die Namen von Tätern und Opfern bei Schwerverbrechen zu veröffentlichen genauso wie beispielsweise Abhörprotokolle der Polizei, auf welche Weise auch immer sie in die Hände von Journalisten gelangt sind. Die Strafen bei Zuwiderhandlung sind drastisch: bis zu fünf Jahre Gefängnis. Journalisten sprachen von einem „Maulkorberlass“, internationale Institutionen wie „Reporter ohne Grenzen“ haben protestiert und die Europäische Union sagt, das Gesetz bewege sich in der Grauzone eines Rechtsstaates. Nun hat die tschechische Übergangsregierung Änderungen beschlossen.

Das so genannte „Maulkorbgesetz“ wurde noch unter der liberal-konservativen Vorgängerregierung von Mirek Topolánek beschlossen. Von Anfang an ist es umstritten gewesen. Noch im Mai, bereits kurz nach seinem Amtsantritt, traf sich der neue parteilose Premier Jan Fischer mit den Chefredakteuren der wichtigsten tschechischen Medien. Die Medienchefs forderten, das Gesetz, das in Wirklichkeit aus mehreren einzelnen Gesetzen besteht, vollständig zu streichen. Das Kabinett hat sie jedoch nicht erhört, sondern eine Novelle ausgearbeitet:

„Der Gesetzesvorschlag soll den Konflikt zwischen den beiden betroffenen Grundrechten besser lösen: dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und das Grundrecht auf den Schutz des Privaten.“

Dies erläuterte der Minister für Minderheiten und Menschenrechte, Michael Kocáb, am Mittwoch bei der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung. Zusammen mit dem Justizministerium hat er den Vorschlag zur Gesetzesnovelle ausgearbeitet.

Konkret ändern soll sich Folgendes: Medien sollen die Namen von Tätern und Opfern bei Schwerverbrechen sowie Abhörprotokolle durchaus veröffentlichen können – und zwar „wenn ein öffentliches Interesse vorliegt“, so Kocáb. Ob ein öffentliches Interesse auch vorgelegen habe, darüber sollen im Streitfall letztlich die Gerichte entscheiden.

Zudem will die Regierung die Strafen senken für Verstöße gegen das Gesetz. Gefängnis soll nicht mehr drohen, nur noch Geldstrafen bis zu umgerechnet rund 40.000 Euro. Michael Kocáb:

„Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält hohe Strafen für Journalisten für einen unangemessenen Eingriff in die Meinungsfreiheit.“

Die tschechische Regierung will die Novelle der Novelle des Mediengesetzes im Eilverfahren durch das Parlament bringen. Schließlich wird Anfang Oktober in vorgezogenen Neuwahlen ein neues Abgeordnetenhaus bestimmt. Dazu Ministerpräsident Fischer:

„Das Regierungskabinett hat die Novelle ohne Meinungsverschiedenheiten so angenommen, wie sie vorgelegt wurde. Nichts hindert uns, die Novelle noch in dieser Legislaturperiode ins Parlament zu schicken. Ich mag aber nicht spekulieren, was dort damit geschieht.“

Denn das Mediengesetz betrifft die Politiker unmittelbar. Mehrmals sind in der Vergangenheit tschechische Journalisten gerade durch polizeiliche Abhörprotokolle auf mögliche Verfehlungen von Politikern gestoßen. Das derzeit gültige „Maulkorbgesetz“ hatte daher auch quer durch die Parteien Unterstützer gefunden.

Dem zu Trotz tat sich eine Gruppe von Senatoren zusammen und hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die seit April gültigen Regeln eingereicht. Das Urteil des Verfassungsgerichts ist noch nicht erfolgt. Die Chefredakteure der wichtigsten Medien im Land hoffen jedoch, dass das Verfassungsgericht das „Maulkorbgesetz“ als Ganzes kippt. Das wäre die beste Lösung, sagte am Mittwoch der Chefredakteur der führenden tschechischen Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“.