„Denkmäler machen Spaß“

Blumengarten in Kroměříž (Foto: Petr Hudec, NPÚ)
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Ein ursprünglich vorübergehendes Projekt zur Pflege von Kulturerbe schlägt Wurzeln im mährischen Kroměříž.

Blumengarten in Kroměříž  (Foto: Petr Hudec,  NPÚ)
Zwei tschechische Projekte haben dieses Jahr den prestigeträchtigen Preis „Europa Nostra“ der Europäischen Kommission erhalten. Dieses Jahr wurden insgesamt 29 Projekte aus 18 Ländern bedacht. Im Bereich Denkmalpflege wurde auch die Renovierung des barocken Hospitals Kuks / Kukus in Ostböhmen ausgezeichnet. In der Kategorie Bildung war der Blumengarten (Květná zahrada) im südmährischen Kroměříž erfolgreich. Dort wurde das Projekt „Denkmäler machen Spaß“ (Památky nás baví) entworfen und zwischen 2012 und 2015 in sieben tschechischen Kreisen umgesetzt. Das Ziel war, unterschiedliche Besucher – von Kindern bis zu Senioren – für das Kulturerbe zu sensibilisieren.

Offiziell ist das Projekt zwar beendet, dennoch läuft es in Kroměříž selbst noch weiter. Petr Hudec war und ist dafür verantwortlich. Er ließ sich von Comenius inspirieren, dem tschechischen „Lehrer der Nationen“ aus dem 17. Jahrhundert:

Petr Hudec  (links). Foto: Petr Hudec,  NPÚ
„Mindestens seit den Zeiten von Comenius ist bekannt, dass es nicht reicht, nur die Dinge zu beschreiben. Es braucht auch die Wahrnehmung mit mehreren Sinnen. Diese werden bei der Präsentation von Denkmälern bei traditionellen Führungen, wie wir sie hierzulande gut kennen, aber nicht angesprochen. Man bekommt zwar ein Bild des jeweiligen Denkmals vermittelt. Dies geschieht aber nur durch den Monolog des Fremdenführers. Unser Projekt war innovativ – zumindest für tschechische Verhältnisse. Wir wollten Denkmalobjekte je nach ihren Spezifika auf unterschiedliche Weise präsentieren. Vor allem animiert die begleitende Fachperson die Besucher dazu, mehr selbst zu machen. Genauer gesagt, durch Tast-, Geruchs-, Geschmacks-, Seh- und Hörsinn eigene Eindrücke zu sammeln.“

Denkmäler mit allen Sinnen erleben

Foto: Petr Hudec,  NPÚ
Das Projekt „Denkmäler machen Spaß“ konnte in Kroměříž auch zwei Jahre nach seinem offiziellen Ende weiterentwickelt werden, weil mit dem dortigen Methodik-Zentrum für Gartenkultur zusammengearbeitet wird. An der Koordination beteiligt sind zudem die Verwaltung des erzbischöflichen Schlosses und beider Gartenanlagen – des Blumen- und des Schlossgartens. Alle drei Objekte wurden 1998 in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen.

Beim Projekt ging es Hudec zufolge nicht nur um das Erlangen theoretischer und praktischer Kenntnisse. Man müsse sich auch die relevante Frage stellen, ob und inwieweit das Verhältnis der Beteiligten zu kulturellen Werten beeinflusst werden kann. In Kroměříž hat man sich dabei nach einer simplen Faustregel gerichtet: Das jeweilige Ziel der sinnenübergreifenden Präsentation muss sich am konkreten Denkmalobjekt ausrichten. Zum Beispiel der „Blumengarten“, der 1665 auf über 14,5 Hektar Fläche angelegt wurde.

Frühling im Holländischen Garten | Foto: Petr Hudec,  NPÚ
„Hier wollen wir zum Beispiel demonstrieren, warum der Garten streng geometrisch gestaltet wurde und nach welchen Regeln dies damals erfolgte. Anstatt dass ich darüber als Begleiter nur rede, teile ich die Kinder und ihre Eltern in zwei Gruppen, die sich einander gegenüberstellen. Dabei ordne ich sie spiegelbildlich in zwei identischen Formationen ab. Denn dies gilt hier auch für die Blumenornamente, geometrisch geschnittenen Grünpflanzen und Sträucher. In einem Teil des Blumengartens, dem so genannten Holländischen Garten, lauschen wir dem Rauschen des Wassers im Springbrunnen oder schnuppern an Kräuterpflanzen.“

Also: wenige Worte, mehr Sinneswahrnehmung. Ein anderer Teil des Blumengartens diente einst dem lustigen beziehungsweise angenehmen Zeitvertreib. Im Rückblick darauf irren die Projektteilnehmer zum Beispiel im Labyrinth herum oder versuche sich auf einer historischen Kegelbahn. Mit getreuen Repliken alter Kegel, versteht sich. Dies geschieht unter freiem Himmel oder in einem authentischen Haus, in dem schon vor 400 Jahren das Spiel betrieben wurde. Es gibt aber auch Workshops zum Beispiel, die auf die manuelle Geschicklichkeit zielen.

Denkmalschutz als oberstes Ziel

Foto: Petr Hudec,  NPÚ
Petr Hudec nennt auch mehrere Ziele, die bei der Präsentation eines Objektes verfolgt werden können. Eines davon besteht darin, dass das Kind die Prinzipien versteht, wie ein Barockgarten angelegt wird. Es gebe allerdings auch das oberste Ziel. Das sei die Sensibilisierung für den Denkmalschutz und die Erhaltung des Kulturerbes. Der engagierte Ausbilder hat hierfür ein Zitat aus einem berühmten Kinderbuch parat:

„Im Kleinen Prinzen von Saint-Exupéry bringt es der Fuchs folgendermaßen zum Ausdruck: ‚Die Zeit, die du für deine Rose gegeben hast, sie macht deine Rose so wichtig.‘ Wenn man auch das Kulturerbe als eine Art Rose bezeichnet, dann freuen wir uns, wenn ein Denkmal, mit dem die Programmteilnehmer ein schönes Erlebnis verbinden, auch für sie wichtig ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Kommission ein Objekt unter Denkmalschutz gestellt oder zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt hat. Ausschlaggebend ist das persönliche Erlebnis.“

Eine Sehbehinderte Frau im Blumengarten in Kroměříž  (Foto: Petr Hudec,  NPÚ)
In Kroměříž zielen die Bildungsprogramme bei Weitem nicht nur auf Familien mit Kindern. Ebenso einbezogen sind Studenten und Senioren sowie Behinderte, vor allem blinde und sehbehinderte Menschen sowie Gehörlose. Petr Hudec:

„Anstelle von Visuellem und Gehörtem können Letztere beispielsweise die Düfte oder Gerüche vor Ort wahrnehmen oder auf der Kegelbahn eine Kugel ins Rollen bringen. Im Unterschied zu den Innenräumen in Burgen und Schlössern gibt es in unserem Garten fast keine Einschränkungen bei Berührungskontakten. Dies gilt auch für unsere 400 Jahre alte Weißbuche. Für Gehörlose werden Führungen mit einem Gebärdensprachdolmetscher veranstaltet. Doch auch für sie wollen wir das Bild des Gartens durch weitere Sinneswahrnehmungen ergänzen. Im Obstgarten zum Beispiel kann die dortigen Äpfel kosten oder Erdbeeren von unserem Erdbeerhügel.“

Für mehr Bildung

Das Projekt von Kremsier ist einzigartig für die Kulturdenkmäler, die hierzulande vom zentralen Denkmalschutzamt verwaltet werden. Laut Hudec gelten moderne Bildungsprogramme auf diesem Gebiet hierzulande noch immer als etwas Exklusives. In den tschechischen Museen und Galerien hat sich der Beruf des Pädagogen für edukative Kommunikation bereits etabliert.

Lektor mit Kindern  (Foto: Petr Hudec,  NPÚ)
„Diesen gibt es in der Tat in fast jedem größeren Museum in Tschechien. Auf Burgen und Schlössern aber leider noch nicht. Deswegen haben wir bei unserem Projekt auch fünf Methodik-Bücher ausgearbeitet und an die Burg- und Schlossverwalter weitergeleitet. Vielleicht gelingt es ja dem einen oder anderen, einen pädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter zu engagieren. Ich bin überzeugt, dass es für Kulturdenkmäler spezielle Bildungsprogramme braucht. Besucher unterschiedlichen Alters sollten die Denkmäler viel persönlicher und intensiver erleben können. Dies ist eine Investition von dauerhaftem Wert.“

Und Petr Hudec hat eine Zukunftsvision für Tschechien. Das Land sollte ein Netz von Lektoren spinnen, um so die Pflege des einheimischen Kulturerbes zumindest soweit zu bringen, wie dies im Umweltschutz gelungen sei. Dass kein historisches Kreuz aus der Landschaft verschwindet oder keine Hausfassade mit besprüht wird, sollte jedoch nicht nur Experten beschäftigen, sondern die ganze Gesellschaft, so Hudec.

Durch den Blumengarten in Kremsier bringt Sie auch eine App, und dass sogar auf Deutsch. Herunterladen können Sie diese für Android und IOS unter: www.nczk.cz/novinka/nova-mobilni-aplikace-pruvodce-po-kvetne-zahrade.

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