Der 17. November im Wandel seiner symbolischen Bedeutung

Unos 10 000 mil estudiantes realizaron una marcha a la céntrica Plaza Venceslao...

Der 17. November als historisches Datum hat in der tschechischen Geschichte bereits eine lange und wechselvolle Bedeutung. Seit nunmehr dreizehn Jahren ist er vor allem mit der Studentendemonstration des Jahres 1989 verbunden, deren brutale Niederschlagung letztlich den Auftakt für die sogenannte "Samtene Revolution" und den Fall des kommunistischen Regimes in der damaligen Tschechoslowakei bildete. Seither werden an diesem Tag alljährlich Kundgebungen abgehalten, die an die politische Wende von damals erinnern, seit einem Jahr ist der 17.11. Staatsfeiertag. Dieses Jahr kam freilich noch eine inhaltliche Nuance hinzu: denn der unmittelbar bevorstehende NATO-Gipfel färbte auch auf den Jahrestag der Revolution ab. Gerald Schubert berichtet:

Prag 1989
Wenn politische Regime fallen und Staaten sich von Grund auf umstrukturieren, dann bedeutet das nicht zwangsläufig, dass damit auch die gesamte Symbolik eines Landes hinfällig wird. Straßennamen, Denkmäler, Jubiläen und Feiertage müssen, quasi als materielle Repräsentanten eines kollektiven Gedächtnisses, nicht immer aus der Öffentlichkeit verschwinden. Oft genügt auch eine Neuinterpretation. Und dass der Verlauf der Geschichte hier oft ein wenig nachhilft, ist kein Zufall: Denn oft sind es gerade die Symbole, die letztlich wieder in die Gestaltung politischer Realität Eingang finden.

Werfen wir etwa einen Blick auf die Prager "Straße des 17. November". Die hieß auch schon vor dem Jahr 1989 so. In der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei erinnerte sie an Studentendemonstrationen gegen die frühere nationalsozialistische Besatzung, und an neun Studenten, die im Zusammenhang mit jenen Protesten am 17. November 1939 von den Nazis hingerichtet wurden. Eine Gedenktafel aus den siebziger Jahren erinnert dort noch heute an die damals Ermordeten und den, Zitat, "Kampf der Studenten für die Freiheit". Der fünfzigste Jahrestag jener Hinrichtungen wurde, eben 1989, mit einer Kundgebung begangen, die mit dem ursprünglichen Attribut "antifaschistisch" ausgestattet war und daher offiziell keine regimekritische, also antikommunistische Ausrichtung hatte. Viele meinen heute jedoch, dies sei von Anfang an bloß ein Vorwand gewesen. Und tatsächlich lag es bereits auf der Hand, dass zur Zeit der großen Umwälzungen in anderen Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts jede größere Demonstration regimekritischen Charakter annehmen kann. Dass dies genau so geschah, und der 17. November 1989 schließlich das Ende des Kommunismus in der Tschechoslowakei einläutete, ist hinlänglich bekannt.

Vaclav Havel,  Foto: CTK
Vaclav Havel, der sich auch dieses Jahr wieder in der Prager Nationalstraße, dem damaligen Zentrum des Geschehens, zu einer Gedenkveranstaltung einfand, meinte zu dem Jubiläum:

"Ich glaube, es wachsen nun neue Generationen heran, die schon von Anfang an in jenen freien Verhältnissen aufgewachsen sind. Und diese tragen ein gewisses bürgerliches Selbstbewusstsein bereits in sich. Vielleicht interessiert es sie nicht besonders, was wir durchlebt haben, vielleicht interessiert sie auch die Samtene Revolution nicht besonders. Aber wichtig ist, dass sie einige der Werte und Ideale, um die es damals ging, bereits selbstverständlich in sich tragen."

Premier Spidla wiederum betonte, dass die Werte der Demokratie auch weiterhin permanent und aktiv verteidigt werden müssten:

"Der Kampf für Freiheit wurde am 17. November 1989 nicht beendet, sondern erfordert auch in den weiteren Jahren unseren Einsatz."

Am Sonntag, also am diesjährigen 17. November, fand in Prag nun die erste Demonstration gegen das bevorstehende NATO-Gipfeltreffen statt. 200 Demonstranten waren es bloß, die auf den Spuren der Studenten von 1989 in die Prager Innenstadt zogen. Das Anliegen jener NATO-Gegner war jedoch freilich ein völlig anderes. Denn wenn auch die Symbole oftmals dieselben bleiben, so ändert sich doch der Lauf der Geschichte.

Übrigens: Die Demonstration am Sonntag verlief friedlich. Ob das auch bei den nächsten Protestkundgebungen so bleibt, das bleibt abzuwarten.