Vorbote der Samtenen Revolution: Demonstrationen am 21. August 1989

21. August 1989 in Prag (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Am Donnerstag haben wir bereits über das diesjährige Gedenken an den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei 1968 berichtet. Unter den Ketten der Panzer endete damals der Versuch einer Reform des sozialistischen Systems, danach übernahmen erneut Hardliner der KPTsch die Macht. In den 1980er Jahren kam es aber am 21. August in Prag und weiteren Städten des Landes regelmäßig zu Demonstrationen gegen die sowjetische Besatzung. Die letzten von 1989 waren einer der Vorläufer für die Samtene Revolution, die im November folgte.

21. August 1989 in Prag  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Es sind mehrere Hundert Menschen, die am 21. August 1989 in Prag zusammenkommen. Die Kundgebung findet unterhalb der Statue des heiligen Wenzels statt – ein Ort, an dem die Tschechen schon während der nationalsozialistischen Besatzung und dann später auch zu sozialistischen Zeiten häufig für Freiheit und Demokratie demonstriert haben. Die Bedeutung genau dieses Ortes ist den Machthabern bewusst, die Polizei ist in Alarmbereitschaft.

Der europäische Osten ist zu diesem Zeitpunkt aber kein monolithischer Block mehr, Ungarn hat beispielsweise schon die Demokratisierung eingeleitet. Unter den Demonstranten in Prag sind daher auch Aktivisten des Fidesz, sie bekunden ihre Solidarität mit der noch verbotenen tschechoslowakischen Opposition.

Doch selbst in der Tschechoslowakei bröckelt bereits die Macht des Regimes.

Oldřich Tůma  (Foto: Alžběta Švarcová)
„Zum Teil handelte es sich bei der Demonstration in Prag um eine spontane Aktion. Schon ein Jahr zuvor hatten sich erstmals nach 19 Jahren wieder Massen zusammengefunden und gegen das kommunistische Regime protestiert. Zwischen August 1988 und August 1989 fand dann eine Reihe weiterer Demonstrationen statt“, so Oldřich Tůma, Historiker an der tschechischen Akademie der Wissenschaften.

Die Demo in Prag am 21. August 1989 geht noch bis weit in die Abendstunden. Teils lassen die Sicherheitskräfte gewähren, teils schreiten sie wie gewohnt hart ein. Insgesamt werden 400 Menschen festgenommen, davon kommen 161 hinter Gitter, darunter 56 Ausländer.

Zu den Demonstrationsteilnehmern gehört auch der Dissident Jan Ruml. Der spätere konservative Politiker und Innenminister erinnerte sich vor kurzem bei einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Jan Ruml  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Dies war eine der letzten öffentlichen Kundgebungen gegen das kommunistische Regime, bei dem die Teilnehmer von der Polizei auseinandergetrieben wurden. Menschen wurden geschlagen und festgenommen. Ich erinnere mich, dass die Demonstranten auch Parolen wie ‚Rusové ven‘, also Russen raus riefen. Das war sogar richtig massiv mit mehreren Zehntausend Menschen zunächst auf dem Wenzelsplatz und später auf dem Altstädter Ring. Erstmals erklangen auch Parolen der späteren Samtenen Revolution wie ‚In der Einigkeit liegt die Kraft‘, ‚Wir wollen Freiheit‘ oder ‚Wir wollen Wahrheit. Dies war eigentlich bereits ein Vorbote des 17. November 1989. Die kommunistischen Machthaber schienen verzweifelt. Auch wenn sie brutal durchgriffen, waren sie bereits am Ende.“

Schon drei Monate später kommt auch für die Hardliner aus der Tschechoslowakei das endgültige Aus.

Autor: Till Janzer
schlüsselwort:
abspielen