Der Alte vom Berge - Ex-Premier Zeman und die CSSD
Über den poltrigen Ex-Premier und ehemaligen Vorsitzenden der Sozialdemokraten Milos Zeman gehen in Tschechien die Meinungen auseinander. Eines allerdings müssen auch seine Gegner anerkennen: Mit seinem Rückzug aus der Politik vor zwei Jahren hat er etwas geschafft, was nicht vielen Politikern gelingt, nämlich auf dem Höhepunkt der Macht aus eigenen Stücken abzutreten. Nun harkt Zeman an seinem Häuschen in der Provinz das Laub und genießt es, als der Alte vom Berge gelegentlich gegen die Politik zu wettern - am liebsten gegen die eigene Partei. Und ganz Tschechien hört zu. Mehr von Thomas Kirschner.
Schlechte Zeiten für die junge Regierungsmannschaft der tschechischen Sozialdemokraten: drei schwere Wahlniederlagen hintereinander, und auch die Strahlkraft des bubenhaften Charmes von Partei- und Regierungschef Stanislav Gross verblasst zusehends. In solcher Lage würde man sich wohl die Unterstützung der alten Garde wünschen. Derlei Loyalitäten sind von dem ehemaligen Parteivorsitzenden und Ex-Premier Milos Zeman jedoch nicht zu erwarten. Er genießt es im Gegenteil, als Privatier aus der Provinz von Zeit zu Zeit in seiner grob-kantigen Art die Lage zu kommentieren - selten zur Freude seiner Parteifreunde. So auch am Sonntag in einem Interview auf dem privaten Fernsehsender Prima, wo er sich unter anderem zu dem schlechten Abschneiden der CSSD bei den vergangenen Wahlen äußerte.
"Die Sozialdemokraten haben die Regional- und Senatswahlen meiner Meinung nach wegen eines totalen Mangels an wirklichen Persönlichkeiten verloren, und zuvor die Europawahlen, weil sie von ihrem ursprünglichen Programm abgewichen sind. Und, aufrichtig gesagt, auch deshalb, weil die Bürger das Gefühl haben, dass die Regierung, um es ganz vorsichtig zu sagen, kraftlos ist."Letzteres geht an die Adresse von Premierminister und Parteichef Stanislav Gross, der mit seiner fast unbedarft wirkenden jugendlichen Liebenswürdigkeit im Sommer als Hoffnungsträger für einen Neuaufbruch der Sozialdemokraten angetreten war. Aktuelle Umfragen zeigen einen deutlichen Einbruch von Gross´ Popularitätswerten, und mit diesen bröckelt auch der Kitt, der die Regierung zusammenhalten soll. Ex-Premier Zeman sieht in den Personalproblemen die Wurzel aller Schwierigkeiten der Sozialdemokraten und findet deutliche Worte.
"Die Sozialdemokratie leidet schon lange Zeit an einem Mangel geeigneter Persönlichkeiten. Nach meiner Meinung hat sich dieser Prozess in den letzten beiden Jahren beschleunigt, und ich sage dazu mit der mir eigenen Expressivität ´personeller Genozid´."
Viel spekuliert wurde darüber, ob Zeman mit solch harscher Kritik das Feld für seine Rückkehr in die Politik bereiten wolle. Im Fernsehinterview distanzierte er sich deutlich davon: er antworte damit nur auf Fragen, die an ihn gestellt würden, so Zeman. Funktionen strebe er nicht mehr an.
"Die Menschen wollen, dass ich mit ihnen spreche, und sie wiederholen das immer wieder. Auch wenn es nicht so aussieht, ich bin eigentlich ein warmherziger Mensch, und ich sage ihnen dann: Zu euch nach Prag komme ich nicht, aber wenn ihr darauf besteht, dann besucht meinen Dachsbau, da werdet ihr einen Dachs finden, der ganz gut gelaunt ist, satt gegessen und ausgeschlafen, und dann können wir uns unterhalten."
Milos Zeman fühlt sich offensichtlich wohl in seiner Rolle als der Alte vom Berge. Und so dürfen sich die Sozialdemokraten auch weiterhin auf regelmäßige Donnerwetter gefasst machen.