In der Böhmerwaldgemeinde Kvilda / Außergefilde ist immer Saison
Während der kommunistischen Ära haben in der Gemeinde Kvilda, auf Deutsch Außergefilde überwiegend Grenzsoldaten und einige Holzfäller gelebt. Denn der Ort in der Nähe von Bayern lag in der streng überwachten Grenzzone. Heutzutage ist Kvilda ein beliebtes Ausflugziel und Ausgangspunkt für Wanderungen durch den Nationalpark Böhmerwald.
Ende März sah es trotz des ungewöhnlich warmen Wetters in Kvilda noch recht winterlich aus. Der Skilift war zwar nicht mehr in Betrieb, aber einigen Skilangläufern konnte man in der Umgebung noch begegnen. Die Nachbargemeinde Horská Kvilda / Innergefilde ist übrigens dadurch bekannt geworden, dass in ihrer Nähe die niedrigsten Temperaturen in Tschechien gemessen wurden. Das Rathaus hat seinen Sitz im ehemaligen Schulgebäude, denn so viele Einwohner hat Kvilda nicht, um eine eigene Schule zu betreiben.
Bürgermeister Václav Vostradovský bezeichnet sich selbst als Neuankömmling. In dem Böhmerwaldort hat er sich vor zehn Jahren niedergelassen. Zu seinen Aufgaben gehört es, sich nicht nur um das Wohl der 175 Einwohner, sondern auch um jenes der unzähligen Touristen zu kümmern, unter denen viele Radwanderer und Skisportler sind.„Es wird geschätzt, dass jährlich an die 750.000 bis 900.000 Menschen Kvilda besuchen. Wenn man bedenkt, dass nur 175 Leute hier ihren ständigen Wohnsitz haben, ist diese Besucherzahl enorm groß. Früher war die Hauptsaison für die Gemeinde im Winter, später war es dann umgekehrt, denn die Zahl der Radwanderer ist rasant gestiegen. In der letzten Zeit kommen Touristen auch im Frühjahr oder im Herbst nach Kvilda. Für diese Besucher, die in der Nebensaison den Böhmerwald kennen lernen wollen, bereiten wir verschiedene Ausstellungen vor. Bald soll in der ehemaligen Pension ‚Zur Kirche’ ein tschechisch-bayerisches Künstlerzentrum entstehen. Nicht zuletzt können die Touristen unser kleines Museum besuchen, wo eine ständige Ausstellung über die Geschichte von Kvilda und dem nahe gelegenen Grenzort Bučina / Buchwald installiert ist.“ Die erste schriftliche Erwähnung von Kvilda stammt aus dem Jahr 1345. In einer Urkunde bestätigte König Johannes von Luxemburg den Söhnen des Verwalters des Herrenguts von Písek, dass ihnen die Wälder von Kvilda gehören. Eine große Bedeutung für den Aufschwung der Gemeinde hatten die Handelswege, die durch die Ortschaft führten. Seit 1366 führte der Bergreichensteiner Goldene Steg über Kvilda, er verband Passau mit Bergreichenstein / Kašperské Hory. Auf dem Steg, den Karl IV. anlegen ließ, wurden neben Salz auch Stoffe, Südfrüchte und Gewürze nach Böhmen transportiert. Aus Böhmen wiederum wurden auf dem Handelsweg Getreide, Malz, Hopfen, Honig, Wolle und Leder nach Bayern gebracht. Der Goldene Steg hat während der Jahrhunderte an Bedeutung verloren. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Handelsweg kaum mehr genutzt. Zu dieser Zeit erlebten neue Handwerke im Böhmerwald einen Aufschwung – die Glasmacherei sowie die Holzverarbeitung. Drei Glashütten wurden in Kvilda errichtet, an die Glasproduktion knüpfte die Herstellung von Unterglasgemälden an. Bekannt sind die Unterglasmalereien der Familie Verderber. Beispiele dieses traditionellen Kunstgewerbes kann man in der Ausstellung über die Geschichte von Kvilda bewundern. Bürgermeister Vostradovský:„An den Wänden hängen einerseits Originalgemälde, die in der Werkstatt gegenüber dem Schulgebäude entstanden sind. Außerdem findet man hier auch die Kopien der alten Unterglasmalereien mit religiösen Motiven, die Marijana Matoušková herstellt. Den Interessenten hat die Malerin voriges Jahr in Kvilda die alte Maltechnik vorgeführt. Sie ist nicht so einfach, wie es scheint.“Neben der Glasproduktion war in der Region die Holzverarbeitung stark verbreitet. Der Bürgermeister:
„Hier kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie das Holz einst transportiert wurde. Auf diesem Foto sieht man das Sägewerk von Peter Strunz, in dem Resonanzholz verarbeitet wurde. In Kvilda und Umgebung sind im Zusammenhang mit der Borkenkäferplage in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts neue Sägewerke entstanden. Aus Holz wurde damals vieles hergestellt: Sogar Rohrleitungen wurden aus Holz konstruiert. Bei Bauarbeiten ist man hier auf diese Rohrleitung schon einige Mal gestoßen. Interessant ist, dass sie immer noch teilweise funktionstüchtig war.“
Nicht nur hölzerne Rohrleitungen, auch Grabmäler wurden während der Bauarbeiten in Kvilda gefunden. Eines davon ist im Museum zu sehen. Am Rande der Gemeinde habe man vor einigen Jahren fünf, sechs Grabmäler gefunden, sagt der Bürgermeister.„Schließlich haben wir an die 50 mit Gras überwachsene Grabmäler gezählt. Wir haben sie auf den Friedhof zurück gebracht, dort aufgestellt und sie mit einer Gedenktafel versehen. Jedes Jahr kommen einige der ehemaligen Einwohner von Außergefilde zu Besuch. Bei St. Stephan wird die Messe gelesen und für diejenigen, die das Treffen nicht mehr erlebten, wird eine Kerze angezündet. Die Reihe der Kerzen war diesmal leider schon lang.“
Zu den Böhmerwalder Friedhöfen gehören auch die Totenbretter. Einige sind neben der Kirche und einige im Museum von Kvilda zu sehen.„Da es hier oft sehr kalt war, und es beim Frost kaum möglich war, den Verstorbenen zu begraben, wurde er auf ein Totenbrett gelegt. Erst bei günstigerem Wetter wurde der Tote dann auf dem Friedhof beigesetzt.“
Im ehemaligen Schulgebäude darf auch eine historische Schulklasse nicht fehlen. Ganz neu gestaltet ist dagegen der Tagungssaal des Gemeindeamtes, der auch als Ausstellungssaal genutzt wird. Noch bis zum 9. April kann man dort eine Wanderausstellung von Gemälden tschechischer und bayerischer Künstler besichtigen, die sich durch den Böhmerwald inspirieren ließen.
Fotos: Autorin