Der Irak, das "Lex Benes" und Klaus in China

Edvard Benes

Dagmar Keberlova und Robert Schuster begrüßen Sie zu einer neuen Ausgabe von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendug von Radio Prag.

Entführte Journalisten Vit Pohanka,  Michal Kubal,  Petr Klima  (Foto: CTK)
Aus der Sicht der tschechischen Medien gibt seit einigen Tagen vor allem ein Thema, welches gerade die Journalisten-Zunft betrifft und zeigt, mit welchen Risiken dieser Beruf verbunden sein kann. Am vergangenen Sonntag wurden nämlich drei tschechische Reporter - Michal Kubal und Petr Klima vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Vit Pohanka vom Tschechischen Rundfunk - im Irak vermutlich von Aufständischen entführt. Bei den dreien handelt es sich um erfahrene Journalisten, die bereits während des Irak-Kriegs im Frühjahr vergangenen Jahres aus Bagdad berichtet hatten. Solche Entführungen von ausländischen Staatsbürgern standen im Irak in den letzten Wochen auf der Tagesordnung und richteten sich immer stärker nicht nur gegen Vertreter ausländischer Medien, sondern auch gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.

Trotz der Bemühungen tschechischer und irakischer Regierungsstellen gab es jedoch bis zum Redaktionsschluss am Freitag keine wirkliche Spur, die zu den Entführern und deren Geiseln geführt hätte, genauso fehlt ein Lebenszeichen von den drei tschechischen Reportern.

Aus dem Reigen der Kommentare in den tschechischen Zeitungen, die sich mit den Geiselnahmen der letzten Tage im allgemeinen und dem Fall der drei tschechischen Reporter im konkreten befassten, haben wir für Sie einige Passagen aus einem Meinungsartikel von Petr Pravda ausgesucht, der in der Mlada fronta Dnes erschienen ist:

"Das Überfallen von Ausländern und deren Geiselnahme ist eine neue grausame Taktik der irakischen Aufständischen im Kampf gegen die Amerikaner und deren Verbündete. Es ist eine feige, hinterhältige, aber leider wirksame Taktik, die das bereits bestehende Chaos im Land noch verstärkt. Die aktuellen Ereignisse sind aber auch eine wichtige Erfahrung für Tschechien, denn auch hierzulande hat man wohl endgültig begriffen, dass sich kein Ereignis der Weltpolitik weit genug abspielen kann und wir uns nicht in einem Zustand absoluter Sicherheit wähnen könnten. Vielleicht ertönt jetzt in Richtung der drei entführten Reporter jene typische tschechische Besserwisserei, wonach sie selber schuld seien und lieber daheim geblieben wären. Das wäre aber ein Fehler gewesen, denn letzten Endes muss immer die Entschlossenheit über die Passivität Oberhand gewinnen, sowie Mut über die Angst."

Themenwechsel im heutigen Medienspiegel. Wie Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, vielleicht wissen, beschäftigte sich das tschechische Parlament in den vergangen Wochen intensiv mit einer parteiübergreifenden Initiative, die es sich zum Ziel setzte, die Verdienste des zweiten tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes mittels eines speziellen Gesetzes zu würdigen. Eine vergleichbare Gesetzesnorm wurde in der tschechischen Geschichte bereits einmal verabschiedet. Im Jahr 1930 wurde auf diese Weise der Staatsgründer Tomas Masaryk gewürdigt. Auch im Falle Beness verwiesen die Abgeordneten auf dessen Verdienste um die Gründung der Republik und in der Zeit, als das Land von den Nazis besetzt war. Die Kritiker eines solchen "Lex Benes" verwiesen hingegen auf die problematische und unkritische Haltung Benes' gegenüber den Sowjets und deren Handlangern nach 1945, die den heimischen Kommunisten Tür und Angel für die Machtergreifung im Jahr 1948 öffneten.

Das meinte etwa Vladimir Kucera in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes:

"Die Demokratie der Jahre 1945 bis 1948 war stark beschnitten. Die Regeln waren damals auferlegt, die Möglichkeit sich für eine Partei frei zu entscheiden, blieb beschränkt. Das gesamte politische Leben stand unter strenger Kontrolle des stalinistischen Innenministeriums. Die Meinung, das politische System der Nachkriegszeit würde an die Tradition der Republik Masaryks anschließen, ist ein Mythos. Wenn also einige Abgeordnete die damaligen Zustände als Wiedererrichtung der Demokratie sehen, ist das nicht nur ein Ausdruck deren Unwissenheit, sondern auch etwas, was auch die Bürger etwas angehen sollte, den es wird auch offenbart, was sich einige Abgeordnete unter Demokratie vorstellen."

Einige Wortmeldungen gegen diese Initiative sprachen auch von einer Art Anlassgesetzgebung, denn der Name Benes' sollte durch ein entsprechendes Gesetz vor allem vor kritischen Stimmen aus dem Ausland und insbesondere aus Deutschland oder Österreich, geschützt werden, die im früheren Präsidenten den Initiator der Vertreibung der Deutschen und Ungarn aus der Tschechoslowakei sahen.

Das Abgeordnetenhaus votierte bereits einmal mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Kommunisten und einiger bürgerlicher Abgeordneter für die Vorlage, die Senatoren, also die Mitglieder der zweiten Kammer jedoch dagegen. Somit musste sich das Abgeordnetenhaus noch einmal mit dem Gesetz befassen und durchbrach dabei das Veto des Senats.

Zum neuerlichen "Ja" der Abgeordneten schrieb Patricie Polanska in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny:

"Sehr schlechte Gründe veranlassten die mehr als 120 Abgeordnete dazu, das Votum des Senats in der Frage des Verdienstgesetzes für Edvard Benes zu überstimmen. Es gibt zwar den einen oder anderen Unterschied, aber die Argumentation der Abgeordneten war sehr ähnlich: Man müsse dieses Gesetz verabschieden, denn ansonsten würde das in Deutschland und Österreich falsche Hoffnungen wecken. So meinte der Chef des außenpolitischen Ausschusses etwa, ein 'Nein' der Abgeordneten käme einer Verurteilung Benes' gleich. Diese Logik ist gefährlich und zeugt von geringem Selbstvertrauen, dessen Existenz die Politiker von ihren Mitbürgern immer wieder einfordern. Wenn es aber so weit kommt, dass die Politiker selber dieses Selbstvertrauen an den Tag legen sollen, brennen sie ab, wie Wunderkerzen."

Vaclav Klaus zu Besuch in China
Und nun kommen wir zu unserem letzten Thema: Tschechiens Präsident Vaclav Klaus hat sich vor einigen Tagen, eingerahmt von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation, zu einem elftägigen Besuch nach China begeben. Im Mittelpunkt steht dabei zweifellos der Versuch des Präsidenten den Spagat zu schaffen zwischen dem Wahren der wirtschaflichen Interessen des Landes und dem Hinweis auf die Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik China.

Im Gegensatz zu früheren Jahren, als in den tschechischen Medien die Ansicht dominierte, die Menschenrechts-Frage dürfe nicht unter die Räder der Wirtschaftsinteressen kommen, sahen das die Autoren im Vorfeld des Klaus-Besuches in China diesmal differenzierter, wie die folgenden beiden Auszüge beweisen.

Der erste stammt von Viliam Buchert und ist in der Mlada fronta Dnes erschienen:

"Vaclav Klaus hat im Vorfeld seines Besuches betont, er wolle die Frage der Menschenrechte nicht mit tschechischen Wirtschaftsinteressen und umgekehrt verbinden. Und dabei hat er Recht, denn dieser Weg führt zu keinen Ergebnissen. China tauscht nicht das Schweigen über die Menschenrechte für Aufträge zum Bau von Kraftanlagen oder Zementwerken ein, wie uns die wenig konkurrenzfähige tschechische Industrielobby weis machen will. Im Gegenteil - die Chinesen folgen dem Ruf des Geldes oder dem Zustrom von neuen Technologien. Die Frage der Menschenrechte ist aber im Gegensatz zur wachsenden Kluft zwischen Stadt und Land, oder der unterschiedlichen Entwicklung der Provinzen nicht das brennendste Thema des asiatischen Riesen. Aber diese Fragen werden beim Besuch von Klaus in China nicht auf dem Tisch liegen."

Bei Jaroslav Plesl findet sich abschließend in der Tageszeitung Lidove noviny folgender Standpunkt:

"Klaus muss aufpassen, dass er gegenüber den chinesischen Kommunisten, die die Menschenrechte missachten nicht servil auftritt. Es wäre nämlich naiv zu glauben, dass tschechische Firmen dann Aufträge in China erhalten würden, wenn die Politiker dieses Thema nicht ansprechen würden. Klaus sollte sich an Jacques Chirac ein Beispiel nehmen, dessen zu offensichtlicher Versuch sich bei den Chinesen anzubiedern ihm zu Hause auch auf den Seiten der konservativen Presse Kritik einbrachte. Solange also die tschechischen Unternehmen nicht konkurrenzfähig sind, wird auch die Fürsprache von Klaus wenig helfen."