Tschechiens Präsident Vaclav Klaus auf Besuch in China

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus auf Besuch in China (Foto: CTK)

Die heutige Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz befasst sich mit der jüngsten Reise von Präsident Vaclav Klaus nach China. Obwohl dabei insbesondere Wirtschaftsthemen im Vordergrund standen, wurde erwartet, dass Klaus auch die Lage der Menschenrechte in China anspricht. Mehr dazu erfahren Sie nun von Robert Schuster.

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus auf Besuch in China  (Foto: CTK)
Tschechiens Präsident Vaclav Klaus befand sich in den vergangenen Tagen auf einem elftägigen Staatsbesuch in der Volksrepublik China. Es war überhaupt die erste Visite eines tschechischen Staatschefs im früheren Reich der Mitte, denn der Amtsvorgänger von Klaus - der einstige Bürgerrechtler und Regimekritiker Vaclav Havel - hat die aufstrebende Wirtschaftsmacht gemieden und wurde von den kommunistischen Machthabern in Peking auch nie eingeladen. Stattdessen pflegte Havel - ganz im Einklang mit seinem Wirken vor 1989 - relativ enge und häufige Kontakte mit zahlreichen chinesischen Oppositionellen, und nicht zuletzt auch mit dem im indischen Exil lebenden geistlichen Oberhaupt Tibets, dem Dalai-Lama.

Klaus wurde in China von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, die sich milliardenschwere Aufträge für tschechische Unternehmen erhoffte. Doch darin bestand auch schon das Dilemma dieser China-Reise: Wie stark dürfen die wirtschaftlichen Interessen der ausländischen Gäste die nach wie vor bestehenden Menschenrechtsverletzungen in China überlagern? Nicht zuletzt steht ein Großteil der chinesischen Industrieproduktion unter dem Verdacht, von Zwangsarbeitern hergestellt zu werden. Viele der bestehenden Repressionen gegen Regimekritiker, Anhänger verschiedener Glaubensgemeinschaften oder Angehörige nationaler Minderheiten sind seit langem festgehalten und dokumentiert. Außerdem ist die Volksrepublik China wegen ihrer Menschenrechtspolitik seit Jahrzehnten mit internationaler Kritik konfrontiert.

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus und Chinas Präsident Chu Tin-tchao  (Foto: CTK)
So lag zum Beispiel erst vorvergangene Woche im UN-Menschenrechtsausschuss in Genf ein Resolutionsentwurf der Vereinigten Staaten zur Lage der Menschenrechte in China zur Abstimmung vor, der jedoch von einer Mehrheit der 53 Ausschussmitglieder abgelehnt wurde.

Wie ist die gegenwärtige Lage in China in puncto Menschenrechte zu bewerten? Konnte in den vergangenen 15 Jahren, also in der Zeit nach der brutalen Niederschlagung der oppositionellen Demonstrationen auf dem Pekinger "Platz des Himmlischen Friedens" nicht eine Besserung verzeichnet werden - nicht zuletzt auch als Folge der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes? Das fragten wir den Leiter der tschechischen Sektion von Amnesty International, Lubomir Majercik:

"In China ist es im Bereich der Menschenrechte auf jeden Fall zu Veränderungen gekommen. Es ist aber schwer zu beurteilen, ob sich die Situation im Verlauf der vergangenen 15 Jahre wesentlich gebessert hat. Wir von Amnesty International meinen, dass es im Wesentlichen zu keiner Verbesserung gekommen ist. Zwar hat Peking in der Zwischenzeit eine Reihe von internationalen Abkommen unterzeichnet, aber die wahre Lage im Land widerspricht dem Geist vieler dieser Verträge. Auf der einen Seite hat heute die chinesische Bevölkerung aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und der Fortschritte nun größere Wahlmöglichkeiten, was den Bereich ihres persönlichen Lebens angeht, aber gleichzeitig konzentrieren sich die Repressionen des Regimes gegen viele neue Gruppen, wie etwa gegen die so genannten Cyber-Dissidenten, also Regimekritiker, die ihre kritischen Texte ins Internet stellen. Das ist also eine Neuerung."

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus und Chinas Präsident Chu Tin-tchao  (Foto: CTK)
So wie bei anderen ausländischen Präsidenten lag auch die Regie des Klaus-Besuches natürlich ganz in den Händen der chinesischen Gastgeber. Auf dem Programm standen somit nicht nur der obligatorische Besuch bei den Panda-Bären oder das Zusammentreffen mit jubelnden Menschen, sondern auch Machtdemonstrationen der besonderen Art, wie etwa die weit reichende Abriegelung einer wichtigen Autobahn, um der Wagenkolonne des tschechischen Staatschefs freie Durchfahrt zu gewährleisten.

Der für die meisten westlichen Staatsgäste heikelste Teil der Visite begann dann mit den offiziellen Gesprächen des Präsidenten mit den Spitzen Chinas. Klaus hatte bereits im Vorfeld seines Besuchs angekündigt, auf die Frage der Menschenrechte erst bei seinen Gesprächen in Peking eingehen zu wollen, ließ jedoch offen, wie engagiert er das Thema anpacken will.

Was erhofft sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International vom Besuch des tschechischen Präsidenten in Bezug auf die Menschenrechts-Frage? Für wie reell hält unser Gesprächspartner Lubomir Majercik die Möglichkeiten des Vertreters eines Landes mit 10 Millionen Einwohnern? Kann da im Endeffekt das größere Gewicht von Politikern aus Ländern wie den Vereinigten Staaten, Großbritannien oder Deutschland nicht mehr bewirken?

"Die Entscheidungen des Präsidenten sind natürlich legitim und liegen nur bei ihm selbst - da können wir ihm nichts vorschreiben. Es wäre sicherlich auch kontraproduktiv, wenn er während seiner China-Reise über nichts anderes als nur über die Menschenrechte sprechen würde. Dennoch sollte Klaus auf jeden Fall dieses Thema ansprechen. Ein gutes Modell hat in dieser Hinsicht die Europäische Union entwickelt, die jedem Vertrag, den sie mit China oder vergleichbaren Staaten abschließt, eine Menschenrechts-Klausel hinzufügt. Es stimmt natürlich, dass der Vertreter eines kleinen Landes wohl wesentlich weniger erreichen kann, als etwa der deutsche Kanzler. Aber auf der anderen Seite sehe ich keinen Grund dafür, warum die Menschenrechtsfrage gar nicht zur Sprache kommen sollte. Denn Reise wäre meines Erachtens in einer gewissen Weise unnötig, wenn sie darauf nicht aufmerksam machen würde."

Auch der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril von der Prager Karlsuniversität, meint im Folgenden, dass die Größe eines Landes kein Hindernis bei der Vertretung der universellen und unteilbaren Menschenrechte darstellen dürfe:

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus und KPCh-Generalsekretär der Provinz Sichuan,  Süe-chung  (Foto: CTK)
"Es reicht jede einzelne, wenn vielleicht auch zufällige Stimme, um zu zeigen, dass es in dieser Frage eine Art allgemeinen Konsens gibt. Da kommt es dann nicht darauf an, ob diese Stimme von einem Vaclav Klaus, oder von Gerhard Schröder oder Dick Cheney kommt. Die bedeutend geringere Größe Tschechiens bedeutet bei weitem nicht, dass das Land auf die Menschenrechtslage in anderen Staaten der Welt nicht aufmerksam machen darf. Ich sehe eher die Gefahr, dass Klaus in China seine Vorbehalte in wenig aussagekräftige Sätze packt, wie bei der Pressekonferenz nach dem Treffen mit dem chinesischen Parteisekretär, der auch für Tibet verantwortlich ist. Dort bekam man den Eindruck, Klaus´ Worte wären für das Publikum in Tschechien bestimmt, nicht aber für China."

Die Tschechische Republik bzw. die davor bestehende Tschechoslowakei hat in den letzten Jahren eine nicht uninteressante Entwicklung vollzogen: und zwar von einem Land, das vor 1989 selber wegen der Unterdrückung der Menschenrechte kritisiert wurde, zu einem Land, dessen Vertreter auf ihren Auslandsreisen deren Einhaltung einmahnen.

Wie stark engagieren sich tschechische Politiker in diesem Bereich? Ist die Menschenrechtsfrage mittlerweile zum festen Bestandteil der tschechischen Außenpolitik geworden? Dazu meint abschließend der Chef des tschechischen Büros von Amnesty International, Lubomir Majercik:

"Das ist verschieden. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass manche Ministerien bzw. deren Vertreter in dieser Hinsicht sensibler sind als andere. Dazu gehört das Außenministerium, wo es auch im Bezug auf die Tätigkeit von Amnesty International eine stärkere Resonanz gibt. Manchmal hören wir aber von anderen Politikern, dass es gerade in den Ländern Asiens so genannte spezifische asiatische Werte gebe und dass man diesbezüglich die unterschiedliche Auffassung akzeptieren und nicht versuchen sollte, europäische Muster und Modelle durchzusetzen. Das stimmt aber nicht, weil sich in Bezug auf Folter oder außergerichtliche Hinrichtungen wohl in keiner Kultur Beispiele finden lassen, die so etwas als normal bezeichnen würden. Die Politiker sollten hier also nicht die Flucht in Ausreden suchen, sondern sollten auf die Verletzung von Menschenrechten aufmerksam machen. Und zwar schon deshalb, weil Tschechien als künftiges Mitglied der Europäischen Union in dieser Hinsicht sicherlich eine stärkere Position haben wird."