Der lange Schatten der WM: Kaiser bestätigt tschechischen Wahltermin

Welche Rolle spielt der Sport in der Politik? Und welche die Politik im Sport? In Prag trug sich dieser Tage eine Episode zu, die der möglichen Beantwortung dieser Fragen eine neue, ziemlich bunte Facette hinzufügt.

Franz Beckenbauer  (Foto: CTK)
Am 31. Januar erhielt die Redaktion von Radio Prag folgende offizielle Presseaussendung des tschechischen Regierungsamtes:

"Premierminister Jiri Paroubek hat heute nach Abwägen aller Umstände den Termin für die diesjährigen Wahlen zum Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik bestätigt. Die Wahlen finden eine Woche vor der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft statt, also am Freitag und Samstag, dem 2. und 3. Juni 2006."

Noch am selben Tag konnte man in der tschechischen Nachrichtenagentur CTK den folgenden Satz lesen:

"Den Wahltermin in Tschechien bestätigte auf einer Pressekonferenz auch der legendäre 'Kaiser'."

Wer sich mehr für Politik und weniger für Sport interessiert, den kann eine solche Aussage schon einigermaßen verwirren. Daher schnell zur Erklärung: Der Kaiser ist der ehemalige Fußballtrainer und gegenwärtige Chef des WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer. Und in Prag war Beckenbauer im Rahmen seiner Welcome-Tour, die ihn durch alle 31 WM-Teilnehmerländer führt.

König Fußball und Kaiser Franz: Zwei Monarchen mischten also kräftig mit im Vorfeld der Parlamentswahlen, sozusagen des Hochamts der Demokratie. Aber da der Termin der WM nun schon mal feststeht, ist das auch gut so. Die Leute sollen sich "ganz auf die Entscheidung über die Zukunft unseres Landes konzentrieren können", sagte Premierminister Paroubek. Und tatsächlich wären eine geringe Wahlbeteiligung oder eine durch Bier und Begeisterung getrübte Sehschärfe ein hoher Preis für schlechte Terminplanung. Der Ausgang der Wahl, der könnte dann durchaus von der WM beeinflusst werden.

Ins Spiel kam übrigens auch die umgekehrte Variante - wenn auch nur durch einen kleinen, weitgehend unbemerkten Versprecher. Franz Beckenbauer sagte auf der erwähnten Pressekonferenz, dass der "Ausgang der Weltmeisterschaft nichts mit der Parlamentswahl in der Tschechischen Republik zu tun hat". Dem können wir vollinhaltlich zustimmen. Denn bei allem Vertrauen in die Stärke der Demokratie: Dass die Wahl in Tschechien Einfluss darauf hat, wer die WM gewinnt, das glauben selbst wir nicht, lieber Kaiser.