Der Medienspiegel

Tschechische Telecom

Von Robert Schuster und Silja Schultheis.

Zwei Ereignisse, die die Medien-Gemüter hierzulande - und nicht nur sie - in der vergangenen Woche bewegt haben, stehen im Mittelpunkt unserer heutigen Sendung: der Zerfall der sog. Viererkoalition - jenes oppositionellen Parteienbündnisses, das als ernsthafter Favorit der im Juni bevorstehenden Parlamentswahlen galt. Und zum anderen die jüngsten Preiserhöhungen der Tschechischen Telecom, in deren Folge bereits 1,4% der Kunden - in konkreten Zahlen rund 50.000 - ihre Festnetzanschlüsse gekündigt haben.

Tschechische Telecom
Lassen Sie uns mit dem zweiten Thema beginnen. Um durchschnittlich 3,7% hat die Tschechische Telecom zum 1. Februar die Gebühren für ihre Leistungen erhöht. Betroffen von den Erhöhungen sind insbesondere die monatlichen Pauschalgebühren. Hier können die Kunden allerdings künftig zwischen verschiedenen Tarifen wählen - je nachdem, wie häufig und lange - und wohin- sie telefonieren bzw. wie ausgiebig sie das Internet benutzen. Dieser jüngste Schritt der Telecom hat nicht nur heftige Diskussionen in den Medien ausgelöst., sondern zahlreiche Kunden auch dazu veranlasst, dem dominanten Unternehmen den Rücken zu kehren. Organisierter Protest gegen die monopolartige Stellung der Telecom auf dem hiesigen Telekommunikationsmarkt? Der Publizist und Schriftsteller Ondrej Neff, der sich seit Jahren in Sachen Telefongebühren engagiert, sieht es etwas anders:

"Ich würde statt von Protest eher von einer rationalen ökonomischen Erwägung sprechen. Jeder muss sich überlegen, ob es sich für ihn auszahlt, einen Festnetzanschluss zu haben, oder ob es nicht besser ist, sich ein Mobiltelefon zu kaufen und von der Telecom unabhängig zu sein. Es ist interessant, dass es sich heute gerade für weniger telefonierende Bürger eher auszahlt, ein Handy zu haben als einen Festnetzanschluss."

Ondrej Neff, der als begeisterter Internetfan u.a. Herausgeber der Webzeitschrift Der unsichtbare Hund ist, hat bereits vor drei Jahren gegen einen Anstieg der Internetgebühren protestiert:

"Das war eine Reaktion auf die erste drastische Preiserhöhung, die damals in beträchtlichem Maße die Entwicklung des Internets in der Tschechischen Republik bedroht hat. Ich habe damals gemeinsam mit einigen anderen bekannten Persönlichkeiten Verhandlungen mit der Telecom aufgenommen, um auf einen speziellen Tarif für Internetverbindungen hinzuwirken. Dadurch dass sich die Öffentlichkeit hinter uns gestellt hat, ist es gelungen, diese Initiative erfolgreich zu Ende zu führen."

Heute jedoch stellten Petitionen und Proteste gegen die Telecom kein wirksames Mittel mehr dar, äußerte Neff am Mittwoch in einem Chat der Internetzeitung Financni noviny, in dem er gemeinsam mit Telecom-Sprecher Vladan Crha für Fragen zur Verfügung stand. Was nun vor allem anderen Not tue, sei Druck auf die politischen Parteien. Denn, so Neff:

"Ich habe von Anfang an die Meinung vertreten, dass die Zielscheibe des Protestes weniger die Telecom sein sollte - sie ist einfach ein Unternehmen, das auf rationale ökonomische Weise seine Interessen vertritt. Aber es gibt hier Regierungsorgane wie das Amt für Telekommunikation, das Finanz- und Verkehrsministerium. Und diese Organe sollten als Regulatoren dienen. Vor allem auch deshalb, weil die Telecom immer noch kein vollständig privatisiertes Unternehmen, sondern in beträchtlichem Maße immer noch in der Hand des Staates ist. Ich behaupte, dass diese Organe ihre Aufsichts- und Regulationspflicht ganz einfach schlecht erfüllen."

Wie sich die Situation auf dem Telekommunikationsmarkt weiter entwickelt, wird vermutlich in nicht unwesentlichem Maße vom Ausgang der Parlamentswahlen im Juni abhängen. Bislang jedoch, betont Ondrej Neff, habe sich mit Ausnahme eines einzigen Abgeordneten noch kein Politiker über die künftige Politik in diesem für die Bürger doch äußerst relevanten Bereich geäußert.

Themenwechsel: Mit dem Ziel, eine politische Alternative zu dem Toleranzpakt der beiden größten Parteien zu bieten, hatten sich nach den letzten Parlamentswahlen mehrere kleinere Oppositionsparteien zur sog. Viererkoalition zusammengeschlossen. Ende vergangener Woche nun ist dieses Bündnis an der Krise um die umstrittenen Finanzpraktiken ihres kleinsten Partners - der Demokratischen Bürgerallianz (ODA) - zerbrochen. Und das, obwohl es als aussichtsreicher Kandidat für die im Juni anstehenden Parlamentswahlen galt. Für die tschechische Presse war der Zerfall der Viererkoalition in der zurückliegenden Woche daher naheliegenderweise Thema Nr. 1.

So kommentierte die Tageszeitung Lidove noviny das Ereignis am Samstag wie folgt:

"Die Viererkoalition wollte einen neuen Stil' in die Politik einführen. Dem kann man Glauben schenken, denn für eine Reihe von Bürgern ist das verlogene Kartell des Oppositionsvertrages zwischen den beiden größten Parteien schwer verdaulich. Nur: Gegen etwas zu sein reicht alleine nicht aus. Die niedrige Kultur der Lösung des gegenwärtigen Streites in der Viererkoalition deutet an, welchen neuen Stil dieses Bündnis einführen möchte."

Die Zeitung Pravo macht sich Gedanken über die Gründe für den Zerfall der Viererkoalition und schreibt dazu in ihrer Mittwochsausgabe:

"Vor dem Hintergrund der dramatischen Veränderungen in den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass diejenige politische Gruppierung, die der dominanten Stellung der beiden größten Parteien etwas entgegen setzen wollte, an ihrer Spitze keine starke Persönlichkeit hatte. Ihr fehlte eine echte politische Führungskraft mit Autorität, die selbstverständlich von den politischen Parteien und von der Öffentlichkeit respektiert worden wäre, eben irgendein "Zeman-Klaus". Und aus diesem Grund ist die Viererkoalition knallhart auf den Beton der politischen Realität gefallen. Kaum einer würde wohl daran zweifeln, dass wenn an ihrer Spitze noch der frühzeitig verstorbene Josef Lux stände, er diesen Krach vier Monate vor den Wahlen kaum zugelassen hätte."

In dem Fehlen einer starken Führungspersönlichkeit sieht auch der Journalist Martin Schmarcz den Hauptgrund für das Auseinanderbrechen der Viererkoalition und führt dazu in der Montagsausgabe der Mlada fronta dnes aus:

"Auch der Bürgerdemokratischen Partei drohte ein ähnlicher Zerfallsprozess wegen eines Skandals mit Schweizer Bankkonten. Ihr Vorsitzender Vaclav Klaus ließ jedoch keinerlei öffentliche Selbstgeißelung zu. Auch die Sozialdemokraten hatten größere Schulden als die ODA. Aber sie hatten auch Milos Zeman. Dieser schloss jeden aus der Partei aus, der über irgendwelche Unrechtmäßigkeiten auch nur flüsterte. Der Führer der Viererkoalition, Karel Kühnl, hingegen hat sich in der jüngsten Krise wie ein Papiertiger verhalten, und der ganze Humbug endete logischerweise mit seinem Rücktritt. Ein Zyniker würde sagen, dass Unmoral und starrköpfiges Verleugnen sich in der Politik besser bezahlt machen als Offenheit und das Bemühen um Verbesserung. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Die Bürger fordern von den Parteien vor allem Sicherheit. Eine korrupte, aber stabile Partei zu wählen, ist für sie ein kleineres Übel als einem Knäuel von unergründlichen Streitereien ihre Stimme zu geben."

Soweit die Tageszeitung Mlada fronta dnes. Abschließend noch ein Auszug aus der Wochenzeitschrift Respekt, die in ihrer jüngsten Ausgabe auch auf die Verdienste der Viererkoalition aufmerksam macht:

"Wieder haben die Skeptiker Recht behalten: Die Viererkoalition hat wirklich nicht bis zu den Wahlen überlebt, sondern wurde durch den unversöhnlichen Kampf der ODA mit den Christdemokraten zerrüttet. Das ist eine Tatsache, und dazu gehört eine weitere Warnung: Wem die gegenwärtige politische Elite nicht passt, der hat Pech. Denn wenn nicht irgendetwas Unerwartetes passiert, werden sich die Führer der Bürger- und Sozialdemokraten auch nach den bevorstehenden Wahlen die Macht im Lande teilen. Aber die Viererkoalition zu bedauern, ist nicht nötig. Eine ihrer Aufgaben hat sie erfüllt: Ihr erfolgreicher Kampf gegen den Missbrauch des Wahlrechts und die Änderung der Verfassung hat gezeigt, dass die Demokratie in Tschechien immer noch von deren Grund legenden Regeln geprägt wird."