In der Region von "André": Im historischen Weinkeller in Velke Pavlovice

Jaroslav Susky

In einer der vergangenen Ausgaben der Sendereihe "Reiseland Tschechien" haben wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, zum Weinfest nach Südmähren eingeladen. Die Weinkeller in der Stadt Velke Pavlovice, die oft als die Winzermetropole in Tschechien bezeichnet wird, sind jedoch nicht nur während der Weinfeste offen.

Wein wird in Tschechien in zwei Gegenden angebaut: im Weinbaugebiet Mähren und im Weinbaugebiet Böhmen, wobei der Großteil der tschechischen Weinproduktion - ganze 94 Prozent - aus Mähren stammen. Eines der vier so genannten "Untergebiete" in Mähren ist das von Velke Pavlovice / Großpawlowitz. Die etwa 40 Kilometer östlich von Brno / Brünn gelegene Stadt wird manchmal auch die "Weinhaupstadt" genannt.

Die Weinanbautradition reicht in der Region sehr weit zurück. Die ersten Rebsorten wurden in Südmähren bereits von römischen Legionären angebaut. Die Gemeinde Velke Pavlovice wird zum ersten Mal 1252 erwähnt: Der Besitzer des Dorfes Bocek aus Oborany, das zur Gemeinde gehörte, lieferte damals einen Teil seiner Produktion an das Zisterzienserkloster in Zdar. Aus der langen Weinbautradition sind verschiedene Volksfeste hervorgegangen, die in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewinnen. Nach dem gegenwärtigen Weinbau in Velke Pavlovice fragte ich einen der dortigen Weinexperten, Jaroslav Susky:

Jaroslav Susky
"Das Untergebiet von Velke Pavlovice ist durch die Produktion von Rotweinen bekannt geworden. Die Winzer konzentrieren sich hier auf den Anbau der Rebsorten Blauer Portugieser / Modry Portugal und Blaufränkisch / Frankovka. Das sind sehr alte Rebsorten, die in dieser Region nachweisbar bereits Ende des 17. Jahrhunderts angebaut wurden. Außerdem wird hier eine neue Rebsorte - Cabernet Moravia - gezüchtet, die erst 2004 offiziell anerkannt wurde. Sie ist eine Züchtung von Lubomír Glos aus Moravská Nová Ves. Von den Weißweinen werden hier der Weiße Burgunder / Rulandske bile oder der Grüne Veltliner / Veltlinske zelene angebaut. Der Grüne Veltliner ist die am meisten verbreitete Weinsorte in Mähren wie in Niederösterreich."

Jaroslav Susky
Die Winzer aus Velke Pavlovice haben vor einem Jahr einen Verein gegründet, den sie einfach "Wein aus Velke Pavlovice" genannt haben. In diesem Jahr hat der Verein das Programm mit dem Titel "Wein in orange" gestartet. Es geht darum, dass das ganze Jahr hindurch, ab März bis Silvester, jede Woche zwei Winzer sozusagen "Dienst halten" und den ganzen Tag lang den Interessenten zur Verfügung stehen, die mehr über die Weinproduktion erfahren möchten. Sie bieten Führungen durch ihre Weinkeller samt Weinproben an, können aber vor allem von den Besonderheiten des Weinbaus erzählen. Einer der historischen Weinkeller gehört den Winzerfamilien Susky und Stambacher. Jaroslav Susky zufolge können die beiden Familien auf eine etwa 200 Jahre lange Tradition in ihrem Gewerbe zurückblicken:

Weinkeller in Velke Pavlovice
"Der Weinkeller ist seit den Napoleonischen Kriegen, seit 1809 im Besitz der Familie. Der untere Teil des Kellers stammt von der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert. In diesem Raum, wo der Wein gekeltert wird, kann man eine ältere Weinpresse besichtigen. Sie wurde vom hiesigen Schmied Frantisek Petr im Jahre 1936 hergestellt. Bis heute ist die Maschine voll leistungsfähig, nur Öl muss natürlich ausgetauscht werden. Die andere Weinpresse, die aus dem Jahr 1809 stammt, wird heute nicht mehr benutzt, denn für die Weinproduktion unserer Familie ist sie viel zu groß."

Aus dem Presshaus führt der Weinexperte die Besucher in die Kellerräume. Mit den roten Weinen, auf die sich Familie Susky spezialisiert hat, muss dem Winzer zufolge anders als mit den Weißweinen umgegangen werden. Sie werden mindestens sechs, aber meistens zehn Monate lang in Holzfässern gelagert, sagt Susky. Er macht die Besucher darauf aufmerksam, dass sie sich nicht an die Kellerwände lehnen sollen:

Weinpresse
"Der Keller ist sehr alt. Die Decke über uns enthält viel Kalk, und die kleinen Tropfsteine sind hier während der vergangenen 400 Jahre entstanden. Eventuelle Flecken, die die Tropfsteine machen, sind mit keinem Mittel mehr von der Kleidung zu entfernen. Der Wein wird hier in Fässern verschiedener Größe aufbewahrt. Wenn die Besucher Wein kosten wollen, machen wir lieber eine Flasche auf, als das ganze Fass zu öffnen, denn nur im Behälter, der geschlossen ist, kann der Wein stabil bleiben - und wir wollen keine Probleme riskieren."

Jaroslav Susky zufolge hat die Wiederbelebung der Weinproduktion durch die Kleinwinzer nach der Wende von 1989 auch dazu geführt, dass auch einige fast verschwundene Handwerkerberufe wieder belebt wurden: wie Kunstschmied oder Fassbinder.

Weinpresse
"Der Fassbinderberuf existierte bis vor etwa zehn Jahren nicht mehr. Ich bestelle nun die Fässer bei einem jungen Mann aus der Nachbargemeinde. Er ist Fassbinder von Beruf und bekommt ständig Aufträge von den Winzern. Also das Handwerk wird wieder gebraucht. Einige der Fässer, die noch benutzt werden, sind fast 80 Jahre alt und müssen bald ausgetauscht werden. So eines der Fässer hier, das so genannte ´Barriquefass´, also ein Fass, das im inneren ausgebrannt wurde, um dem Wein den entsprechenden Beigeschmack zu verleihen. Um das typische Aroma zu haben, müssen Barriqueweine jedoch nicht nur in den speziellen Fässern gelagert werden, sondern dem Wein werden so genannte Chips, also eine Art Holzplättchen zugesetzt. In unserem speziellen Barriquefass, das man hier im Keller sehen kann, wird der Frankovka / Blaufränkische gelagert, er schmeckt ein wenig nach Schwarzkirschen."

Aus Velke Pavlovice stammt übrigens eine Weinsorte, die in den letzten Jahren zu den beliebtesten Rotweinsorten in Tschechien gehört: Der "André" wurde von Jaroslav Horak gezüchtet und 1980 in das staatliche Sortenbuch eingetragen. Der Weinexperte hatte den Blaufränkischen mit der Sorte Saint Laurent gekreuzt. Sie wurde zu Ehren von Christian Carl André (1763-1831) benannt, dem Gründer des Vereins zur Förderung der Obst- und Weinrebenzucht in Brno / Brünn. André war ein namhafter Naturwissenschaftler, Pädagoge sowie Publizist und hat sich große Verdienste um die Entwicklung der Naturwissenschaften in Mähren gemacht. Nach ihm beziehungsweise dem beliebten Rotwein wurde auch der neue Radweg benannt, der durch die ganze Region von "André" führt.

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