Der Stolz der böhmischen Glasmacherei
Böhmisches Glas erfreut sich auch in Fachkreisen internationaler Anerkennung. Hinter den Glasschmuckstücken steht jedoch eine jahrelange gründliche Ausbildung. Eine der namhaften Schulen für das Glasmachergewerbe ist die Mittelschule in Kamenicky Senov / Steinschönau. Nun feiert sie ihr 150. Jubiläum. Im Prager Museum für Kunstgewerbe wurde aus diesem Anlass eine Ausstellung über die Geschichte und Gegenwart dieser Schule eröffnet. Bara Prochazkova bringt Ihnen den Stolz der böhmischen Glasmacherei näher.
"Glas und Licht" heißt die Ausstellung, die die vergangenen 150 Jahre der Glasmacherschule in Nordböhmen darstellt. Glas wurde in Kamenicky Senov / Steinschönau ununterbrochen hergestellt, es gab jedoch nicht nur Lichtblicke. Die ehemaligen Schüler sind mit ihrer Ausbildung sehr zufrieden, so auch Ales Holub, der in den 60er Jahren die Mittelschule absolviert hat:
"Sehr gut, es war wirklich perfekt", sagt Ales Holub. der sich die Ausstellung anlässlich des 150jährigen Jubiläums der Schule auch in Prag angesehen hat. Er erinnerte sich beim Betrachten der Kunststücke an seine Lehrer:
"Wir hatten sehr gute Lehrer, zur Hälfte waren es Frauen und zur Hälfte Männer. Sie hatten einen guten Zugang zur Materie. Es waren Leute mit großen Fähigkeiten, die viel vom Thema wussten und uns dies beibringen konnten."
Die Glasbläser aus Steinschönau gehören bis heute zur Spitze der tschechischen Glasmacherei, gemeinsam mit den Schulen in Zelezny Brod und Novy Bor. Sie leisten einen bedeutenden Beitrag zur internationalen Berühmtheit des böhmischen Glases, sagt einer der beiden Kuratoren der Ausstellung im Kunstgewerbemuseum, Milan Hlaves:
"Das böhmische Glas erlangte Weltberühmtheit durch die langjährige Tradition der Glasverarbeitung in Böhmen, die guten technologischen Kenntnisse, durch ihr Handwerkszeug sowie durch die gute Verarbeitung. Aber das wichtigste ist die Fähigkeit der tschechischen Glasmacher, das Glas neu wahrzunehmen und zu transformieren."
Die Bedeutung des böhmischen Glases liegt vor allem darin, dass die tschechischen Künstler fähig sind, an das Material neu heranzugehen und mit ihm anders zu arbeiten als bisher üblich. Aber auch die böhmische Glasbläserei musste mit bestimmten Hochs und Tiefs kämpfen. Aus heutiger Sicht waren die 50er und 60er Jahre die beste Zeit für das böhmische Glashandwerk, erinnert der Direktor der Glasmacherschule, Pavel Werner:
"Im 19. Jahrhundert hatten die böhmischen Glasbläser eine gute Zeit. Aber auch nach dem zweiten Weltkrieg in den 50er Jahren, als tschechische bildende Künstler in das Grenzgebiet gekommen sind, waren die tschechischen Glasmacher erfolgreich. Sie haben an den tschechischen Schulen studiert, die nach dem Krieg wieder geöffnet wurden. Sie haben also eine Chance bekommen und daraufhin einen festen Platz im Bereich der Glasmacher eingenommen. Es war eine neue tschechische Glasbläserwelle."
Mitte des 19. Jahrhunderts, im Jahre 1856, wurde in Steinschönau die Glasmacherschule gegründet - eine deutsche Schule für sudetendeutsche Schüler und Pädagogen. Die nationalen Streitigkeiten wurden jedoch nie zum Thema unter den Glasbläsern, sagt der Kurator der Ausstellung Antonin Langhamer:
"Der erste Direktor der Schule war ein Tscheche und es hat keinen gestört. Auch wenn sich die Bedingungen Schritt für Schritt verschlechtert haben, hat sich die Schule bis zum letzten Moment zu ihm bekannt." Und nicht nur das, führt Antonin Langhamer fort: "Die Schule wurde zu allen tschechischen Ausstellungen und Präsentationen eingeladen. Sie haben zuverlässig an allen teilgenommen."
Denn ein wichtiger Meilenstein in der Ausbildung der Glasbläser war die Entstehung der Tschechoslowakei im Jahre 1918, betont Antonin Langhamer: "Die Schule hat diese Veränderung sehr schwer ertragen, weil sie vorher klar in Richtung Wien orientiert war. Es gab Kontakte zum Wiener Museum für Kunstgewerbe sowie zu weiteren Kunstschulen. Am Anfang bestand also kein großes Interesse daran, mit tschechischen Institutionen zusammenzuarbeiten. Das wurde aber schnell überwunden und um das Jahr 1920 hat die Schule Kontakte zu Prag aufgenommen."
Vor 1918 haben die meisten Schüler ihre Studien in Wien weitergeführt. 1923 sind die ersten Schulabgänger dann an die tschechische Hochschule für Kunstgewerbe gegangen. Die Glasmacherschule gehörte schon damals zu den besten in der Tschechoslowakei, meint Antonin Langhamer: "Die Prager Verwaltung hat 1937 die Schule in Steinschönau mit der Herstellung des Geschenks für den Hauptdirektor der Weltausstellung in Paris beauftragt."
Als nach dem Krieg die deutsche Bevölkerung aus der Tschechoslowakei vertrieben wurde, mussten auch alle Lehrer die Schule verlassen. Sie fanden sich jedoch in Deutschland wieder zusammen und gründeten daraufhin 1948 eine Schule in Reinbach bei Köln. Eine Reinbacher Ausstellung der letzten Jahre symbolisiert diese Entwicklung so: Ein Baum - zwei Zweige. Die Reinbacher Schüler sind Spezialisten für die Vitrinenmalerei und die Tschechen für das Glasfärben. So können sich beide Seiten ergänzen, sagt Antonin Langhamer: "Inoffiziell wussten die Schulen bereits in den 60er Jahren voneinander, aber offizielle Kontakte und Zusammenarbeit gibt es erst seit den 90er Jahren."
Die Zusammenarbeit wurde 1996 mit einem offiziellen Vertrag bestätigt. Heute interessieren sich beide Seiten für das Glashandwerk und führen keine Diskussionen über die sudetendeutsche Vergangenheit, bestätigt Antonin Langhamer. Zu den Erfolgen der böhmischen Glasmacherei trägt auch die Art der Glasbläserausbildung einen großen Teil bei. Im ersten Jahr lernen die Jugendlichen Zeichnen, arbeiten mit Raumsehen und Perspektive. Im zweiten Jahr befassen sie sich mit der Anatomie der Menschen und erstellen die ersten Objekte, wie zum Beispiel Trinkgläser. Dazu kommt Physik und die Lehre vom Licht. Erst im dritten und vierten Jahr stehen die Themen Design und Glasfärben auf dem Programm. Die Schulabgänger bilden sich oft an Hochschulen für Kunstgewerbe weiter oder arbeiten in der Glasindustrie als Gestalter. Kamenicky Senov ist auch auf besondere Methoden der Glasbearbeitung spezialisiert, erwähnt der Direktor der Schule Pavel Werner:
"Eine traditionelle Technik in Steinschönau ist die Glasradierung. Aus kommerziellen Gründen wird sie heute nicht mehr so viel genutzt. Es handelt sich um eine graphische Technik, die wir mit der Formung der Reliefs ergänzen."
Pavel Werner kann also auf das 150jährige Wirken seiner Schule stolz zurückblicken. Und nicht nur er. Im Prager Museum für Kunst und Gewerbe wird allen Interessierten die Geschichte der Schule anhand von Arbeiten der Schüler und Pädagogen näher gebracht. Der zweite Teil der Ausstellung ist im Prager Designzentrum zu sehen, wo Designstücke für die Glasindustrie wie Gläser oder Vasen präsentiert werden. Im Herbst findet in der Schule ein großes Ehemaligentreffen statt und zu diesem Anlass wird eine Konferenz der Tschechischen Glasgesellschaft zu Technologien der Glasverarbeitung eröffnet.