Venezianisches und böhmisches Glas in Schloss Troja

Foto: Archiv des Kunstgewerbemuseums

Das Prager Schloss Troja wurde im 17. Jahrhundert als Sommerresidenz für die Adelsfamilie Sternberg erbaut. Das Schloss, das am rechten Moldauufer gegenüber dem Eingang des Prager Zoos liegt, wird von der Galerie der Hauptstadt Prag verwaltet. Anfang April wurde ähnlich wie in anderen Schlössern und Burgen auch in Troja die Saison feierlich eröffnet. Bei dieser Gelegenheit fand die Vernissage einer neuen Dauerausstellung statt, die in den prunkvollen Barocksälen zu besichtigen ist. Nun ist neben Jugendstilplastiken in dem Schloss auch venezianisches und böhmisches Glas zu sehen. Die Glasausstellung wurde in der Zusammenarbeit mit dem Prager Kunstgewerbemuseum zusammengestellt, das Museum hat in seinen Sammlungen rund 20.000 Glasgegenstände. Bei der Vernissage hat Radio Prag mit der Leiterin des Kunstgewerbemuseums, Helena Koenigsmarková, gesprochen.

Becher  (Venedig,  19. Jh.). Foto: Archiv des Kunstgewerbemuseums
Frau Koenigsmarková, worauf konzentriert sich die neue Glasausstellung im Schloss Troja?

„Auf zwei wichtige Phänomene in der Geschichte der Glaskunst: das venezianische Glas vom 15. bis 17. Jahrhundert und das Böhmische Glas aus dem 17. bis zum 19. Jahrhundert. Wir haben zuvor im Winter bereits eine kleinere Auswahl von Glasprodukten aus unseren Sammlungen für eine Ausstellung zusammengestellt, die in den Räumlichkeiten der Bank Česká spořitelna gezeigt wurde. Als wir begannen, eine Glasausstellung für das Schloss Troja aufzubauen, haben wir teilweise Exponate dieser früheren Ausstellung genutzt, bei der Glas aus dem 17. Jahrhundert im Mittelpunkt gestanden war. Ich glaube, dass eine derartige Glasausstellung hervorragend in die barocke Umgebung von Troja passt.“

Wodurch unterscheidet sich das venezianische Glas vom Glas aus Böhmen?

Helena Koenigsmarková  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Wurzeln der venezianischen Glasproduktion liegen im 10. Jahrhundert. Genau weiß man das nicht, aber es ist bekannt, dass Venedig schon vor Jahrhunderten ein Zentrum des Handels zwischen Europa und dem Fernen Osten war, von Venedig wurden diese Produkte in weitere Gegenden Europas gebracht. Das in Böhmen produzierte Glas hat aber auch eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter reicht. In beiden Regionen hat sich die Glasproduktion parallel entwickelt und wurde durch mehrere Faktoren beeinflusst. Es gab Techniken, die sowohl in Venedig, als auch in Böhmen genutzt werden: Im 15. und 16. Jahrhunderten wurde beispielsweise das Glas mit kalter Emaille verziert. Der Unterschied zwischen dem venezianischen und dem böhmischen Glas besteht in der Glasmasse, denn der in Italien genutzte Quarzsand unterschied sich vom Quarzsand in Mitteleuropa. Das venezianische Glas war sehr dünn und zart, bei der Herstellung wurde vor allem die Blastechnik genutzt. Das böhmische Glas war bedeutend stärker und härter, und schon bald wurde begonnen, es mit Schliff und Schnitt zu dekorieren.“

Teller  (Venedig,  16. Jh.). Foto: Archiv des Kunstgewerbemuseums
Wie war die Stellung der Glasproduktion aus Venedig und aus Böhmen auf dem europäischen Markt?

„Die Konkurrenz für das venezianische Glas wurde während der Zeit immer größer. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte es seine starke Position auf dem internationalen Markt allmählich verloren. Danach beherrschte das böhmische Glas den Großteil des europäischen Marktes. Vor allem im 19. Jahrhundert waren die verschiedenen farbigen und reichlich verzierten Biedermeier-Gläser aus hiesiger Produktion sehr gefragt.“

Wie entstand die Sammlung des Kunstgewerbemuseums, aus der die Exponate in Troja stammen?

„Die wertvollsten Stücke haben Privatsammler vorwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesammelt. Der wichtigste von ihnen für unser Museum war Adalbert von Lanna. Er war Großindustrieller und Kunstmäzen und hatte immer vorgehabt, seine Sammlungen einem Museum zu schenken. Als das Kunstgewerbemuseum eröffnet wurde, schenkte er ihm rund 600 Kunstgegenstände, weitere rund 1000 Exponate kamen in den folgenden Jahren hinzu. Leider kam aber der Rest seiner Sammlungen noch vor seinem Tod im Jahre 1909 an verschiedene Auktionshäuser. Für unser Museum war vor allem die Auktion wichtig, die 1909 vom Auktionshaus Lepke in Berlin veranstaltet wurde. Bei ihr wurden nicht nur Glas, sondern auch Gegenstände aus Zinn, Leder sowie Lannas Graphiksammlung versteigert. Dort gelang es dem Museum, noch einiges Weiteres zu kaufen. Gegenstände aus Lannas Sammlung findet man ansonsten heutzutage in verschiedenen Institutionen der Welt. Eine weitere wichtige Persönlichkeit für unser Museum war der Kunsthistoriker und Sammler Gustav Pazaurek. Er war der erste Leiter des Museums in Liberec / Reichenberg. In den 1920er Jahren leitete er das Museum in Stuttgart, damals erweiterte er seine Glassammlung. In den 1930er Jahren beschloss er, seine Sammlung vor den Nazis zu retten, er wollte sie nach Prag bringen. Ein Teil der Sammlung wurde tatsächlich noch 1933 in unser Museum überführt. Aber der Rest ist verlorengegangen oder wurde während des Kriegs in Breslau zerstört.“


Schloss Troja ist täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr und am Freitag von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Mehr über das Begleitprogramm der Dauerausstellung in Troja erfahren Sie unter www.ghmp.cz.