Designierter Leiter des Totalitarismus-Instituts machte einen Kurs in Marxismus-Leninismus

Jiří Pernes (Foto: ČTK)

Die Konflikte im und um das Institut für das Studium totalitärer Regime gärten schon lange. Aufgabe des Instituts ist es unter anderem, die kommunistische Vergangenheit aufzuarbeiten. Einige Historiker, Politiker und Journalisten warfen dem Institutsleiter Pavel Žáček wiederholt vor, Geschichtsschreibung nur aus den Archiven der früheren kommunistischen Geheimdienste zu betreiben, die dem Institut untergeordnet sind. In der vergangenen Woche schienen die Kritiker einen Erfolg errungen zu haben. Der Institutsrat berief Žáček als Chef ab. Sein Nachfolger soll im April der Historiker Jiří Pernes werden. Doch der sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt seit am Dienstag herauskam, dass er Ende der 1980er Jahre Kurse in Marxismus-Leninismus besucht hatte. Was noch schwerer wiegt: Den Besuch der Kurse hat Pernes in seiner Bewerbung um die Leitung des Instituts verschwiegen. Patrick Gschwend hat darüber mit Petr Koura gesprochen, einem früheren Mitarbeiter des Instituts für das Studium totalitärer Regime.

Herr Koura, Sie waren mit der Arbeit von Pavel Žáček, dem noch amtierenden Leiter des Instituts für das Studium totalitärer Regime, nicht zufrieden. Sie haben Žáček auch öffentlich kritisiert. Waren Sie zufrieden mit der Wahl von Jiří Pernes zum neuen Chef des Instituts?

„Ich war damit zufrieden. Jiří Pernes ist ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der modernen tschechischen Geschichte. Ich glaube, seine Wahl ist eine der letzten Chancen, die Existenz des Instituts zu bewahren.“

Nun ist herausgekommen, dass Jiří Pernes Ende der 80er Jahre an der so genannten Abenduniversität für Marxismus-Leninismus (VUML) geschult wurde. Ändert dieser Umstand etwas an Ihrer Meinung über Jiří Pernes?

„Nein, das ist von den Medien aufgebauscht worden. Überall wird nun darüber geschrieben, dass Pernes an der VUML studiert hat, aber nirgends wird erwähnt, dass er Anfang der 70er Jahre als Oppositioneller verurteilt wurde. Er war nie ein Kommunist, im Gegenteil. Er ist immer aktiv gegen das Regime aufgetreten.

Jiří Pernes  (Foto: ČTK)
Die VUML-Kurse fanden nur einmal in der Woche statt, und es wurden Witze über sie gemacht. In ihnen zeigte sich, wie ideologisch leer das Regime war. Aber wenn man eine leitende Funktion ausüben wollte, musste man die Kurse besuchen. Man kann sich die Frustration vorstellen, wenn jemand mitbekommt, dass weniger fähige und weniger talentierte Leute in Positionen gelangen, nur weil sie in der Partei sind. Ich kann es verstehen, wenn jemand, der nicht mit dem Regime zusammenarbeiten will, einen Kompromiss eingeht, das heißt, diese Kurse in Marxismus-Leninismus besucht, um die Arbeit zu machen, in der er gut ist. Jiří Pernes war Museumsleiter in Slavkov, in einem Museum mit nicht einmal zehn Mitarbeitern. Wenn er sich tatsächlich den Kommunisten angedient hätte, dann hätte er eine wichtigere Funktion haben können als die Museumsleitung in Slavkov.“

Ist es nicht paradox, dass Pernes in seiner Bewerbung um die Leitung des Instituts für das Studium totalitärer Regime den Besuch der VUML nicht angegeben hat? Er wird in seiner neuen Funktion schließlich die Entscheidungsgewalt darüber haben, was und wie viel die Öffentlichkeit über die Zusammenarbeit von Einzelnen mit dem Regime erfährt.

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„Es ist einer der Mythen, die Pavel Žáček als Leiter des Instituts für das Studium totalitärer Regime aufgebaut hat, dass die Informationen über eine Zusammenarbeit mit dem Regime sofort zugänglich gemacht würden. Ich habe im Institut gearbeitet, und ich würde sagen, eher das Gegenteil war der Fall. Žáček ist kein gelernter Historiker sondern Journalist. Er weiß, wie Medien funktionieren und hat in erster Linie Medienskandale produziert, indem er gezielt Dokumente des Instituts an Journalisten weiter gegeben hat. In diesen Dokumenten stand dann, dass dieser oder jener bedeutende Künstler, Schauspieler oder Politiker mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet habe. Das ist kein natürlicher Prozess, wie wenn etwa diese Leute selbst im Archiv in den Akten geforscht hätten. Die Vorstellung, dass es Žáček gewesen sein soll, der das Archiv der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat und Pernes es jetzt wieder dicht macht, ist Unsinn.“