Deutsch in Tschechien
Ende Mai wurde die Finalrunde des "Jugend debattiert international" Wettbewerbes in der deutschen Botschaft in Prag eröffnet. Zwei weibliche und zwei männliche Schüler bilingualer Schulen aus Prag und Olomouc/ Olmütz schafften es ins Finale und mussten vor neugierigem, fast nur deutschem Publikum diskutieren. Das Thema war die Erlaubnis der Sterbehilfe in Tschechien.
Ende Mai wurde die Finalrunde des "Jugend debattiert international" Wettbewerbes in der deutschen Botschaft in Prag eröffnet. Zwei weibliche und zwei männliche Schüler bilingualer Schulen aus Prag und Olomouc/ Olmütz schafften es ins Finale und mussten vor neugierigem, fast nur deutschem Publikum diskutieren. Das Thema war die Erlaubnis der Sterbehilfe in Tschechien. Per Losverfahren wurde die jeweilige Stellung zu diesem Thema ausgewählt und nun blieben den Finalisten zwei Tage um Argumente auszuarbeiten. Angesprochen wurden die aktive und passive Sterbehilfe und die Frage ob Sterbehilfe moralisch vertretbar ist. Die Schüler beider Seiten waren unglaublich überzeugend und man sah dem Publikum an, dass sie im Nachhinein genauso unschlüssig zu diesem Thema waren wie vorher. Die Sprachkenntnis der Finalisten war beeindruckend. Ob sie den Wettbewerb wiederholen würden und wie wenig die Schulnoten mit diesem eigentlich zu tun haben, erzählen die vier Finalisten Barbora Bolková, Boris Kanka, Karel Scheib und Michaela Kratochvilová:
"Also ich glaube wir dürfen nicht mehr mitmachen, aber wenn wir könnten...?"
"Ich glaube wir werden zu alt dafür."
"Hat zwar Spaß gemacht, aber ich weiß nicht. Ich würde es mir überlegen, weil es mir bestimmt schon etwas gebracht hat mit dem Verstehen aber ich weiß nicht, ob ich die gesamte Arbeit noch mal auf mich nehmen wollen würde."
"Schulnoten? Also ich sag es gleich, ich habe eine drei."
"Also ich habe eine eins, aber meine Lehrerin wollte nicht, dass ich zu diesem Wettbewerb gehe, weil sie gesagt hat, dass ich keine Chance habe."
"Mündlich ist es bei mir in Ordnung, aber die Grammatik bleibt irgendwo hinterher bei den dreien. Aber ansonsten eine zwei."
Warum dieses Internationale Projekt als erstes in Tschechien und Polen durchgeführt wurde erklärt uns Matthias Makowski, stellvertretender Leiter des Goethe Instituts in Prag:
"Irgendwo muss man anfangen. Man kann so ein interessantes Projekt wie Jugend debattiert international nicht zeitgleich aus dem Stand in allen Ländern realisieren. Und wir haben uns dann überlegt, dass wir die Länder nehmen, in denen wir wissen, dass ein sehr hoher Kenntnisstand der deutschen Sprache vorhanden ist und das waren Polen und Tschechien, aber wir hätten genauso gut in Italien oder in Großbritannien mit dem Projekt anfangen können."
Jugend debattiert international ist ein Modellprojekt des Fonds "Erinnerung und Zukunft", der Gemeindenützigen Hertie-Stiftung und des Goethe-Instituts Prag. Es basiert auf einer Lehrerfortbildung, die den Lehrkräften ermöglicht, eine Unterrichtsreihe in deutscher Sprache in ihren Klassen anzubieten und so an die Regeln der Debatte bei Jugend debattiert heranzuführen. Jeder Teilnehmer hat am Anfang zwei Minuten ungestörte Redezeit. Anschließend folgen 12 Minuten freie Aussprache. Für das Schlusswort steht jedem Schüler nochmals eine Minute zur Verfügung, in der er seine Meinung auch verändern darf, falls er überzeugt wurde. Bewertet werden Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Der Gewinner, in diesem Fall Barbora Bolková, fuhr am 12. Juni zum Finale des deutschen Jugend debattiert Wettbeweberbes im Beisein von Bundespräsident Horst Köhler nach Berlin und versuchte dort ihr Glück. Doch bei so vielen deutschen Debattierenden sahen ihre Chancen eher schlecht aus. Jedoch der Wettbewerb hat viele Vorteile für tschechische Schüler. Einige davon nennt Matthias Makowski:
"Erstens glaube ich, wenn die Sieger mit anderen Studenten aus anderen Ländern gemeinsam in Berlin vor dem Bundespräsidenten debattieren, das ist schon ein ganz erhebendes Erlebnis. Darüber hinaus glauben wir, dass es ihnen eine konkrete Europaerfahrung ermöglicht. Sie merken: Mit der deutschen Sprache, mit der Kenntnis der kontroversen Debatte bin ich Mitglied einer, wie hat es Herr Keahlbrandt gesagt, einer größeren Gemeinschaft der Debatanten."Junge Menschen anstiften, gutes Deutsch zu reden, sei der Hauptgedanke des "Jugend debattiert Wettbewerbes", so der Vorstandsvorsitzende der Gemeindenützigen Hertie- Stiftung, Dr. Michael Endres. Das im Jahre 2000 von dieser Stiftung entworfene Modellprojekt ist auf Initiative des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau entstanden und bekam 2002 den Institutionspreis im Rahmen des Kulturpreises Deutsche Sprache. Und genau dieser Preis hat Herrn Endres auch dazu ermutigt das Projekt weiterzuführen. Er will damit die Freiheit des Wortes und die Kultur der Rede und Gegenrede fördern. Und der Erfolg hielt an, denn seit 2002 nehmen jährlich mehr und mehr Schulen teil und das Projekt wird auch in den Medien immer präsenter. "Mit Jugend debattiert wird ein Kontrapunkt zur deutschen Schwatzkultur gesetzt" so der Stiftungs- Geschäftführer Dr. Roland Keahlbrandt
Debattieren heißt, sich zu einer strittigen Frage eine Meinung zu bilden, Gründe zu nennen und Kritik vorzutragen. Eine demokratische Gesellschaft braucht Menschen, die kritische Fragen stellen und sich mit der oppositionellen Meinung auseinandersetzen, um so den Kern der Demokratie zu bilden. Und genau dies und noch einiges mehr soll dieses Projekt erzielen, so Matthias Makowski:
"Wir fördern die deutsche Sprache, wir fördern den Prozess der Bildung einer offenen Gesellschaft, für die Streitkultur, für die Kenntnis der Debatte für die demokratische Spielregeln eine Grundvoraussetzung sind. Und mit diesen beiden Zielen glauben wir zwei ganz fantastische, wichtige Aufgabenbereiche eines Kulturinstituts wahrzunehmen."
Die Zukunft dieses Pilotprojektes liegt noch im Unklaren, doch sobald die finanziellen Mittel vorhanden sind, soll dieses ausgeweitet werden. Das Projekt ist auf allgemeine Begeisterung gestoßen und man versucht es sowohl in Tschechien als auch in ganz Europa zu erweitern. Vorerst soll es in Mittel- und Osteuropa gefördert werden, da die deutschen Sprachkenntnisse nach Meinung von Matthias Makowski in diesen Ländern besonders verbreitet sind. Wer weiß, vielleicht wird es dann auch irgendwann einmal später deutsche Debatten in ganz Europa geben!