Deutsch-tschechische Erfolgsstory: von Škoda bis zum Dualen System
Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) zu ihrem bereits VII. Wirtschaftsgespräch geladen. Die Podiumsdiskussion mit drei ehemaligen Ministern des Gastgeberlandes stand unter dem Thema: „20 Jahre Deutsch-Tschechische Wirtschaftsbeziehungen – eine Erfolgsstory mit Perspektive“. Die Veranstaltung fand im Tagungssaal der Tschechischen Nationalbank statt.
„Deutschland ist der mit Abstand größte Handelspartner Tschechiens und auch der mit Abstand größte Investor in Tschechien. Deutschland und Tschechien gemeinsam haben im Jahr 2012 ein Außenhandelsvolumen von 68 Milliarden Euro generiert.“
Das ist fast das Zehnfache gegenüber dem 1993, denn damals hatte man mit umgerechnet 7,2 Milliarden Euro begonnen. Die tschechischen Exporte nach Deutschland sind dabei im vergangenen Jahr auf eindrucksvolle 33,2 Milliarden Euro gestiegen. Das weiß auch Rudolf Fischer entsprechend zu würdigen:„Tschechien ist unter den Industriestaaten das einzige Land, das in der Handelsbilanz mit Deutschland einen positiven Saldo hat. Damit ist Tschechien auch sehr willkommen im Club von Deutschland – als Exportnation.“
Diese Erfolgsstory wäre aber nicht möglich gewesen, wenn die sich nach der politischen Wende 1989 von Plan- auf Marktwirtschaft umorientierte Tschechoslowakei und deren zwei Nachfolgestaaten den ökonomischen Wandel nicht gemeistert hätten. Um auf dem offenen internationalen Markt aber überhaupt wettbewerbsfähig zu sein, brauchte die nun föderale Tschechoslowakei vor allem eines: Kapital. Das wollte sie durch strategische Partnerschaften ihrer Top-Firmen mit großen internationalen Unternehmen erlangen. An die bis heute wohl gelungenste Partnerschaft erinnert Miroslav Grégr, der damalige Minister für Maschinenbau und Elektrotechnik:
„Im Dezember 1990 wurde der Vertrag über eine Partnerschaft zwischen Škoda und VW unterzeichnet und seitdem sind die Škoda-Autowerke Mitglied der Volkswagen Group.“In der Finalrunde der Auswahlprozedur über den strategischen Partner von Škoda setzte sich VW übrigens gegen den französischen Konkurrenten Renault durch. Acht Jahre später, von 1998 bis 2002, war Grégr zudem Minister für Industrie und Handel im sozialdemokratischen Kabinett von Premier Zeman. Und auch aus dieser Periode hat er eine geglückte Partnerschaft vorzuweisen:
„Aus dieser Zeit datiert eine weitere erfolgreiche Privatisierung, und zwar die der Firma Transgas, die an RWE übereignet wurde. Meiner Meinung nach war diese Privatisierung nutzbringend für beide Seiten.“
Einer der letzten Nachfolger von Miroslav Grégr als Minister für Industrie und Handel war Martin Kuba, der dieses Amt von 2011 bis 2013 bekleidete. Es war die Zeit, in der auch die Tschechische Republik an den Folgen der weltweiten Krise zu knabbern hatte, bekannte Kuba. Bezüglich der deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen hatte er sich zudem mit Problemfeldern zu befassen, die es in naher Zukunft zu lösen gelte, sagte der ODS-Politiker:„Bei uns in Tschechien beginnt die Zahl der gut ausgebildeten Arbeitskräfte in technischen Berufen extrem zu schwinden. Das ist ein Phänomen, das für deutsche Investoren eine entscheidende Bedeutung hat. Und zwar deshalb, weil die für den Industriebereich gut ausgebildeten Arbeitskräfte bislang noch stets ein Rückgrat für die Wettbewerbsfähigkeit der tschechischen Wirtschaft waren.“
Um diesen negativen Trend zu stoppen, hat man hierzulande mittlerweile begonnen, das in Deutschland sehr erfolgreiche Modell der dualen Ausbildung einzuführen. Aber auch noch aus einem anderen Grund sei er stets erfreut über die gute Zusammenarbeit mit dem starken Nachbarn, so Kuba:„Immer wenn ich als ehemaliger Minister auf die Handelsstatistiken geschaut habe, dann hat mir am bilateralen Handel zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland eine Sache besonders gefallen: dieser Austausch hat stets Arbeitsplätze geschaffen.“
Der dritte ehemalige Minister in der Diskussionsrunde war Ivan Pilip. Pilip hat zwar nie das Wirtschaftsressort geleitet, dafür aber das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (1994-97) und gleich darauf das Ministerium für Finanzen (1997/98). Nach der Podiumsdiskussion stellte er sich den Fragen von Radio Prag:
Herr Pilip, Sie haben in Ihrem Vortrag auch darüber gesprochen, es sei unausweichlich gewesen, dass in den 1990er Jahren ausländisches Kapital nach Tschechien geflossen ist, insbesondere Geld, das von deutscher Seite investiert wurde. Warum war das notwendig?„Die Lage in den 1990er Jahren war anders als heute. Wir haben es schon fast vergessen, aber damals fürchtete man sich hierzulande noch davor, ausländisches Kapital zu akzeptieren, vor allem aus Deutschland. Seinerzeit waren die Beziehungen noch von der kommunistischen Propaganda beeinflusst. Umso mehr haben die Investitionen in den Autoproduzenten Škoda eine sehr positive Rolle gespielt. Wir mussten eine Balance finden zwischen Fremdkapital aus dem Ausland in unsere Ökonomie und den tschechischen Kapitalgebern. Deshalb war es sehr gut, dass die größte ausländische Offerte, die deutsche Investition in Škoda, erfolgreich war. Das hat die Atmosphäre enorm verändert. Ein paar Jahre lang folgten dann leider keine so wichtigen Investitionen mehr. Notwendig war indes auch, dass größere Betriebe von tschechischen Unternehmern privatisiert wurden. Später hat das zu der gewünschten Balance geführt, weil es einerseits sehr wichtige ausländische Investitionen gab, andererseits aber auch große von tschechischen Eignern geführte Unternehmen. Beides hat maßgeblich zur Entwicklung der tschechischen Wirtschaft beigetragen.“
War es in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass in den 90er Jahren die Bankenreform stattgefunden hat? Besonders vor dem Hintergrund, dass sich durch ausländische Mutterbanken auch mehr Stabilität für das tschechische Bankensystem abzeichnete...„Die Privatisierung der Banken kam leider zu spät. Erst 1998 spielten die Banken eine wichtige Rolle für die Privatisierung in Tschechien. Die Bilanzen der Banken waren anfänglich jedoch sehr schlecht, weil es an Binnenkapital mangelte. Dafür musste man später einen sehr hohen Preis zahlen. Auf der anderen Seite wurden die Bilanzen der Banken durch die staatlichen Investitionen in den 1990er Jahren verbessert. Die neuen Investoren konnten nun auf Banken zurückgreifen, die gesund waren; das wiederum hat neue gute Entwicklungschancen geschaffen. Meiner Meinung nach war das die letzte große wichtige strukturelle Veränderung für die Entwicklung einer freien Marktwirtschaft in Tschechien.“
Wie sollte sich Tschechien in Zukunft außenpolitisch und wirtschaftlich ausrichten? Sie sprachen davon, man sollte nicht soweit in die Ferne schauen – wie nach Großbritannien, sondern eher mit seinen Nachbarn zusammenarbeiten.„Ich denke, wir sind geographisch, kulturell und ökonomisch ein Teil von Europa wie auch von Mitteleuropa. Damit vertrete ich vermutlich die Ansicht einer Mehrheit der Unternehmer und Politiker, also derjenigen, die pro-europäisch sind. Deshalb war es meiner Meinung nach ein Fehler von einigen Ministern der ehemaligen Regierung Nečas und vom Ministerpräsidenten selbst, politisch und außenpolitisch eng mit Großbritannien zusammen zu arbeiten. Großbritannien ist ökonomisch und kulturell sicher sehr interessant, aber ebenso mit ganz großen Unterschieden zu Tschechien. Es ist ein Staat, der viel enger mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeitet genau wie mit seinen Ex-Kolonien. Für Tschechien aber sind Österreich, die Slowakei und auch Deutschland viel wichtiger. Mit diesen Ländern sollte Tschechien in Zukunft wirtschaftlich noch mehr zusammenarbeiten und die bilateralen Ökonomien koordinieren. Ich hoffe, dass die neue Regierung diese Richtung unterstützt und zudem innerhalb von Europa eine aktivere Rolle einnimmt.“
Dieser Beitrag wurde am 4. Dezember 2013 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.