Von Brünn nach München und aus Franken nach Böhmen – zwei Firmengeschichten

Preisträger Karel Masařík (Mitte) und (v.l.n.r.): Milan Šlachta, Daniela Brzobohatá, Sara Borella und Bernard Bauer

Erstmals hat die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) einen Wirtschaftspreis vergeben. In mehreren Kategorien wurden dabei tschechische Firmen sowie eine deutsche Firma ausgezeichnet. Allen ist gemeinsam, dass sie in irgendeiner Weise innovativ und meist auch nachhaltig sind. Im Folgenden die Portraits von zwei der Preisträger.

Das Unternehmen Codasip gehört zu den Gewinnern des neuen Wirtschaftspreises der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer. Es wurde zusammen mit einer weiteren Firma in der Kategorie Digitalisierung & Innovation ausgezeichnet. Karel Masařík hat Codasip gegründet und ist Präsident des Unternehmens. Am Dienstag vergangener Woche übernahm er den Preis bei der Feier im sogenannten Kuppelsaal der DTIHK in Prag. Im Interview für Radio Prag International sagte er anschließend:

Sara Borella und Karel Masařík | Foto: Jaromír Zubák,  DTIHK

„Der Preis bedeutet eine große Auszeichnung für das, was wir aufgebaut haben. Denn wir haben in Tschechien begonnen, sind aber auch wegen der Investitionen nach Deutschland gegangen, wo nun unsere Muttergesellschaft sitzt.“

Konkret ist die Muttergesellschaft in München angesiedelt. Codasip lässt sich als tschechischen Beitrag dazu sehen, dass Europa bei der Halbleiterentwicklung aufholen und unabhängiger werden will vom Rest der Welt. Das Unternehmen bietet sogenannte EDA-Software an, mit der Firmen ihre Computerchips selbst designen können…

Die Chips machen nicht wir selbst, sondern unsere Kunden. Aber wir arbeiten mit den Firmen zusammen, die Software für ihre Anlagen brauchen.

„Die Chips machen nicht wir selbst, sondern unsere Kunden. Aber wir arbeiten mit den Firmen zusammen, die Software für ihre Anlagen brauchen. Das heißt, wir designen Mikroprozessoren für die Computerchips, die die Unternehmen für sich herstellen lassen. Und das zum Beispiel in Dresden bei GlobalFoundries oder in der geplanten Fabrik von Bosch, Infineon und weiteren – also in Silicon Saxony“, so Masařík.

Das Besondere an Codasip ist, dass sich die Firma nicht auf den gängigen Standard des britischen Unternehmens Arm stützt, dessen Technologie praktisch in allen Smartphones steckt. Stattdessen nutzt man RISC-V, einen von der amerikanischen Berkeley-Universität entwickelten Standard für das Designen von Prozessoren. Dieser ist frei zugänglich, zudem billiger und auch deswegen besonders bei chinesischen Firmen beliebt.

Firmenkonzept auf Basis einer Dissertation

Karel Masařík hat an der Technischen Hochschule in Brno / Brünn Informationstechnologie studiert. Im letzten Jahr seines Masterstudiums war er mit einem Erasmus-Stipendium an der Fernuniversität in Hagen. Dort habe ihn fasziniert, so sagte er einmal, wie Industrie und Forschung eng zusammenarbeiten. Und das sei auch in seine Masterarbeit eingeflossen, erzählt er im Interview für Radio Prag International:

„Meine Abschlussarbeit im Ingenieursstudium entstand in Kooperation mit einer Münchner Firma. Es ging um Bordcomputer für den öffentlichen Verkehr. Dann bin ich nach Tschechien zurückgekommen und habe in Brünn mein Doktorstudium aufgenommen. Meine Promotion entstand wiederum zusammen mit einer österreichischen Firma, die Prozessoren und Chips entwarf – und zwar konkret für die Rückspiegel bei Mercedes. 2006 war das noch ein Unikum.“

Aus der Dissertation entwickelte sich dann ein konkretes Projekt. Dafür stellte Masařík an seiner Hochschule ein Team zusammen, zog mit diesem in einen Inkubator und konnte eine Forschungsförderung nutzen.

„2014 haben wir konstatiert, dass die Technologie nun fertig ist. Zusammen mit zwei Supervisoren meiner Doktorarbeit habe ich dann meine Firma gegründet. Dafür bekamen wir Kapital von tschechischen Investoren: vom Software-Entwickler Avast und von den Managern von AVG Technologies, die im Bereich Internet-Sicherheit aktiv sind“, so der Unternehmer.

Dann dauerte es noch weitere drei Jahre, bis Codasip das nötige Instrumentarium besaß, um die Arbeit am Design von Prozessoren ausreichend zu beschleunigen. In der Folge nahm man Kontakt auf mit Kunden in Israel, den USA und Japan…

„Den ersten Vertrag in Japan haben wir 2016 unterschrieben. Damals war ich Head of Sales, das heißt, dass ich viel nach Japan gereist bin. Danach sind wir Schritt für Schritt gewachsen. Bis 2017 hatte die Firma Arm praktisch das Monopol auf dem Markt für Computer-Chip-Architektur. In Konkurrenz dazu entstand RISC-V, und wir gehören zu den rund 3000 Gründungsmitgliedern der Organisation, der vor allem kommerzielle Firmen angehören“, schildert Karel Masařík.

Für das Wachstum mussten er und seine Mitstreiter aber auch fähiges Personal anheuern. Und das fanden sie eben nicht mehr an tschechischen Universitäten oder in der IT-Branche des Landes:

„Wir brauchten erfahrene Leute, wie man sie bei Apple findet und bei Intel, AMD, Arm oder Nvidia. So haben wir uns in Europa ausgedehnt und sind vom kleinen Start-up zu einem Unternehmen gewachsen, das die Bedürfnisse von Kunden aus unterschiedlichen Branchen befriedigen kann. Dafür waren jedoch weitere Investitionen nötig, und der Europäische Innovationsrat wurde Teilhaber bei uns. Dadurch sind wir nun an das Europäische Chip-Gesetz angeschlossen, über das 42 Milliarden Euro in den Aufbau einer Lieferkette für Halbleiter fließen. Auf diese Weise entstehen große Fabriken sowie kleine und mittelständische Firmen für das Chip-Design, um Europas Unabhängigkeit zu garantieren.“

Mittlerweile beschäftigt Codasip 230 Menschen, meist IT-Entwickler. Neben der Firmenzentrale in München und dem ursprünglichen Sitz in Brünn betreibt man Zentren in Südfrankreich, in Bristol, Cambridge, Barcelona und seit kurzem auch an drei Standorten in Griechenland.

Der Firmengründer selbst ist übrigens seit 2020 nicht mehr CEO von Codasip. Diese Funktion hat Masařík an den Amerikaner Ron Black abgetreten, und seitdem fungiert er eher als technologischer Vordenker.

Nachhaltige Erweiterung

Obwohl sich der neue Wirtschaftspreis der DTIHK eigentlich an tschechische Unternehmen richtet, wurde vergangene Woche auch eine deutsche Firma geehrt. Sie erhielt den Sonderpreis Deutsche Investitionen in der Tschechischen Republik. Bernard Bauer ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DTIHK und überreichte die Auszeichnung. Am Rande der Preisverleihung erläuterte er:

Bernard Bauer | Foto: ČT24

„Wir wollten außerdem noch eine Kategorie für eine deutsche Investition hier im Land eröffnen, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit anbietet. Uns ist dabei die Firma Suspa aufgefallen, die ihren Betrieb mit teils eigener Energieproduktion am Laufen halten möchte.“

Die Suspa GmbH kommt ursprünglich aus Altdorf bei Nürnberg und wurde 1951 gegründet. Oliver Gold ist Geschäftsführer der Firma, die laut dem Lexikon der deutschen Weltmarktführer eine globale Vorrangstellung bei Waschmaschinendämpfern und verstellbaren Hydraulikdämpfern hat:

„Wir sind ein mittelständisches Unternehmen, das global verschiedene Produkte im Bereich Heben, Senken, Öffnen, Schließen, Einstellen und Dämpfen herstellt. In Produkten gesprochen sind das unterschiedliche Dämpfer, die man beispielsweise in der Waschmaschine findet und die die Vibration der Trommel reduzieren, oder auch Dämpfer, die im Sitz eines Traktors eingebaut werden und den Fahrer vor Stößen schützen. Unser anderes Geschäftsfeld sind Gasfedern. Dazu gehören jene rechts und links der Heckklappe im Auto, die dabei helfen, sie nach oben zu schieben und auch wieder sauber zu schließen. Des Weiteren produzieren wir Spoilersysteme für Premium-Fahrzeuge, etwa unseres Kunden Porsche. Wir haben also eine breite Palette, und das ist auch ein Teil des Geheimnisses: Wir sind nicht nur von einem Kunden, von einem Produkt und von einer Region abhängig, sondern haben unsere Risiken weltweit verteilt.“

Tochterfirmen bestehen in Sulzbach-Rosenberg und Shanghai. Und in Tschechien hat Suspa seit über 20 Jahren einen Sitz in Bor / Haid in Westböhmen. Dort will sich das Unternehmen nun vergrößern. Jürgen Walther leitet als Prokurist das tschechische Werk und nennt die Zahlen…

Suspa-Geschäftsführer Oliver Gold  (Mitte) | Foto: Jaromír Zubák,  DTIHK

„Wir haben derzeit rund 4000 Quadratmeter Produktionsfläche und erweitern gerade um gut 13.000 Quadratmeter, sodass wir am Ende mit Logistik und Produktion auf 18.000 Quadratmeter Produktionsfläche in Tschechien kommen.“

Für diesen Schritt hat die deutsche Firma ein nachhaltiges Energiekonzept ausgearbeitet. Dieses sieht unter anderem Photovoltaik auf dem Werksdach sowie Blockheizkraftwerke vor. Damit sollen Strom und Wärme für Lackanlage und Gebäudeheizung erzeugt werden. Doch das Projekt ist ins Stocken geraten. Oliver Gold:

„Wir sind leider zuletzt bei unserem Energieversorger, als wir das Konzept angemeldet haben, auf Probleme gestoßen. Wir wollen ja einen Großteil unserer selbst erzeugten Energie für die Produktion nutzen. Aber die Photovoltaik stellt auch dann Energie her, wenn wir nicht in Betrieb sind – wie an Wochenenden. Und diesen Strom wollen wir zurück ins tschechische Netz speisen. Der Energieversorger ČEZ hat das noch nicht bestätigt. Aber wir hoffen jetzt auf Fürsprecher aus der Politik, die uns helfen, eine positive Entscheidung für dieses tolle, nachhaltige Konzept zu gewinnen.“

Dazu soll auch der Preis der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer beitragen, wie Bernard Bauer ergänzt. Oliver Gold hofft ebenfalls auf solch einen Impuls und konnte auch schon beim Festakt am Sitz der DTIHK networken:

„Es war unter anderem auch ein Vertreter des tschechischen Umweltministeriums im Saal, den wir letzte Woche mit einem offenen Brief darum gebeten haben, unser Projekt zu unterstützen. Denn dieses stimmt absolut mit dem Ziel des Ministeriums überein, nachhaltige Energie zu fördern. Und wenn wir dafür selbst Geld in die Hand nehmen, wodurch die Tschechische Republik letztlich Mittel für solche Investitionen einspart, muss es doch eigentlich Unterstützer geben.“