Konjunkturumfrage der DTIHK: Fehlende Investitionen und Fachkräftemangel werden zum Problem
In der aktuellen Konjunkturumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) stellen die Unternehmer Tschechien kein sonderlich gutes Zeugnis aus. So gehen die Investitionsausgaben hierzulande zurück. Ein weiteres Problem bleibt auch der Fachkräftemangel.
„Die aktuelle Wirtschaftssituation wird von den Unternehmen so schlecht bewertet wie zuletzt vor zehn Jahren“, sagt Christian Rühmkorf im Interview für Radio Prag International. Er ist der Leiter des Referats für Kommunikation und Public Affairs bei der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer.
Für die Konjunkturumfrage hat die Institution 140 Mitgliedsunternehmen und andere deutsche Firmen, die in Tschechien tätig sind, befragt. Im Hinblick auf die Wirtschaftsaussichten für 2024 gebe es zwar ein schwaches Licht am Ende des Tunnels, so Rühmkorf. Im verarbeitenden Gewerbe rechnen aber nur 19 Prozent der Befragten mit einer Verbesserung der Wirtschaftsaussichten hierzulande. 41 Prozent gehen hingegen von einem Rückgang aus.
„Das ist natürlich vor dem Hintergrund ein Problem, dass ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts von diesem Bereich erwirtschaftet wird. Hinzu kommt ein enorm hoher Transformationsdruck auf die Industrie. Und gleichzeitig ist natürlich in der globalen Perspektive eine massive Konkurrenz da – vor allem, wenn man nach Asien schaut.“
Diese Faktoren müssten Rühmkorf zufolge normalerweise dazu führen, dass die Investitionen enorm ansteigen. Ganz gleich ob Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder die Umstellung auf Erneuerbare Energien und E-Mobilität – in all diesen Bereichen ist ein Einsatz großer Finanzmengen nötig. Doch laut der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer bleiben diese Investitionen hierzulande aus:
„Das ist gerade beim verarbeitenden Gewerbe ein riesiges Problem. Die Transformation ist dort tatsächlich in Gefahr.“
Zu den größten Risiken zählten die 140 befragten Unternehmen aus der deutsch-tschechischen Wirtschaftssphäre einen Einbruch von Absatzmärkten. Diesen befürchten zu gleichen Anteilen Firmen, die ihren Markt in Tschechien haben, als auch Betriebe, die von einer Nachfrage im Ausland abhängig sind. Als negative Standortfaktoren Tschechiens wurden zudem die mangelnde Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik, eine unzureichende Transparenz der öffentlichen Auftragsvergabe und die überbordende Bürokratie genannt. Und dann sei da noch der Dauerbrenner, meint Rühmkorf: der Fachkräftemangel.
Von diesem Problem kann auch Milan Šlachta ein Lied singen. Er ist Präsident der DTIHK und Repräsentant der Bosch Group in der Tschechischen Republik und der Slowakei. Wie geht sein Konzern mit dem Fachkräftemangel hierzulande um?
„Wir versuchen, unsere Mitarbeiter durch Aus- und Weiterbildungsprogramme weiterzubringen. Dabei zielen wir nicht nur auf Fachkräfte in der Produktion ab, sondern auch auf Angestellte in den technischen Bereichen mit höherer Wertschöpfung. Dies betrifft etwa die Entwicklung von Maschinen oder das Programmieren von Software. Aber all das ist natürlich aufwendig und kostet viel Geld.“
Durch Softwarelösungen und den Einsatz künstlicher Intelligenz versuche man bei Bosch zudem, die Mitarbeiterkapazität zu reduzieren, so Šlachta.
Die Verfügbarkeit von Fachkräften wird unter den 25 von der DTIHK verglichenen Standortfaktoren am schlechtesten bewertet. Bedenklich ist Rühmkorf zufolge aber noch eine weitere Entwicklung:
„Der Faktor ‚Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer‘ ist im Ranking um viele Plätze abgesackt. Das Gleiche gilt für die Qualifikation der Arbeitnehmer. Bis 2016 haben sich diese beiden Faktoren dabei meistens unter den Top 5 bewegt. Für ein Land, das kaum nennenswerte Rohstoffe hat, ist dieser Trend natürlich ein Problem. Denn Rohstoff im besten Sinne des Wortes sind in Tschechien die Menschen und ihre Ausbildung. Wir sehen dahingehend also Nachholbedarf und hoffen auf eine Trendwende.“
Damit zusammen hänge auch das Berufsbildungssystem, das wie fast immer in den Konjunkturumfragen zu den Schlusslichtern bei den Standortfaktoren zähle:
„Da passiert derzeit gar nichts. Das Bildungsministerium kündigt permanent eine Reform des Berufsbildungssystems an. Aber bisher ist es dazu noch nicht gekommen.“
Zum Top-Standortfaktor wurde in der Umfrage traditionell die EU-Mitgliedschaft Tschechiens gewählt. Ebenso wird hier die Telekommunikationsinfrastruktur genannt und die Verfügbarkeit und Qualität lokaler Zulieferer, die vor allem im Automotivsektor von Bedeutung ist.
Dennoch sind die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage unterm Strich alles andere als rosig. Gefragt, ob sie Tschechien wieder als Investitionsstandort wählen würden, antworteten 17 Prozent der Unternehmen mit „Nein“ – der höchste Wert seit 2011. Als alternative Standorte wurden am häufigsten Polen, Bulgarien sowie Bosnien und Herzegowina genannt.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer finden sich online unter: www.tschechien.ahk.de/newsroom/umfragen.