Deutsche Flüchtlingspolitik: Tschechien positioniert sich gegen neue Grenzkontrollen

Am Mittwoch findet in Deutschland der Flüchtlingsgipfel statt. Wie positioniert man sich in Tschechien zu den Forderungen einiger Ministerpräsidenten, Grenzkontrollen zwischen beiden Staaten einzuführen?

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Beim Flüchtlingsgipfel in Deutschland wollen die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch vorschlagen, Grenzkontrollen zu Tschechien und Polen einzuführen. Damit sollen Migranten ohne freie Einreiseerlaubnis nach Deutschland abgewehrt werden. Zur Begründung heißt es, dem Kontrollverlust an den innereuropäischen Grenzen müsse vorgebeugt werden, um die Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum weiter zu garantieren.

Die Innenminister der beiden Bundesländer führen als Beleg Zahlen an. So sollen in der Zeit von Anfang März bis Mitte April dieses Jahres 1060 Menschen ohne Erlaubnis die tschechisch-deutsche Grenze überquert haben. Dies sei keine Situation, die eine Einführung von Grenzkontrollen erfordere, findet Martin Rozumek. Der Direktor der tschechischen Organisation für die Hilfe Geflüchteter sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Zwar liegt derzeit die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, wieder höher. Aber ich denke, die Grenzen innerhalb der EU sollten offen bleiben. Im anderen Fall würden eine Kettenreaktion und Kontrollen in weiteren Ländern folgen. Dafür sind wir aber nicht der EU beigetreten.“

Neben Sachsen ist es der Freistaat Bayern, mit dem die tschechisch-deutsche Grenze besteht. Anders als Michael Kretschmer (CDU) in Dresden fordert aber Ministerpräsident Markus Söder (CSU) keine neuen Grenzkontrollen. Als der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) am Dienstag bei ihm zu Besuch war, lobte Söder Tschechien vielmehr für eine ausreichende Grenzsicherung. Und Fiala hatte am Tag zuvor geäußert:

„Wir müssen die Politik der Rückschickungen anpassen, die Kontrollen verbessern und eine Reform der Visumspflicht in Drittländern verabreden. Diese Pläne werden schrittweise umgesetzt. Mit Sicherheit sehe ich keinen Weg darin, Grenzkontrollen einzuführen, nur weil sie kurzfristig helfen.“

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Fiala hob zudem hervor, man habe dafür gesorgt, dass durch Tschechien keine Migrationsroute führe. Diesen Verweis auf die mehrmonatigen Grenzkontrollen zur Slowakei sieht NGO-Chef Rozumek kritisch:

„Dies ist eine zweischneidige Politik. Im vergangenen Jahr hat Tschechien selbst Kontrollen an der Grenze zur Slowakei eingeführt und sich dafür gelobt, wie gut dies funktioniert habe. Jetzt aber gefällt es uns nicht, dass einige deutsche Bundeländer Grenzkontrollen fordern. Dabei haben wir das Gleiche in Richtung der Slowakei getan.“

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Anstatt Wachposten an der deutsch-tschechischen Grenze aufzustellen, sollte endlich eine gemeinsame europäische Lösung gefunden werden, fügt Rozumek an.

Ein weiteres Argument der Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg verweist auf die seit 2015 bestehende Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich. Sie ist derzeit die einzige Grenze innerhalb des Schengen-Raums, die nicht komplett offen ist. An der Grenze zu Tschechien würden bayerische Polizisten hingegen verdeckte Kontrollen durchführen, so der Hinweis von Markus Söder – eine akzeptable Maßnahme, meint Rozumek:

„Verdeckte Kontrollen können sehr gut funktionieren. Dies lässt sich an der tschechisch-bayerischen Grenze beobachten, wo nicht selten Autos angehalten und die Menschen kontrolliert werden. Ich glaube, solche Kontrollen sind im Grenzgebiet wirkungsvolle Instrumente.“

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Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) plädiert darüber hinaus für genauere Kontrollen an den EU-Außengrenzen und die sofortige Rückschickung jener Migranten, die keinen Anspruch auf Asyl in der EU hätten. Ein solches System ist laut Rozumek aber nur schwer umsetzbar:

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„Alle EU-Länder sind sich so schön einig darüber, dass jene Menschen zurückgeschickt werden, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Ein Blick nach Griechenland oder Italien zeigt aber, dass mehr als die Hälfte der dort Ankommenden diesen Anspruch hat. Was mit ihnen passieren soll, dazu fehlt den Politikern dann aber die Antwort. Aufnehmen möchte sie nämlich niemand.“

In der EU fehle vor allem ein einheitliches System zum Umgang mit jenen Migranten, die aufgenommen werden müssen, kritisiert der NGO-Chef.

Autoren: Daniela Honigmann , Dominik Tesár
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