Die Absatzmärkte Ostmitteleuropas: Regionale Mentalitäten im multinationalen Marketing
Am Mittwoch trafen in Prag etwa 350 tschechische Manager und Managerinnen mit Marketingexperten aus mehreren Ländern Europas zu einem Kongress zusammen. Zentrales Thema: Das Gleichgewicht zwischen Gefühl und Verstand. Beim Marketing, versteht sich. Spielen in diesem Bereich auch Unterschiede zwischen ehemals kommunistischen Staaten wie Tschechien und bereits länger etablierten Marktwirtschaften eine Rolle? Gerald Schubert war bei der Konferenz und hat sich mit Experten über diese Frage unterhalten.
Fordert globale Wirtschaft auch globales Marketing? Oder macht die Globalisierung gerade im Bereich des Marketings zumindest vorübergehend halt, weil Verkaufsstrategen auf nationale und regionale Mentalitäten Rücksicht nehmen müssen? Tomas Krásný ist Geschäftführer der Firma INCOMA Consult, die ausländischen Unternehmen hilft, am tschechischen Markt Fuß zu fassen. Zur Globalisierung in der Kunst des Verkaufens meinte Krásný am Rande der Konferenz:
"Es ist kein Geheimnis, dass die Hauptströmung in den Marketingbemühungen von internationalen Firmen gestaltet wird. Das heißt, die Prinzipien sind mehr oder weniger globalisiert. In allen Ländern, von Russland bis Österreich, sind es die internationalen Riesen, die die Trends definieren. Marketing ist also wesentlich weniger differenziert als zum Beispiel die Politik oder die Gesellschaft."
Trotzdem sind aber auch die internationalen Konzerne meist nicht blind vor regionalen Traditionen. Paradoxerweise, so Krásný, stößt genau diese Tatsache bei den tschechischen Marktstrategen oft auf Unverständnis. Die Tschechen seien eher im technischen Bereich gut ausgebildet. Sozialpsychologische Aspekte der Wirtschaft hätten hierzulande keine so große Tradition, und würden daher oft skeptisch betrachtet, meint Tomas Krásný:
Rudolf Bretschneider, Generaldirektor der österreichischen Marktforschungsgesellschaft Fessel + GfK, legt vor allem Wert darauf, die Absatzmärkte ostmitteleuropäischer Staaten nicht in einen Topf zu werfen. Es gebe zwar Branchen, in denen die Marktstrukturen und dementsprechend auch die Verkaufsstrategien sehr einheitlich seien, sagt Bretschneider, und nennt als Beispiel den Telekombereich. Umgekehrt hätten aber etwa in der Lebensmittelindustrie schon viele internationale Firmen erfolgreich auf regionale Besonderheiten gesetzt:
"Diese lokalen Traditionen, diese Besinnung auf bestimmte Güter, kehren zumindest in manchen Märkten - vornehmlich in den Nahrungs- und Genussmittelmärkten - durchaus wieder. Und auch der Beitritt zur Europäischen Union wird diesen Hang zum Eigenen und Besonderen wahrscheinlich stärken. Zumindest eine Zeitlang. Wie das in zwanzig Jahren aussieht, das weiß ich nicht."