Die Anfänge des Luftverkehrs - Czech Airlines feiern 90 Jahre
Linienflüge an mehr als 100 Zielorte auf allen Kontinenten, 26 eigene Flugzeuge und etwa 4,5 Millionen Reisende im Jahr – das ist die tschechische Fluggesellschaft ČSA. Sie ist die Nachfolgerin der früheren tschechoslowakischen Fluggesellschaft, die dasselbe Kürzel trug. Seit 90 Jahren befördert die ČSA bereits Güter und Menschen, gegründet wurde sie am 6. Oktober 1923.
Doch Luftbeförderung auf kommerzieller Basis zu betreiben war damals noch nicht möglich. Deshalb beschloss die Regierung in Prag, eine staatliche Firma zu gründen: die Tschechoslowakischen Aerolinien. Ihre Aufgabe war zunächst, Güter und Personen im Inland zu transportieren. Dan Šabík ist Pressesprecher der heutigen Czech Airlines und erinnert an die Anfänge seines Unternehmens:
„Schon zu Beginn der 20er Jahre gab es Versuche privater Firmen, den Luftverkehr innerhalb der Tschechoslowakei zu gewährleisten, aber keine hatte Erfolg. Deshalb vereinigten sich diese Firmen am 2. Mai 1922 zur Tschechoslowakischen Flugaktiengesellschaft und bestellten einige neue Flugzeuge vom Typ Aero A 10. Diese Maschinen sollten sehr modern sein, einschließlich einer gedeckten Kabine für die Passagiere. Der finanzielle Aufwand war jedoch so groß, dass die Gesellschaft pleite ging, ohne ein einziges Flugzeug zu übernehmen. Den Staatsbeamten wurde damit klar, dass es für die Entwicklung des Luftverkehrs eine staatliche Unterstützung brauchte.“ Nachdem die ČSA entstanden war, wurde bereits für den 28. Oktober 1923 der erste Flug geplant. Es war der fünfte Gründungstag der Tschechoslowakei. Das Flugzeug konnte jedoch wegen des schlechten Wetters nur einen kleinen Kreis über dem Flughafen drehen. Der regelmäßige Betrieb wurde daher erst am folgenden Tag mit einem Flug nach Bratislava aufgenommen, also in die damals zweitwichtigste Stadt des Landes. Der erste und einzige Passagier war ein Redakteur der Tageszeitung Lidové Noviny (Volkszeitung). Er hieß Václav König und verfasste darüber eine längere Reportage. Frei übersetzt schrieb er:„Um 12.30 Uhr steige ich, mit einem Flugoverall aus Pelz bekleidet, ins Flugzeug. Der erste Reisende der Tschechoslowakischen Staatlichen Fluggesellschaft zu sein, das ist ein sonderbares Stolz- und Glücksgefühl. Es gibt jedoch keine Zeit für Formalitäten. ČSA-Firmendirektor Trnka, der Befehlshaber der tschechoslowakischen Luftwaffe Hupner und der Pilot Brabenec gratulieren mir kurz, und dann läuft alles nach Plan. Nach der Verladung der Post und eines Zeitungspakets heben wir vom Boden ab. Es ist ein sonniger Tag, mit nur wenig Nebel. Der Blick aus der Luft ist atemberaubend, und ich verliere zunächst die Orientierung. Dann erkenne ich bereits manche Städte und Flüsse. Die Leute auf einem Dorfplatz winken uns zu, und ich erwidere dies. Die Flucht von erschrockenen Gänsen und das Hüpfen der Ziegen auf einer Wiese bringen mich zum Lachen. Wir fliegen weiter über Brünn, dann über die Thaya. Die Karpaten erheben sich vor uns wie eine majestätische Kulisse. Mit ein paar Kreisen über Bratislava geht unsere einzigartige Reise zu Ende. Und ich wünsche allen folgenden Passagieren, dass ihre Reise ebenso angenehm wird, wie meine war.“ Bei der Bereitstellung von Flugzeugen und Piloten half am Anfang die Armee. Die Maschinen Aero A 14 Brandenburg wurden zwar in der Tschechoslowakei hergestellt, im Grunde waren es aber alte Militärflugzeuge aus dem Ersten Weltkrieg, die nur teilweise verbessert wurden. In ihnen hatten nur ein bis zwei Passagiere Platz, und man saß in einer offenen Kabine. Gerade mit diesem Typ flog der Journalist König. Bald danach wurde aber eine modernisierte Version in Betrieb genommen, die Aero A 10. ČSA-Pressesprecher Dan Šabík:„Für die meisten Verbindungen nutzte die Tschechoslowakische Fluggesellschaft gerade diese Flugzeuge, die sie anstatt der erwähnten bankrotten Flugaktiengesellschaft übernahm. Die Aero A 10 hatte bereits eine gedeckte Passagierkabine, nur der Pilot saß darüber im offenen Raum. Ab 1927 kauften die ČSA neue ausländische Maschinen für 8 bis 14 Reisende, die noch einmal deutlich höheren Komfort boten. Auch das Cockpit war dann geschlossen.“
Am Anfang nutzte die Fluggesellschaft in Prag den Flugplatz Kbely. Er diente sowohl dem zivilen, als auch dem militärischen Betrieb, was zahlreiche Probleme brachte. Darüber hinaus war er schon bald zu klein für die zunehmende Intensität des Luftverkehrs. 1929 entschied daher die Regierung, einen neuen Flughafen zu bauen. Es dauerte aber noch acht Jahre, bis dieser eröffnet wurde, das Ergebnis war aber die Mühe wert. Das Flughafenterminal gehörte zu den modernsten in Europa, es gewann eine Goldenmedaille bei der Weltfachausstellung in Paris. Zum 5. April 1937 wurde der ganze zivile Betrieb aus Kbely auf den neuen Flughafen verlagert. Zunächst bestanden dort zwar nur Start- und Landebahnen aus Gras, doch wurde mit dem Bau eines modernen Runways aus Beton begonnen. Im selben Jahre gab es zudem noch eine Neuigkeit: Stewardessen. Ihre tschechische Bezeichnung „letuška“ erhielten die Flugbegleiterinnen erst, nachdem die Öffentlichkeit in einer Umfrage befragt worden war. Der Tschechoslowakische Rundfunk interviewte 1937 eine der ersten „Letuškas“. Charlotte Dvořáková, wie sie hieß, erläuterte ihre Arbeit:„Ich denke, unsere Aufgaben sind umfangreicher, als man sich das vorstellt. Vor dem Start muss ich vor allem das Bordbüfett entgegennehmen. Das ist ein Kasten, in dem so Manches zur Erfrischung ist. Größter Beliebtheit erfreut sich aber der Kühlschrank mit gut gekühltem Pilsner. Schon mehrmals sind wir ohne Vorräte wieder gelandet. Auf dem Flughafen hole ich noch Zeitungen, Linienpläne und die Post ab. Zudem habe ich immer einen kleinen Koffer mit Werbematerial über unsere Republik bei mir. Manche Reisende interessieren sich von selbst für die Flugmöglichkeiten in unserer Republik, mit anderen muss ich ein solches Gespräch auf passende Weise erst anknüpfen. Manchmal herrscht dabei ein babylonisches Sprachgewirr, und wir haben alle großen Spaß. Manchmal ist die Unterhaltung so lebhaft, dass die Reisenden ganz vergessen, dass wir uns in der Höhe von mehreren Kilometern befinden oder dass wir gerade in ein Schlechtwettergebiet geraten.“
Dunkle Wolken begannen sich bald darauf auch über der Tschechoslowakei als Staat zusammenzuziehen. Nach dem Münchner Abkommen im Oktober 1938 mussten gemeinsam mit den Sudetengebieten auch die Flughäfen in Karlovy Vary / Karlsbad, Mariánské Lázně / Marienbad und Liberec / Reichenberg an Deutschland abgetreten werden, die in Košice / Kaschau und Uschgorod fielen an Ungarn. Kaum ein halbes Jahr später hörte die Tschechoslowakei auf zu existieren, es entstand das Protektorat Böhmen und Mähren. Das ganze Eigentum der beiden tschechoslowakischen Fluggesellschaften, das heißt vor allem 27 Flugzeuge, ging an die Deutsche Lufthansa. Der Flughafen Ruzyně diente aber während des Kriegs vor allem der Luftwaffe, diese ließ die Start- und Landebahnen verlängern und befestigen. Da der Platz nie bombardiert wurde, war der Flughafen zum Ende des Krieges in einem besseren Zustand als zuvor. Deshalb konnte der zivile Betrieb schon ab Juni 1945 schrittweise wieder aufgenommen werden.Seit 2012 trägt der Flughafen Ruzyně den Namen des verstorbenen tschechischen Ex-Präsidenten Václav Havel und gehört zu den größten in Mittel- und Osteuropa. Bis Ende des Jahres ist dort im Terminal zwei eine Fotoausstellung zu sehen, sie zeigt die bunte Geschichte des Luftverkehrs in Tschechien beziehungsweise in der Tschechoslowakei.