Die deutsche Einheit – Pannenanfälliger Motor Europas

Jubiläum der Wiedervereinigung Deutschlands (Foto: ČTK)

Vor 20 Jahren, am 3. Oktober 1990, hörte die DDR auf zu existieren. Das große Thema des Wochenendes in Deutschland, das runde Jubiläum der Wiedervereinigung, wurde auch in Tschechien reflektiert. Die innerdeutschen Diskussionen, ob es sich bei der Einheit um eine Erfolgsgeschichte handelt oder nicht, spielen jedoch hierzulande nur eine untergeordnete Rolle. Die Tschechen interessieren sich besonders für die die außenpolitischen Auswirkungen der deutschen Wiedervereinigung, vor allem was die Europäische Union angeht.

Jubiläum der Wiedervereinigung Deutschlands  (Foto: ČTK)
Jiří Hanák in der Právo wirft aber zunächst einen Blick in die Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. Sein Kommentar liest sich wie eine bewundernde Analyse, wie aus dem Deutschland, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag, die stärkste Volkswirtschaft Europas geworden ist. Diese Stärke sei unter anderem der Grund dafür gewesen, dass die deutsche Wiedervereinigung 1990 im Westen nicht nur Anhänger hatte. Hanák schreibt:

„Die britische Premierministerin Margaret Thatcher und besonders der französische Präsident Francois Mitterand lehnten die deutsche Einheit ab. Aber gerade Mitterand fand die Lösung: das wiedervereinigte Deutschland sollte so eng wie möglich an die Europäische Union gebunden werden. Kanzler Helmut Kohl stimmte also einer weiteren europäischen Integration zu und als ‚Dreingabe’ opferte er die Deutsche Mark und nahm den Euro an. Jeder tschechische Politiker, der heute gegen die europäische Integration mosert und den Euro verspottet, sollte sich vergegenwärtigen wogegen er mosert und was er verspottet, nämlich die einzig mögliche europäische Zukunft. Denn ohne eine immer stärkere europäische Integration ließe es sich mit einem vereinigten Deutschland in Europa nicht leben. Das wusste Präsident Mitterand, das sah auch Kanzler Kohl ein. Vielleicht kommt diese Erkenntnis auch irgendwann auf der Prager Burg an. Früher als in drei Jahren wird das aber nicht sein.“

Ehemaliger Kanzler Helmut Kohl mit Kanzlerin Angela Merkel  (Foto: ČTK)
Damit spielt Hanák auf das Ende der Amtszeit des tschechischen Präsidenten Václav Klaus an, der der europäischen Integration bekanntlich sehr kritisch gegenüber steht. Auch der Kommentator Zbyněk Petráček rückt die deutsche Einheit in einen europäischen Kontext. In der Lidové noviny schreibt Petráček:

„Der Erfolg der deutschen Einheit wirkt vor allem nach außen hin, und zwar so stark, dass man darüber vergisst, dass er nicht übertragbar ist. In Deutschland gibt es eine Konsensgesellschaft, in der de facto alles funktioniert. Zynisch gesagt: es funktionierten in ihr auch der Nationalsozialismus und der Kommunismus. Kanzler Kohl hat es im Jahre 1990 ehrlich gemeint, als er behauptete, die andere Medaillen-Seite der deutschen Einheit sei die europäische Einheit. Erst jetzt, 20 Jahre danach, stellen wir fest, dass diese Erfahrung nicht auf den europäischen Rahmen übertragbar ist. Das ist weder ein Argument gegen die deutsche Einheit noch gegen die Europäische Union, aber es ist ein Argument gegen den grenzenlosen Glauben, dass es reicht Regeln auszurufen, aus der Mark den Euro zu machen, und dann kommt schon alles von ganz allein.“