Mit dem Botschafter in die Meetfactory – mit Goethe in die Sauna

Goethe-Automat

In der kommenden Woche stehen zwei Großereignisse in der Prager Party- und Kulturszene an. Das Goethe-Institut verwandelt sich in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Verlag Labyrint in einen „Goethe-Automaten“ und öffnet auch seine geheimsten Räumlichkeiten für Kunst, Literatur und intime Lesungen. Die deutsche Botschaft Prag wiederum nimmt 20 Jahre Wiedervereinigung zum Anlass, in der Meetfactory eine große Party zu schmeißen. Statt Piccolo und Häppchen sind Gerstensaft und DJ-Beats angesagt. Christian Rühmkorf hat bei Botschafter Johannes Haindl und bei der Programmleiterin des Goethe-Instituts, Angelika Eder, nachgefragt, was die Prager erwartet.

Johannes Haindl
Am Dienstag, dem 23. November findet in der Prager Meetfactory – in der Fleischfabrik – eine große Party statt und zwar eine deutsch-tschechische Party, ausgerichtet von der deutschen Botschaft und vom Goethe-Institut. Herr Botschafter Haindl, was wird dort stattfinden?

„Es wird – wie Sie eben schon sagten – eine große und hoffentlich auch eine tolle Party werden. Und mit dieser Party wollen wie den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung feiern. Und ich glaube, das ist ein Anlass, an dem nicht nur die Deutschen feiern können, sondern wo auch die Tschechen mitfeiern können. Denn es ist in den 20 Jahren sehr viel geschehen, viel in Deutschland geschehen, viel in Tschechien geschehen, aber auch viel zwischen Deutschland und Tschechien geschehen. Aus einer Nachbarschaft ist eine Freundschaft und intensive Zusammenarbeit geworden.“

Meetfactory  (Foto: www.meetfactory.cz)
Was erwartet also die tschechischen und die deutschen Gäste in Prag – was dürfen Sie dort in der Meetfactory erleben?

„Wir sind ja schon fast soweit, dass wir eine Tradition begründet haben, denn das Fest, die Party, findet jetzt schon zum zweiten Mal statt. Wir sind wieder in die Meetfactory gegangen, weil wir glauben, dass diese Meetfactory tatsächlich etwas von einer Berliner Club-Atmosphäre hat. Und was die Gäste dort erwartet: Drei DJs und tolle Musik wird sie dort erwarten. Es wird sie ein Programm erwarten, das Überraschungen hat, denn Berliner und Brünner Kunststudenten haben sozusagen spezielle Aktionen vorbereitet. Mehr kann ich noch nicht dazu sagen, aber ich glaube, das wird hochinteressant werden. Es erwarten sie tolle Moderatoren und natürlich eine hervorragende Stimmung.“

Mauerfall in Berlin  (Foto: www.wikimedia.org)
Wird es Freibier geben? – Eine wichtige Frage in Tschechien…

„Na ja, schauen wir doch mal… (lacht) – um Beckenbauer zu zitieren.“

Herr Botschafter, Sie waren auch auf der Party im letzten Jahr. Anlass waren 20 Jahre Mauerfall. Hat es Ihnen gefallen, haben Sie es genossen?

„Mir hat es sehr gut gefallen, wenngleich ich zugeben muss: Ich habe dann doch relativ früh das Weite gesucht, denn in meinem Alter war der Lärmpegel dann doch allzu jugendlich – um es mal so auszudrücken.“

Johannes Haindl  (rechts)
Ist die Ausrichtung einer solchen Party – und es soll ja auch wirklich eine Party sein, bei der gefeiert und getanzt wird – ist das die Aufgabe einer Botschaft?

„Die Aufgaben einer Botschaft ändern sich. Sie passen sich an die Zeiten an, und wir betrachten diese Party sozusagen als Teil von ´Public Diplomacy´. Es hat mir zwar noch niemand erklären können – obwohl wir dieses Wort ständig im Munde führen – was Public Diplomacy genau bedeutet. Aber wir haben es uminterpretiert und verstehen Public Diplomacy auch als Party-Diplomacy. Und dazu gehört dieses Fest am kommenden Dienstag.“

Herr Botschafter, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch, und ich wünsche Ihnen am kommenden Dienstag einen schönen Abend in der Meetfactory.

„Herzlichen Dank. Und ich hoffe, es kommen zahlreiche Hörer von Radio Prag.“

Mit Sicherheit.


Angelika Eder, Sie sind Leiterin der Programmabteilung des Goethe-Instituts. In einer Pressemeldung verspricht das Goethe-Institut Prag, dass sich am 27. November das Haus in einen Automaten verwandelt für literarisch-kulturelle Erlebnisse. Automat – heißt das, dass im Goethe-Institut demnächst Selbstbedienung angesagt ist?

„Nein, Automat heißt, dass es ganz viele Schubladen voller schöner Dinge gibt, die man öffnen kann, in die man hineingehen kann, in die man hineinschauen kann. Es beginnt damit, dass wir im Eingangsbereich des Goethe-Instituts einen tatsächlichen Süßigkeiten-Automaten stehen haben, in dem es aber auch Literatur gibt. Denn ich habe zusammen mit Marc Degens, dem Schriftsteller und Verleger aus Berlin, der den Verlag SuKuLTuR hat, dieses Konzept zunächst entwickelt und der verlegt die Reihe „Schöner lesen“. Das sind so kleine gelbe Hefte mit junger deutscher Literatur, und die – und auch andere Dinge – kann man sich aus diesem Automaten ziehen. Dann geht man in das Haus hinein und entdeckt in ganz vielen Räumen tschechische und deutsche Kunst, man kann sich aktuelle Musikvideos aus Deutschland und der Tschechischen Republik ansehen, man kann in einer Ecke Comics lesen. Es gibt aber natürlich auch echte Künstler, es gibt Lesungen mit deutschen und tschechischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, es gibt Diskussionen, zum Beispiel mit Andreas Platthaus, dem Comic-Experten der FAZ, da wir an dem Abend auch die große Comic-Ausstellung ´Comics, Manga & Co. Die neue deutsche Comic-Kultur´ eröffnen werden.“

Andreas Platthaus  (Foto: Stefan Flöper,  www.wikimedia.org)
Jetzt haben Sie ziemlich viel erwähnt, aber eines nicht – und das wird mich und vermutlich auch viele andere ganz besonders interessieren: Sie versprechen nämlich zehnminütige Lesungen unter vier Augen in der Sauna des Goethe-Instituts. Was darf man sich darunter vorstellen?

„Poesie braucht eine besondere Aufmerksamkeit. Und man erlebt das sicher anders, wenn man direkt dem Dichter oder der Dichterin gegenüber sitzt. Und wir haben deutsche und tschechische Lyrikerinnen und Lyriker eingeladen, die in der Sauna jeweils einzeln für unsere Gäste lesen werden. Das heißt, Sie kommen am 27. November ins Goethe-Institut, Sie tragen sich für einen kleinen Zeitraum ein, kommen dann dorthin, gehen mit dem Dichter in die Sauna, der liest nur für Sie, und dann gehen Sie wieder heraus. Und das ist sicher ein ganz besonders intensives Literaturerlebnis.“

Goethe-Automat
Darf man da angezogen bleiben?

„Ja, das würde, glaube ich, für alle Beteiligten angenehmer sein.“

Und die Mitarbeiter des Goethe-Instituts sind auch bereit, für einen Abend nach der Arbeit mal nicht in die Sauna zu gehen?

„Wir haben das besprochen, dass an diesem Abend die Sauna für dieses Kunstprojekt alleine zur Verfügung steht.“

Wir müssen vielleicht dazu sagen, dass diese Sauna ein Überbleibsel aus DDR-Zeiten ist. Dieses Gebäude diente bis zur Wende als DDR-Botschaft, und da hat man es sich im Keller einigermaßen gut gehen lassen. Gibt es einen Anlass für dieses riesige Kultur- und Literaturprogramm, dass sie hier veranstalten?

Jaroslav Rudiš
„Nein, es gibt keinen Jahrestag oder konkreten Anlass, sondern wir haben einfach gedacht, wir wollen mal das ganze Haus bespielen, von oben bis unten, mit deutschen und tschechischen Schriftstellern und Künstlern, um zu zeigen, welche Vielfalt es vor allem an Literatur, aber auch anderer Kunst aus beiden Ländern gibt und wollen damit einfach viele Leute zusammenbringen. Und es gibt die Möglichkeit der Begegnung – die Cafeteria ist geöffnet, es wird im zweiten Stock auch eine kleine Weinbar geben. Es ist kein konkreter Anlass, wir haben nur gedacht, es ist Zeit – bevor wir in die Adventszeit gehen, dass wir noch mal so richtig satt Kultur genießen. Das ganze Programm ist auf Deutsch und Tschechisch zugänglich, und durch den Abend führen werden Jaroslav Rudiš, Igor Malijevský und Marc Degens.“

Und nicht nur das – ab 23 Uhr wird dann auch getanzt und zwar zu Beats von Dj Šimon Šafránek. Angelika Eder, herzlichen Dank für das Gespräch.